Der Export "fliegender Fakultäten" floriert

Universitäten gründen Ablegerhochschulen in Singapur, Hanoi oder in der Ukraine

Bonn. Der Exportweltmeister Deutschland wird jetzt verstärkt auch seine Hochschulbildung im Ausland anbieten. Mittler ist der Deutsche Akademische Austauschdienst mit seiner Zentrale in Bonn. Mit insgesamt knapp 13 Millionen Mark aus dem Bundesbildungsministerium unterstützt er Universitäten und Fachhochschulen, die eigene Studiengänge an Partnerhochschulen in aller Welt anbieten. In einer ersten Ausschreibungsrunde wurden neun Bewerbungen prämiert.

Das Vorzeigebeispiel ist die Technische Universität München. Sie hat soeben mit der National University of Singapore eine "Deutsch-Singapurische Universität" in dem südostasiatischen Stadtstaat gegründet. Angeboten werden - beinahe selbstverständlich in englischer Sprache - Master-Studiengänge in Chemie, Telekommunikation, Mathematik und Biotechnologie. Deutsche Postdocs leiten die Labors für Ausbildung und Forschung zusammen mit einheimischen Kollegen. Professoren von der Isar kommen im Flieger zu mehrwöchigen Blockveranstaltungen hinzu.

Die obligatorischen Studiengebühren zahlen oft deutsche Firmen mit Interessen in Südostasien wie Siemens oder DaimlerChrysler. In ähnlicher Weise errichtet die TU Dresden in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi eine (fliegende) Fakultät für Maschinenbau. Die Universität Magdeburg bietet mit der Partneruniversität Donesk in der Ukraine erst einmal einen einzelnen Studiengang, speziell für Elektro- und Informationstechnik. Mit ihren internationalen Angeboten in unmittelbarer Kundennähe folgen die deutschen Hochschulen Erfolgsbeispielen von australischen und englischen Universitäten vor allem in Südostasien.

Hochschulen an der Rheinschiene wie etwa in Bonn oder Köln gehören bislang nicht zu den Begünstigten, sie haben auch keinen offiziellen "Reservestatus" im zweiten Bewerbungsverfahren, über das Ende Mai entschieden wird. Wie das Geschäft funktioniert, stellte das Gütersloher Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) jetzt auf einer Fachtagung in Bonn vor. Sozial aufstrebende Familien in Schwellenländern schicken ihre Kinder in der Regel lieber auf ausländische Hochschulen als auf heimische. Schon aus finanziellen Gründen sind sie allerdings besonders an "westlichen" Studienangeboten im eigenen Land, vor der eigenen Haustür interessiert: Das Leben in Hanoi ist immer noch billiger als in Bonn.

Islamisch geprägte Eltern befürchten zudem oft auch eine unerwünschte "Verwestlichung" ihres Nachwuchses im Ausland und bevorzugen deshalb internationale Studienangebote im eigenen Kulturkreis. Das Hauptinteresse der ausländischen Bildungsanbieter bringt Anthony Pollock von der australischen Monash University auf einen einfachen Punkt: "Business, Geldverdienen. Nebenbei fallen in der internationalen Szene mitunter auch Anregungen für das heimische Curriculum ab."

Karsten Brenner, Abteilungsleiter im Bonner Bundesbildungsministerium, denkt beim Export deutscher Studienangebote nach wie vor auch an den traditionellen "Kulturaustausch" ohne merkantile "Gewinnerzielungsabsichten". Er mahnte die in der Bundesstadt versammelten Bildungs- und Wissenschaftsverwalter jedoch zugleich eindringlich: "Wir dürfen beim Wissensexport nicht nur abgeben, wir müssen auch gewinnen. Das Schlagwort dafür heißt Greencard."

Nach dem Abschluss in der Heimat sollen die Besten an die deutsche Mutteruniversität zur Weiterqualifizierung kommen und anschließend bei deutschen Firmen im In- oder Ausland die Wertschöpfung mehren. Der nächstliegende Vorteil für die exportorientierten deutschen Hochschulen: Während sie hierzulande für Bachelor- und Masterstudiengänge laut Beschluss der Kultusminister (noch) keine Studiengebühren erheben dürfen, können sie im Ausland Geld nehmen, Geld, das langfristig unabhängig macht von Vater Staat.

Literaturtipp: Ulrich Schreiterer, Johanna Witte: Modelle und Szenarien für den Export deutscher Studienangebote ins Ausland. Herausgegeben vom CHE und DAAD, Gütersloh 2001, 127 Seiten.

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