Sparkurs: Bonner Rat will auf Bürger hören

Wenn Kämmerer Ludger Sander zum Jahresende den Doppelhaushalt 2011/2012 vorlegt, dürfte er Einschnitte vorschlagen, die zahlreiche Bürger schmerzen - die Schließung von Bädern etwa. Erstmals können die Bonner dann aber systematisch Einfluss auf die Entscheidungen des Rates nehmen: Ab Januar können die Bonner im Internet Rotstift-Vorschläge bewerten - und selbst welche machen.

Der Bonner Stadtrat tagt.

Der Bonner Stadtrat tagt.

Foto: Volker Lannert

Bonn. Wenn Kämmerer Ludger Sander zum Jahresende den Doppelhaushalt 2011/2012 vorlegt, dürfte er Einschnitte vorschlagen, die zahlreiche Bürger schmerzen - die Schließung von Bädern etwa.

Erstmals können die Bonner dann aber systematisch Einfluss auf die Entscheidungen des Rates nehmen: Im Internet bietet die Stadt ab Januar ein Bürgerbeteiligungs-Portal an, in dem jedermann Sparvorschläge bewerten und selbst unterbreiten kann.

Die Firma Zebralog, die auf solche Verfahren spezialisiert ist, hat den 65 900 Euro schweren Auftrag von der Stadtverwaltung erhalten. Geschäftsführer Oliver Märker stellte jetzt in einer Lenkungsgruppe des Bürgerbeteiligungsausschusses das Konzept der Internetseite vor.

Sie soll zwei Kernbereiche haben: Die Stadt erläutert zum einen ihre eigenen Sparvorschläge und nennt die erwarteten Einsparsummen. Die Bürger können diese Ideen kommentieren und darüber abstimmen - so wird deutlich, ob eine Mehrheit einverstanden wäre. Zweitens: Die Bonner können eigene Sparvorschläge machen, die wiederum von den anderen Teilnehmern bewertet werden.

So soll neben der Verwaltungsliste eine "Bestenliste" mit 50 Bürger-Ideen entstehen. Märker: "Wichtig ist, dass die Politiker später im Internetportal begründen, warum sie bestimmte Bürgervorschläge nicht umsetzen wollen." Denn: Entscheiden muss am Ende natürlich der Rat.

Die Online-Abstimmung soll ab der zweiten Januarwoche einen Monat lang laufen. Projektleiter Dirk Lahmann aus dem Büro des Oberbürgermeisters rechnet mit mindestens 10 000 registrierten Teilnehmern. Wer abstimmen und kommentieren will, muss sich mit seiner E-Mail-Adresse registrieren.

Die Stadt will auch ihr Telefoncallcenter nutzen, um Bürgervorschläge aufzunehmen. Befürchtungen in der Lenkungsgruppe, Bonner Interessengruppen könnten die Plattform für verdeckte Kampagnen nutzen, konnte Zebralog-Chef Märker zwar nicht ganz entkräften. "Missbrauch ist für uns aber oft zu erkennen", sagte er. "Wir reagieren dann."

Sein Internet-Konzept ist die Weiterentwicklung einer Zebralog-Bürgerbeteiligung in Solingen.

Dort stellte die Stadt in diesem Jahr 108 Sparvorschläge zur Abstimmung - mit teilweise überraschenden Resultaten. Der erwartete Proteststurm gegen die Schließung zweier Veranstaltungshallen blieb aus: Die Mehrheit hatte Verständnis.

"Eine Reihe von Ergebnissen ließen vermeintliche politische 'no-go-Themen' in einem anderen Licht erscheinen", so Ralf Weeke, Solingens Kämmerer. "Damit hat sich die Hoffnung, das Verfahren als Katalysator für den Konsolidierungsprozess zu nutzen, überwiegend erfüllt." In der 160 000-Einwohner-Stadt nahmen 3 600 Bürger aktiv teil, dazu kamen 20 000 Besucher auf die Internetseite.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort