Interview mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil „Laschet stand an unserer Seite“

Interview · In der Koalitionsrunde zum Konjunkturpaket konnte die SPD den Altschuldenfonds nicht unterbringen. Jetzt will sie ihn ins Programm für die Bundestagswahl schreiben. Mit Generalsekretär Lars Klingbeil sprach Jan Drebes.

 Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär, bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus.

Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär, bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus.

Foto: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Herr Klingbeil, für das Konjunkturpaket gab es viel Lob. Kritisch ist aber, dass Sie nach der Senkung der Mehrwertsteuer nur hoffen können, dass die Händler die Preise senken. Ging das nicht anders?

Lars Klingbeil: Um jetzt schnell aus dem Stillstand der letzten Wochen rauszukommen, werden sich die Unternehmen um die Kunden bemühen und mit dem Weiterreichen der niedrigeren Mehrwertsteuer werben. In den nächsten Wochen startet ein Kampf um die attraktivsten Preise, da bin ich mir sicher.

Und die Mehrwertsteuersätze werden dann zum Auftakt des Wahljahres und vielleicht sogar in einer zweiten Corona-Welle im Winter wieder steigen? Kaum vorstellbar.

Klingbeil: Es geht darum, jetzt kurzfristig durch die Mehrwertsteuersenkung den Konsum anzukurbeln. Nach sechs Monaten endet die Senkung automatisch. So ist das vereinbart.

Sie schließen also aus, dass es zu einer Verlängerung der Absenkung kommen kann?

Klingbeil: In unsicheren Zeiten sollten wir Schritt für Schritt gehen. Niemand weiß, wie sich die Konjunktur entwickelt. Klar ist: Die Absenkung der Mehrwertsteuer gilt bis zum Jahresende. Ob es dann weitere Konjunkturimpulse braucht, weil wir vielleicht gegen eine zweite Corona-Welle kämpfen, entscheiden wir zu einem späteren Zeitpunkt.

Für die SPD war die Tilgung der Altschulden besonders belasteter Kommunen eigentlich zentral. Ist das Thema jetzt vom Tisch?

Klingbeil: Wir werden weiter für die Entschuldung der Kommunen kämpfen. Dass ist uns ein Anliegen. Wir haben dabei viel Unterstützung aus den Kommunen und Bundesländern. Sogar Armin Laschet stand da ja eigentlich an der Seite von Olaf Scholz und der SPD. Offenkundig hat er aber in den eigenen Reihen von CDU und CSU nichts zu melden. Und das als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes.

Die SPD ist doch in den Verhandlungen davon abgerückt, um die Mehrwertsteuersenkung und die Entlastung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft zu ermöglichen.

Klingbeil: Wir hatten das klare Ziel, mit dem Konjunkturprogramm die Kommunen auf dem Weg aus der Krise zu unterstützen. Sie brauchen finanziellen Spielraum, um investieren zu können. Das haben wir mit dem Kompromiss mit der Union jetzt erreicht, den Kommunen ist damit sehr geholfen. Trotzdem werden wir den Altschuldenfonds weiter verfolgen. Wenn es jetzt mit der Union nicht mehr klappt, schreiben wir das Vorhaben in unser Regierungsprogramm für die Bundestagswahl.

Für das 130-Milliarden-Paket nimmt der Bund hohe Schulden auf, deren Lasten künftige Generationen tragen müssen. Ist das sozial gerecht?

Klingbeil: Es ist richtig, dass wir jetzt Geld in die Hand nehmen, um unser Land wieder in Schwung zu bringen, Arbeitsplätze zu sichern, Familien zu unterstützen, Unternehmen zu retten. Es wäre am Ende viel teurer, wenn wir jetzt in der Krise nichts machen. Das schadet künftigen Generationen viel mehr als sinnvolle Investitionen.

Sie waren lange der wichtigste Digitalpolitiker der SPD-Fraktion. Glauben Sie, dass die Corona-Krise den Deutschen eine weit verbreitete Skepsis gegenüber digitalen Instrumenten genommen hat?

Klingbeil: Eindeutig, ja. Wenn ich mir anschaue, wie selbstverständlich und schnell sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Homeoffice gewechselt sind und von dort bereits seit Monaten ihrem Job über Onlineplattformen nachgehen, stimmt mich das sehr optimistisch.

Auch was die Akzeptanz der Corona-Warn-App angeht, die in einigen Tagen an den Start gehen soll?

Klingbeil: Ich hoffe, dass möglichst viele Menschen die App nutzen werden. So können wir uns gegenseitig als Gesellschaft unterstützen. Dann kann die App ihre volle Wirkung entfalten und maßgeblich dazu beitragen, dass keine zweite Corona-Welle über uns hereinbricht.

Die Corona-Krise zwingt auch Sie, digitaler zu arbeiten. Wird der nächste Parteitag virtuell?

Klingbeil: Wir haben in der Runde der Generalsekretäre dafür jetzt überhaupt erst mal den Weg geebnet. Damit inhaltliche Beschlüsse auch online gefasst werden können, wollen wir, dass das Parteiengesetz entsprechend angepasst wird. Für diese Modernisierung habe ich mich schon vor Corona eingesetzt. Auch was den Wahlkampf angeht, arbeiten wir derzeit an neuen digitalen Formaten.

Inwiefern?

Klingbeil: Ich bin überzeugt, dass die nächste Bundestagswahl im Netz entschieden wird. Wer hier am besten aufgestellt ist, gewinnt. Und ich werde als Wahlkampfmanager dafür sorgen, dass die SPD darauf gut vorbereitet ist.

Und aus alten Fehlern wie verstolperten Aufstellungen der Kanzlerkandidat:en gelernt haben?

Klingbeil: Ja, dafür müssen Programm und Personal aufeinander abgestimmt sein. Nach der Sommerpause machen die beiden Parteivorsitzenden einen Vorschlag zur Kanzlerkandidatur. Noch vor Jahresende hat die SPD dann einen Kandidaten. Die CDU wird zu dem Zeitpunkt nicht einmal wissen, wer die Partei künftig führt und mit welchem Kandidaten sie in den Wahlkampf startet.

Und Olaf Scholz ist am besten geeignet, um gegen Armin Laschet oder Markus Söder zu gewinnen?

Klingbeil: Die Parteivorsitzenden haben das Vorschlagsrecht, dem greife ich nicht vor. Olaf Scholz leistet als Vizekanzler und Finanzminister hervorragende Arbeit und bekommt dafür in der Bevölkerung große Anerkennung. Was für mich wichtig ist: Das Zusammenspiel zwischen Parteispitze, Fraktion und SPD-Mitgliedern der Bundesregierung funktioniert gut und ist eine wichtige Grundlage für einen erfolgreichen Wahlkampf.

Und dann braucht es den Abgang von Angela Merkel, bis es auch bei der SPD einzahlt, was Sie in der Regierung gerade so alles durchsetzen?

Klingbeil: Wenn ich in andere europäische Länder schaue, gibt es während der Corona-Krise überall diesen Effekt, dass sich die Menschen hinter der Regierungschefin oder dem Regierungschef versammeln. Der kleinere Koalitionspartner profitiert auch in anderen Ländern nicht in den Umfragen. Das muss ich zur Kenntnis nehmen. Es wird sich aber viel verändern, wenn Angela Merkel geht und die Menschen merken, dass es dann in der Union um Laschet, Söder oder Merz geht. Alle drei Parteien, wenn ich die Grünen und uns dazu nehme, starten von derselben Startlinie im nächsten Wahlkampf. Und das ist anders als bei anderen Wahlkämpfen davor.

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