Experten ordnen die aktuelle Forschung ein Diskussion über die Gen-Schere

Bonn · Bonner Universität zeigt den Dokumentarfilm „Human Nature“ im Rex-Kino.

 Mit der CRISPR/Cas-Methode lässt sich die menschliche DNA verändern.

Mit der CRISPR/Cas-Methode lässt sich die menschliche DNA verändern.

Foto: Stefan Hermes

Die amerikanische Biochemikerin Jennifer Doudna und die französische Mikrobiologin und Genetikerin Emmanuelle Charpentier sind  internationale Popstars der Wissenschaft. Sie werden mit ihrer grundlegenden Arbeit zur CRISPR/Cas-Methode (2012) als Erfinderinnen der Gen-Schere gefeiert und mit Preisen überhäuft.

Der am Montagabend im Endenicher Rex-Kino als Sondervorstellung der Bonner Universität gezeigte Dokumentarfilm „Human Nature“ des amerikanischen Regisseurs Adam Bolt ist unter anderem in Zusammenarbeit mit den beiden Wissenschaftlerinnen entstanden. Bold zeigt in hoher filmischer Qualität und teilweise dramatisch unterstützender Musik die Entwicklung der CRISPR/Cas-Technologie und lässt seine Protagonisten über die Chancen und Risiken sprechen, die damit verbunden sind.

„Oft bemerkt man erst hinterher, dass gerade eine Revolution stattgefunden hat“, sagt die Bioethikerin Alta Charo in dem Film, der zeigt, wie scheinbar einfach es sein kann, Erbgut mit CRISPR/Cas zu verändern. In auch für Laien verständlicher Form wird in Tricksequenzen das Ausschneiden und Ersetzen von „unerwünschten“ Teilen der DNA erklärt. Für Charpentier ist CRISPR/Cas nicht weniger als das „Schweizer Taschenmesser der Gen-Technik“.

Russlands Präsident Wladimir Putin wird in einem Vortrag gezeigt, in dem er vermutet, dass diese Erfindung für die Menschheit, „schrecklicher als die Atombombe“ sein könnte. Dagegen steht etwa der Harvard-Biologe George Church mit seiner Begeisterung für die Möglichkeit, die Tundra wieder mit Mammuts zu bevölkern.

Andere interessieren sich für die Frage, welches Baby man denn ordern würde, wenn man sich die Eigenschaften der Nachkommenschaft auswählen könnte. „Sex“, so Stephen Hsu, Chef der New Yorcker „Genomic Prediction“, werde nur noch der Entspannung dienen. Fortpflanzung finde dann im Labor statt.

Verdienst des Films ist, dass er weniger belehrt, als erklärt und zeigt, was heute möglich ist. Erst im Nachspann ist zu lesen: „Im November 2018 wurde bekannt, dass CRISPR dazu eingesetzt wurde, um die DNA von in China geborenen Zwillingsmädchen zu verändern. Damit veränderten Menschen zum ersten Mal in der Geschichte das Erbgut einer Folgegeneration.“ Kurz zuvor hatte man noch gehört, dass dies der Worst Case sei: Eine Gen-Veränderung würde die Menschheit nicht mehr los.

„Vielleicht möchten sie sich erst noch einmal einen Moment besinnen“, sagte Gerhild van Echten-Deckert vom Bonner LIMES-Institut in die betroffene Stille der Kinobesucher nach Ende des Films. Zusammen mit den Professoren Hans Weiher vom Institut für funktionale Gen-Analytik und dem Ethiker Dirk Lanzerath von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg sowie Hubert Schorle vom Institut für Pathologie des Bonner Universitätsklinikums eröffnete sie eine kurze Fragerunde zu CRISPR.

Schorle erklärte, wie CRISPR derzeit bei Patienten angewendet wird. Es gehe dabei ausschließlich um Erkrankungen im blutbildenden System. Stammzellen würden dabei außerhalb des Körpers mit CRISPR repariert und dem Patienten zurückgegeben. Das würde wohl jeder akzeptieren, sagte Weiher. Aber wir müssten in diesem Zusammenhang den Begriff von Krankheit genauer definieren.

Auf die Frage, welche konkreten Experimente in Bonn mit CRSPR durchgeführt würden, antwortete Schorle, dass man seit 2016 mit genveränderten Mäusen arbeite, um die Rolle von Protamin und anderen Genen bei Fertilitätsproblemen von Paaren zu untersuchen.

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