Einblicke in den Alltag der Musikbranche

Das Bonner Seminar verknüpft schon während des Studiums Theorie mit Berufspraxis

Bonn. In seinen Workshops schlägt er schon während des Studiums "die Brücke zur Praxis" - und das obendrein noch mit entrümpelten Lehrinhalten. Professor Erik Fischer, Geschäftsführender Direktor des Musikwissenschaftlichen Seminars der Universität Bonn, bricht mit der traditionellen Ausrichtung des Studiums, wonach eine theoretische Grundlage für die spätere akademische Laufbahn vermittelt wird.

Seine Studenten sollen früh wissen, was sie später mit ihrem Studium anfangen können. "Die meisten Unis bilden noch Musikwissenschaftler aus, als hätte sich in den letzten 30 Jahren nichts verändert", bedauert Fischer. Nach einer gerade veröffentlichen Umfrage des Dachverbandes der musikwissenschaftlichen Fachschaften sind neue Methoden, die sich auf die Gegenwartskultur und die Neuen Medien beziehen, an allen deutschen Universitäten in der Lehre mit weniger als einem Prozent vertreten.

In Bonn wiegen dagegen Musiksimulation am Computer, Sounddesign und Audiobearbeitung mindestens gleich viel wie die klassischen Kategorien Werk und Biografie, Kunstverständnis sowie Hochkultur. Die modernen Inhalte werden in Workshops vermittelt. In einer Art Pilotphase fanden bisher drei solcher Kompaktveranstaltungen an Wochenenden statt: "Musikvermittlung im Hörfunk", "Projektkonzeptionen mit Multimedia-Autorensystemen" und "Musik & Business heute".

Die Studenten müssen sich mit der Wirklichkeit in der Musikbranche auseinandersetzen: Mit dem Redakteur im Hörfunk, der Texte für eine rundfunkgerechte Musikpräsentation gestaltet, genauso wie mit dem Eventmanager, der seine Erfahrungen mit den knallharten Bedingungen des Sponsoring macht.

"Sound ist heute überall", fasst Fischer zusammen. Die Chancen für Musikwissenschaftler stehen also nicht schlecht, wenn ihre Ausbildung den Anforderungen des Arbeitsmarktes gerecht wird. Fischer ist es gelungen, die Veranstaltungsreihe "Musikwissenschaft und Perspektiven der Berufspraxis" mit finanzieller Hilfe des Bonner Arbeitsamtes auf Dauer zu einem Zusatzprogramm des musikwissenschaftlichen Studiums zu machen.

Eine bestimmte Gruppe unter den Studienabbrechern hatte den Musikwissenschaftler dazu gebracht, die sonst schroff geschiedenen Welten der Theorie und Praxis enger miteinander zu verzahnen: "Es sind diejenigen, die so fähig sind und so offen, dass sie während des Hauptstudiums ihre praktischen Anknüpfungen suchen. Dann aber erkennen sie, dass ihnen das Examen gar nichts mehr nützen würde, und verlassen deshalb unser Fach."

Das neue Zusatzprogramm steht auch den Studierenden des neuen Studiengangs Medienwissenschaften offen. Dritter Partner des Workshops ist das seit 1998 am Musikwissenschaftlichen Seminar bestehende "Medienlaboratorium", das sich um die Zusammenhänge zwischen akademischer Lehre, musikalischer Wirklichkeit und aktuellen musikwissenschaftlichen Berufen kümmert. Leiter der Workshops sind junge Musikwissenschaftler, die freiberuflich als Producer, Softeware-Entwickler, Redakteur oder Eventmanager arbeiten wie etwa der Journalist Eckhard Gropp.

Der hat gerade seine Doktorarbeit an der Uni Bonn über "Musikvermittlung in der massenmedialen Erlebnisgesellschaft" abgeschlossen. "Vom Thema her drängt es sich geradezu auf, sie nicht als Buch, sondern als CD-ROM zu publizieren", sagt Gropp. Doch die Promotionsordnung erlaubt das nicht. Noch könne er seine Dissertation eher auf Latein einreichen als auf einem modernen Speichermedium. Aber er möchte das gerne als erster in Bonn tun.

Fischer unterstützt ihn darin. Dagegen stehen bisher die Vorbehalte der Philosophischen Fakultät gegen neue Publikationsformen für Doktorarbeiten. Doch Fischer sagt: "Ich bin sehr optimistisch, das wir schon bald eine fortschrittliche Promotionsordnung haben werden."

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