Lebensgefahr nach der Operation

BONN · Krankenhausinfektionen: Der Wachtberger Heribert Giesen ist auf dem Bonner Venusberg infiziert worden. So sagt er. Die Bonner Uniklinik allerdings widerspricht.

Inzwischen geht es Heribert Giesen wieder besser. Das Treppensteigen fällt ihm zwar noch schwer und oben angekommen ist er jedes Mal außer Atem. Auch der Darm funktioniert noch nicht wie früher. Aber das wird schon wieder, ist er sicher. Das wichtigste für ihn aber fasst er in zwei kurzen Sätzen zusammen: "Ich nehme wieder am Leben teil. Ich bin wieder da." Dass Heribert Giesen das schaffen würde, war Mitte Juli keineswegs eine ausgemachte Sache. Damals war er in akuter Lebensgefahr. Ausgelöst durch Krankenhauskeime.

Eigentlich sollte dem 62-Jährigen aus Wachtberg nur ein Aneurysma entfernt werden. Die Verdickung an der Arterie, die Aorta mit Dünndarm und Leber verbindet, war bei einer Krebsnachsorge-Untersuchung entdeckt worden. Vier Tage Intensivstation, danach noch einige Tage auf der Normalstation - das war der Plan, als sich Heribert Giesen Mitte Juli in die Gefäßchirurgie der Bonner Uniklinik auf dem Venusberg begab.

Der Eingriff dauerte zwar etwas länger als die prognostizierten acht Stunden, doch er sei "super verlaufen". So jedenfalls lautete die Nachricht, die Giesens Frau von dem Operateur erhielt. Wenige Tage später dann aber die niederschmetternde Nachricht: Ihr Mann habe eine Lungenentzündung, Wasser im Brustkorb und hohes Fieber, hieß es.

"Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt immer noch ohne Bewusstsein", sagt Heribert Giesen. Seiner Frau hätten die Ärzte zwar mitgeteilt, sie würden mit der Lungenentzündung fertig. Doch wie schlimm es um ihren Mann stand und dass ein Krankenhauskeim die Ursache sei, das habe ihr erst ein Pfleger gesteckt. "Der wusste aus der Krankenakte von der Antibiotika-Behandlung gegen den Keim", sagt Giesen. Er vermutet, dass er sich bei der künstlichen Beatmung oder durch die Klimaanlage infiziert hat.

Dass sogar Lebensgefahr bestand, habe er schließlich bei der Besprechung mit seinem Urologen erfahren. "Der hat das aus dem Befundbericht herausgelesen."

In all der Zeit sei seine Frau über seinen wahren Zustand "im Ungewissen gelassen" worden. Statt vier Tagen wurden es schließlich vier Wochen auf der Intensivstation. "Kein Arzt hat mit meiner Frau offen geredet. Die Ärzte haben daraus eine verborgene Wissenschaft gemacht", sagt er heute.

Jedenfalls seien, bedingt durch die starken Antibiotika, das Geschmacks- und Geruchsempfinden sowie die Verdauung für viele Wochen stark eingeschränkt gewesen. "Nach knapp drei Monaten hat mir das Essen endlich wieder geschmeckt", sagt Giesen. Er habe von 87 auf 75 Kilogramm abgenommen, die Muskeln seien äußerst schlaff geworden, so dass er jede Form der Bewegung wie etwa das Stehen, Gehen und das Treppensteigen neu habe lernen müssen.

"All das waren massivste Einschränkungen meines Alltags, die deshalb auftraten, weil in der von mir aufgesuchten Klinik die Krankenhaushygiene mangelhaft ist." Verärgert ist Giesen auch, weil sich die Klinik bei ihm nicht entschuldigt habe. Auch die zusätzlichen Kosten will er nicht hinnehmen.

Die Ärzte hätten einen Teil des Honorars mit 3,5 multipliziert, weil die Behandlung mit einem vermehrten Zeitaufwand und erschwerten Bedingungen bei einem intensivpflichtigen Patienten einher gegangen sei, schrieben sie in den Rechnungen. Doch die Beihilfe erkenne nur den Faktor 2,3 an.

"Für eine Krankheit, die ich nicht verursacht habe, muss ich also noch mehrere hundert Euro draufzahlen", sagt Giesen und weist zudem noch daraufhin, dass der verlängerte Krankenhausaufenthalt und die diversen Therapien durch die Gemeinschaft der Krankenversicherten seiner Kasse zu begleichen seien.

Professor Martin Exner nimmt die Beschwerden Giesens "sehr ernst", wie er im Gespräch mit dem GA sagt. Exner ist Direktor des Instituts für Hygiene und öffentliche Gesundheit am Bonner Uniklinikum. Gleichwohl bestreitet er, dass Giesen auf dem Venusberg einen "klassischen Krankenhauserreger" erworben hat.

Der sogenannte MRSA - die Abkürzung steht für methicillin-resistente Stämme des Erregers Staphylococcus aureus - sei es jedenfalls nicht gewesen. Dieses Bakterium reagiert nicht mehr auf viele gängige Antibiotika und ist deshalb sehr schwer zu behandeln. Bei Giesen hätte das Antibiotikum hingegen gewirkt.

"Er muss schon vorher mit dem Erreger besiedelt gewesen sein", sagt Exner, der von einem "typischen Erreger im Rachenraum" spricht und hinzufügt, eine im Krankenhaus erworbene Infektion sei in der Regel erst zwei bis drei Wochen später erkennbar. Hier waren es nur wenige Tage, bis die dramatische Verschlechterung des Gesundheitszustands eingesetzt hatte. Außerdem sei es bei Giesen eine sehr schwierige Operation gewesen, die nur an wenigen Zentren durchgeführt werden könne.

Exner, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene ist, wirbt zudem um Verständnis: Krankenhausinfektionen seien "nicht vollständig verhütbar". Je schwerer ein Eingriff, desto schwieriger werde es, eine Infektion zu vermeiden. Obwohl man sehr viel Wert auf Hygiene lege.

Wie viele Infektionen es in der Bonner Uniklinik gegeben habe, darüber wollte Exner nichts sagen. Es sei jedenfalls "keine auffallende Zahl". Und das obwohl man viele "Hoch-Risiko-Patienten" habe.

Wie der GA aus Ärztekreisen erfuhr, klagen immer wieder Patienten, dass sie nach Operationen in der Uniklinik Infektionen erlitten haben. Heribert Giesen jedenfalls hat den Eindruck, dass ihm bei seiner Operation übel mitgespielt wurde und man ihm nicht die Wahrheit gesagt hat. Exner hingegen spricht davon, dass "manches schicksalhaft" ist und fügt hinzu: "Wir wollen, dass die Patienten weiterhin Zutrauen zu uns haben."

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