Der Reaktionstest bringt die Offenbarung

Bonner Psychologen entwickelten ein Präventionskonzept, das auf Erfahrung setzt

Bonn. (ga) Die Stimmung ist feucht-fröhlich, die Freunde schmeißen eine Runde nach der anderen. Da wirft mancher Autofahrer seine guten Vorsätze über Bord und lässt sich doch noch zum Bier verleiten, frei nach dem Motto "Ein paar Gläser werden schon nicht schaden." Ein von Psychologen der Universität Bonn zusammen mit dem Rheinisch-Westfälischen TÜV entwickeltes Konzept könnte dazu beitragen, den Alkoholkonsum im Straßenverkehr nachhaltig zu verringern.

Bei etwa 20 bis 40 Prozent aller tödlichen Verkehrsunfälle ist Alkohol im Spiel. Gerade Fahranfänger neigen dazu, sich auch noch nach einigen Gläsern Wein oder Bier ans Steuer zu setzen. Bei ihnen setzt das "Pilotprojekt Alkoholprävention bei Fahrschülern und Fahranfängern" (PAFF) an: Es will nicht mit erhobenem Zeigefinger belehren, sondern setzt auf das Prinzip Klugheit durch Erfahrung.

583 Fahrschüler unterzogen sich freiwillig einem Versuch. Sie tranken zuerst Alkohol und absolvierten anschließend einen Reaktionstest, der jedem am eigenen Leib zeigte, wie bereits ein kleines Gläschen Alkohol Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigen. Freilich blieb für die Testreihe der Autoschlüssel zu Hause.

Eine Woche später trafen sich die Testpersonen wieder: Moderiert von zwei Verkehrspsychologen tauschten sie ihre Erfahrungen aus. Auch diesmal stand der Reaktionstest auf dem Programm - allerdings im nüchternen Zustand.

Da das Gedächtnis zeitlich meist nur von kurzer Reichweite ist, befragten die Wissenschaftler um Stefan Poppelreuter ihre Probanden zu Beginn der Studie und in den 24 Monaten nach dem "Trinkversuch" regelmäßig zu ihrem Kenntnisstand zum Thema Alkohol und ihrer Einstellung zu Alkoholkonsum im Straßenverkehr.

Außerdem sollten sie "beichten", wie häufig sie seit ihrer Fahrprüfung unter Alkoholeinfluss gefahren waren.

Ob das Programm auch Wirkung zeigt, testeten die Psychologen anhand einer Kontrollgruppe von 428 Fahrschülern, die sich dem "Trinkversuch" nicht unterzogen hatten. Das Ergebnis der Bonner Forscher: Selbst zwei Jahre nach dem Versuch wussten die Probanden erheblich mehr über die physiologische Wirkung des Alkohols als die Mitglieder der Kontrollgruppe. Außerdem bewerteten sie Alkohol deutlich negativer.

An der Studie beteiligten sich vor allem Fahrschüler, die nach den Ergebnissen der Voruntersuchung Alkohol eher aufgeschlossen gegenüber standen. "Das ist genau die Zielgruppe, die wir erreichen wollen", betont Stefan Poppelreuter, der für offensive Alkoholprävention schon in der Schule eintritt. Allerdings stießen die Psychologen auf eine Überraschung: Erstaunlicherweise gaben die Testtrinker mehr Fahrten unter Alkoholeinfluss zu als die Mitglieder der Kontrollgruppe.

"Vielleicht sind sie für das Thema Alkohol einfach stärker sensibilisiert und haben bereits solche Fahrten angegeben, die Mitglieder der Kontrollgruppe noch gar nicht als Alkoholfahrten deklariert hätten", erklärt Poppelreuter.

Aufschluss erhofft er sich aus der Auswertung des Verkehrsregisters in Flensburg, zu der die Teilnehmer der Studie im Vorfeld zustimmen mussten.

Informationen: Stefan Poppelreuter, Telefon (02 28) 73 42 86, E-Mail: S.Poppelreuter@Uni-Bonn.de

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