Straße im Wandel Die Siemensstraße in Bonn-Dransdorf hat viele Facetten

Dransdorf/Endenich · Alle paar hundert Meter ein anderes Bild: Entlang der Siemensstraße sehen Spaziergänger Wohnhäuser neben Industriebrachen, Kirchen und Startup-Unternehmen.

 Bis 1972 haben die Anwohner an der Bonner Straße gelebt, seitdem an der Siemensstraße. Sie ist heute von Wohnbebauung und Gewerbe geprägt.

Bis 1972 haben die Anwohner an der Bonner Straße gelebt, seitdem an der Siemensstraße. Sie ist heute von Wohnbebauung und Gewerbe geprägt.

Foto: Stefan Hermes

Manche Anwohner der Siemensstraße werden sich daran erinnern, dass ihre Anschrift bis 1972 noch Bonner Straße lautete. Das änderte sich im Zuge der Kommunalen Neugliederung von 1969. Heute ist Hardtberg einer der vier Stadtbezirke in Bonn, der sich aus den Ortsteilen Duisdorf, Hardthöhe und Lengsdorf bildete. Durch die Eingliederung zu Bonn gab es dort ein Problem: Mehrfach gab es die Bonner Straße in der angewachsenen Stadt. Die Lösung: Jene Bonner Straße sollte ihren Namen behalten, die die meisten Anwohner hatte.

Die Entscheidung fiel damals zugunsten der Bonner Straße in Bad Godesberg aus. Warum man sich dann in Dransdorf für Siemensstraße entschied, lässt sich auch im Stadtarchiv nicht mehr ermitteln. Die Namensänderung hatte jedoch keinen weiteren Einfluss auf die nach ihren Hausnummern vom Bonner Zentrum aus gezählten 269 Liegenschaften an der Straße.

Nach dem Knick wandelt sich das Gesicht

Zwischen zwei Kreisverkehrsanlagen nimmt die Siemensstraße auf rund 1800 Metern einen seltsamen Verlauf: Nach etwa der Hälfte von Dransdorf kommend, knickt sie plötzlich nach links ab, verschmälert sich und wandelt ihr Gesicht von der Wohnstraße, die unterhalb des Dransdorfer Bergs verläuft, in ein nahezu desolat wirkendes Gewerbegebiet mit Schrottplätzen und Gebrauchtwagenangeboten bis sie zum Ende hin in den prosperierenden Sirius-Businesspark mündet.

Dort hat sich heute ein funktionierendes Umfeld für Gewerbe jeglicher Art entwickelt; mit Fitnessstudios, Kletterhalle, diversen Startup-Unternehmen und Dienstleistern aller Art. Mit der Fertigstellung des sich nach Westen anschließenden Westside-Parks dürfte das Gelände an Attraktivität gewinnen.

Die namensgebende Biskuithalle ist längst Vergangenheit

Direkt gegenüber findet seit mehr als 30 Jahren jeden Samstag bei Wind und Wetter der Biskuithallen-Flohmarkt statt. Die namensgebende Biskuithalle ist jedoch längst Vergangenheit. Auch wenn ihre letzte Nutzung als Diskothek zu dem Namen „Keksdose“ führte, hatte die Biskuitfabrik nichts mit Gebäck zu tun: In den Fabrikhallen wurden seit Ende des 19. Jahrhunderts Wandfliesen hergestellt. Biskuit ist dabei die Bezeichnung für einen Fliesenrohling, der mit zusätzlichem Dekor ein zweites Mal gebrannt wird.

Kaum jemand wird die gegenüberliegende Antik- und Trödelfabrik durch Zufall entdecken: Nur ein schmaler Weg führt zwischen Autohändlern und Brachlandschaft auf das ehemalige Fabrikgelände der Firma Wilke Säurebau an der Siemensstraße 25. Dort findet sich heute in kunstvoll geordnetem Chaos Skurriles, Trödel und Alltägliches aus vergangenen Zeiten.

Der Hochbunker unterbricht die Straße

Verlässt man die Endenicher Siemensstraße in Richtung Westen, betritt man in etwa nach der Gleisüberführung an der Haltestelle Endenich Nord das Dransdorfer Stadtgebiet. Nun säumen Siedlungshäuser die Straße. Zunächst nur von der Hochbunkeranlage aus dem Zweiten Weltkrieg unterbrochen, deren Zukunft nach wie vor ungewiss ist. Die Eigentumsverhältnisse sind ungeklärt: Das Portal gehört der Stadt Bonn, die tief im Dransdorfer Berg liegenden Tunnel, Räume und Röhren, die als Krankenhaus dienten, sollen dem Bund gehören. Genaueres kann selbst die Stadt Bonn nicht mitteilen. Heute sind die Eingänge fest verschlossen, um Vandalismus jeglicher Art zu verhindern.

 Die Zukunft der Hochbunkeranlage (links) aus dem Zweiten Weltkrieg auf Dransdorfer Gebiet ist nach wie vor ungewiss. Im „Rom.Hof“ sind 93 Studentenzimmer um den Lichthof angeordnet.

Die Zukunft der Hochbunkeranlage (links) aus dem Zweiten Weltkrieg auf Dransdorfer Gebiet ist nach wie vor ungewiss. Im „Rom.Hof“ sind 93 Studentenzimmer um den Lichthof angeordnet.

Foto: Stefan Hermes

Schräg gegenüber wird der Besucher dagegen mit der einladenden Architektur des „Rom.Hof“ empfangen. Dem Bonner Architekten Uwe Schröder ist ein lebens- und sehenswerter Bau gelungen, in dem sich 93 Studentenzimmer verbergen, die um einen Lichthof angeordnet sind.

Fast bescheiden wirkt dagegen der maurisch-monumentale Bau an der Siemensstraße: Die dunkelroten Ziegelsteine, die nach oben in einem warmen Ockerton wechseln, nehmen dem festungsartigen Bau mit quadratischem Grundriss jegliche Schwere. Das Zentrum dieser kleinen eigenen Welt bildet ein viergeschossiges Gemeinschaftshaus, das Schröder quer in den Hof hineingestellt hat. Ein doppelgeschossiger Waschsalon auf Straßenniveau, eine Gemeinschaftsküche darunter und ein Spiel- und Fitnessraum darüber laden zum gemeinschaftlichen Wohnen und Leben ein.

 Im „Rom.Hof“ sind 93 Studentenzimmer um den Lichthof angeordnet.

Im „Rom.Hof“ sind 93 Studentenzimmer um den Lichthof angeordnet.

Foto: Stefan Hermes

Die St. Antoniuskirche gehört zu den ersten modernen Kirchenbauten

Ähnlich grandios muss 1929 der Entwurf der St. Antoniuskirche des ebenfalls aus Bonn stammenden Architekten Jakob Stumpf gewesen sein. Die am Ende der Siemensstraße aufragende schneeweiße Kirche der katholischen Thomas Morus Gemeinde gehört zu den ersten modernen Kirchenbauten Bonns. Die einschiffige Saalkirche zeigt deutlich, dass sie die Dekorvielfalt vergangener Jahrhunderte hinter sich gelassen hat.

Bei ihrem Bau wurde das Wissen aus der Industriearchitektur angewandt, das man beispielsweise bei der Erstellung von Flugzeughallen gewonnen hatte. Man stellte vorgefertigte Betonbinder als Wandpfeiler auf und goss die Außenwände aus Eisenbeton, wobei die Fenster schlitzförmig ausgespart wurden. Auch die tonnenartige Decke ist kein aus Stein gemauertes Gewölbe, sondern ein verputztes Beton-Drahtgeflecht.

Die neue Bauform einer Geborgenheit vermittelnden Höhlenkirche wurde durch den Kölner Kirchenbaumeister Dominikus Böhm bekannt. Patron der Dransdorfer Kirche ist der Eremit Antonius, zu dem Gläubige beten, wenn sie etwas verloren haben. Der Heilige Antonius hilft dann auf seine Weise.

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