"Dort sollte Leben sein"

Vor 36 Jahren hatte der damalige Generalsekretär Thorwald Risler die Idee zum Wissenschaftszentrum

Bonn. "Eines war für mich von vornherein klar. Auf keinen Fall durfte an der Ahrstraße ein weiteres reines Bürogebäude entstehen. Das lahme Stück Land musste doch in Bewegung gebracht werden. Dort sollte Leben sein." Die Idee, die Thorwald Risler damals im Kopf herumging, war ungewöhnlich, etwas bis dahin völlig Neues.

Der 1964 ernannte Generalsekretär des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft dachte an einen Bau, der zwar auch Büros beherbergen, aber in erster Linie als kulturelles Zentrum dienen sollte; "ein Ort der Begegnung, des Austausches sowie der Zusammenarbeit der Wissenschaftsorganisationen", betont der heute fast 88-jährige Risler im GA-Gespräch - kurz: ein "Wissenschaftszentrum".

Das Konzept gedieh in einer Zeit, als Risler 1965 vor mehreren Herausforderungen stand: Der Stifterverband musste sich neue Spenderkreise erschließen, wollte er seine Förderung weiter durchhalten. Außerdem hatte das Aufgabenspektrum der Wissenschaftsorganisationen enorm zugenommen, und damit war ihre Raumnot drängender geworden. Hilfe erhofften sich die Organisationen vom Stifterverband. "Es ist nicht damit getan, dass man nach Geld trommelt, dann kommt keines. Man muss Anreize schaffen, damit es fließt", das sieht der einstige Unternehmer heute genauso wie während seiner Amtszeit als Generalsekretär.

Risler brachte für die neuen Aufgaben das notwendige Know-how mit. Der gebürtige Freiburger führte nach dem Zweiten Weltkrieg das Familienunternehmen in seiner Geburtsstadt.

Darüber hinaus gehörte der Archäologe seit 1959 zum Vorstand der Geschwister-Scholl-Stiftung (Hochschule für Gestaltung) in Ulm und war kommunal- und landespolitisch tätig. Ihm sollte es nun gelingen, neben den Großunternehmen in Frankfurt und an Rhein und Ruhr mittelständige Betriebe aus anderen Regionen, insbesondere dem Südwesten, für die Forschungsförderung zu gewinnen. "Mit Werbung etwa für neue Büros der Wissenschaftsorganisationen wäre dies kaum gelungen", erzählt Risler.

"Die Spender wollten doch wissenschaftliche Projekte unterstützen und keine Baustellen." So schaffte es Risler, die Idee eines gemeinschaftlich genutzten Zentrums mit breiter öffentlicher Wirkung den Wissenschaftsorganisationen schmackhaft zu machen. Diese - Deutsche Forschungsgemeinschaft, Deutscher Akademischer Austauschdienst und Alexander von Humboldt-Stiftung - wollten zunächst einzelne Neubauten auf dem leeren Grundstück an der Ahrstraße errichten lassen. Doch Risler holte ihre Generalsekretäre an einen Tisch.

Ob das leicht oder mühsam war, lässt sich dem ehemaligen Generalsekretär des Stifterverbandes nicht so recht entlocken. "Die Organisationen standen unter Druck, denn sie brauchten mehr Platz. Da musste manche Eifersüchtelei in den Hintergrund treten", sagt er lediglich. Die Runde kam einmal im Monat zusammen. Später bildete sie das Baubüro und nannte sich "Interimsclub". Noch heute trifft sich der Club allmonatlich, erweitert um andere Organisationen und Staatssekretäre. "Allein dieser Club ist schon ein großer Gewinn aus der Entstehungszeit des Wissenschaftszentrums", sagt Risler. "In absolut offener, aber vertraulicher Atmosphäre können hier viele Dinge rund um Wissenschafts- und Forschungspolitik besprochen werden."

Risler berichtet mit Stolz von den vergleichsweise niedrigen Baukosten, den geringen Reparaturen und der klaren, durchgängigen Architektur, die auch das Innere des Zentrums kennzeichnet. "Wir wollten etwas wirklich Modernes schaffen bis hinein ins Design der Schreibtische und Stühle. Natürlich gab es auch die eine oder andere Zitterpartie", erinnert sich Risler.

Vor allem die Finanzen bereiteten zunächst Kummer, weil rasch deutlich wurde, dass die Wissenschaftsorganisationen nichts zu den Baukosten beisteuern konnten. Der Stifterverband finanzierte den Bau schließlich im Leasing-Verfahren.

"Ohne den reformfreudigen Vorstand unter Hans-Helmut Kuhnke und Gerhard Elkmann wäre allerdings nichts gelaufen. Sie unterstützen das Projekt massiv", hebt Risler hervor. Niemand konnte vorhersagen, ob und wie das neue Zentrum genutzt werden würde. Schon aus diesem Grund wurde es so geplant und errichtet, dass es sich im Fall eines Falles gut verkaufen ließ. "Wir ließen etwa im Untergeschoss Möglichkeiten für einen späteren Fitness-Raum mit Schwimmbad und Sauna schaffen", so Risler.

Verwirklicht wurde er freilich nicht, wohl aber ein Casino und ein Restaurant. "Sie waren die Renner, vor allem, weil es uns gelang, Mövenpick als Pächter zu gewinnen." Für Leben sorgte auch ein Kindergarten im Erdgeschoss. Und um kopfschüttelnde Skeptiker in den eigenen Reihen zu überzeugen, wurde der Kindergarten gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München als Forschungsprojekt betrieben. Das Konzept wurde nach Rislers Amtszeit 1978 aufgegeben. Dies bedauert er, ebenso wie die Auflösung einer Bibliothek, die Konferenzräumen weichen musste.

Wenn der in Bonn lebende alte Herr zurückblickt, zeigt er Zufriedenheit. Die Kongressräume werden rege genutzt, die Ausstellungen gut besucht. Auch nach dem Regierungsumzug ist ihm nicht bange um die Attraktivität des Zentrums. "Es ist fest etabliert, zieht neue Organisationen an und bleibt ein Ort der Urbanität."

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