Stefanie Mingers erzählt Wie eine Familie im Siebengebirge die Corona-Zeit erlebt

Siebengebirge · Stefanie Mingers aus dem Siebengebirge hat mit drei Kindern die Corona-Zeit erlebt. Bei zwei Monaten Schulpause lagen die Nerven bei der Familie das eine oder andere Mal blank. Nach den Lockerungen wird ein eigentlich alltäglicher Besuch zum absoluten Highlight.

 Foto: (v.l.) Hannah, Mutter Stefanie, Fred und Emmely Mingers bei den Hausaufgaben am großen Esstisch.

Foto: (v.l.) Hannah, Mutter Stefanie, Fred und Emmely Mingers bei den Hausaufgaben am großen Esstisch.

Foto: Frank Homann

Heute hat Stefanie Mingers ein Ziel vor Augen. Am Nachmittag will die dreifache Mutter, die mit ihren Kindern und ihrem Mann Christian in Pleiserhohn lebt, mit dem achtjährigen Fred auf den Spielplatz in Kurscheid. Sogar die zwölfjährige Hannah möchte gerne mit. Nach zwei Monaten Pause sind Spielplätze seit Donnerstag wieder geöffnet. Und in Corona-Zeiten ist ein Spielplatzbesuch ein echtes Highlight.

Seit Mitte März, also seit genau acht Wochen, haben Fred die zweite Klasse der Grundschule Sonnenhügel , Hannah die sechste Klasse der Gesamtschule Oberpleis und ihre 15-jährige Schwester Emmely die neunte Klasse des Gymnasiums am Oelberg nicht mehr von innen gesehen. Mit einer kleinen Ausnahme. Emmely durfte in dieser Woche ihre Chormappe im Gymnasium abholen. Sie singt im Schedrik-Chor, der für sie seit mehreren Wochen eine der wenigen Verbindungen zur Außenwelt ist. Denn jeden Donnerstag gibt es zur üblichen Zeit eine Chorprobe – online. „Ein bisschen Normalität“, das weiß ihre Mutter sehr zu schätzen.

Vereinsangebote fallen aus

Alle anderen Vereinsangebote fallen zurzeit schließlich aus. Fred und Hannah können weder zur Leichtathletik bei der HSG Siebengebirge noch zum Schwimmen bei der DLRG gehen, Emmely und Hannah müssen auf das Tanztraining bei den Bockerother Sternschnuppen und Fred auf Badminton beim TuS Oberpleis verzichten. Auch hier hat Emmely Glück. Sie kann wenigstens in Eisbach reiten gehen.

„Ich mag es nicht, zu Hause zu sein, weil ich meine Freunde nicht sehen kann“, sagt Hannah. Der kleine Fred findet es einfach nur „Kacke“. Und Emmely fand zwar die ersten drei Wochen mit langem Ausschlafen und ohne Klassenarbeiten noch cool. „Dann wurde es aber langweilig“, sagt sie. Zwei Monate Homeschooling, da liegen auch bei ihrer Mutter schon mal die Nerven blank. „Es gibt gute und schlechte Tage“, sagt Stefanie Mingers. Wenn es gar nicht mehr gehe, schicke sie Fred Fahrrad fahren. „Der Tag ist halt lang“. Gerade die Anfangszeit sei eine echte Katastrophe gewesen. Erst als sie die Kinder mit ihren Hausaufgaben vom Esstisch verbannt und in ihre Zimmer geschickt habe, habe sich die Situation gebessert. „Ich habe es einfach nicht mehr ertragen. So haben sie gestritten.“

Sie ist dabei noch in der glücklichen Lage, ihren 25-Stunden-Job in einem Ittenbacher Hotel nachmittags ausüben zu können. Wenn sie arbeiten geht, können sich die Kinder auch an Vater Christian wenden, der ebenfalls im Homeoffice arbeitet. Die meisten Familien im Bergbereich von Königswinter würden doch in einer Blase leben. Aber nicht jede Familie habe die Zeit und auch die Kompetenz, sich um die Hausaufgaben ihrer Kinder zu kümmern.

„Meinen Haushalt kann ich aber natürlich nicht wie sonst machen. Von den Kindern hat immer wieder jemand eine Frage, auch wenn sich die Schulen und die meisten Lehrer die größte Mühe geben“, sagt Mingers. Alle zwei Wochen holt sie die Aufgaben für Fred an der Grundschule ab. Emmely bekommt sie immer montags per Mail. Jeder Schüler des GaO hat einen Microsoft-Zugang und eine eigene E-Mail-Adresse. Die Gesamtschule habe besonders schnell reagiert und auf ihrer Homepage eine Seite eingerichtet, auf der die Schüler sich ihre Aufgaben selbst herunterladen könnten.

Mit der Lehrerin gesprochen

Während Emmely so gut wie keine Betreuung brauche, sehe das bei den beiden jüngeren Kindern anders aus. Vor einigen Wochen habe sie sich mal bei Hannahs Lehrerin richtig ausgekotzt. „Ich habe ihr gesagt, dass meine Tochter immer schon mittwochs mit den Hausaufgaben fertig ist.“ Sie wolle einfach nicht, dass Hannah die ganze Zeit nur noch mit ihrem Handy verbringe, weil sie sich ja auch nicht mit ihren Freunden treffen könne. Die Lehrerin habe sich damit entschuldigt, dass viele Schüler mit der Fülle von Aufgaben nicht klar kämen. Fred brauche besonders viel Unterstützung. „Er guckt sonst die Wand an. Die Konzentration wie im Unterricht ist bei ihm einfach nicht gegeben. Ich bin halt nur die Mama und nicht die Lehrerin.“

Die neuen Regelungen für die Schulen, die die Politik am Donnerstag beschlossen hat, hält Mingers für wenig sinnvoll. „Ich hätte es befürwortet, wenn es bis zu den Sommerferien keinen Unterricht mehr gegeben hätte. Die Kinder profitieren doch nicht davon, wenn sie einen Tag pro Woche in die Schule gehen können. Sie geben ihre Bücher ab. Das war’s.“ Warum ausgerechnet die Viertklässler in dieser Woche als Erste wieder angefangen haben, erschließt sich ihr nicht. „In der vierten Klasse passiert doch nichts mehr. Da wird doch nur noch Eis gegessen. Die Drittklässler wären wichtig gewesen, weil sie sich mit ihrem Abschlusszeugnis für die weiterführenden Schulen bewerben müssen“, sagt sie.

Sie würde sich jedoch wünschen, dass ihre Kinder nach den Sommerferien in der Schule wieder ihre Freunde sehen können. „Das soziale Umfeld kann ich als Mutter nicht auffangen“, sagt sie. Alles in allem hat sie den Eindruck, dass die Kinder von der Politik in der Corona-Krise bisher vergessen wurden. „Sie wurden einfach weggesperrt.“ Auch die enorme Belastung für die Eltern rangiere ganz weit unten.

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