Bis zu 8 000 Studierende müssen zahlen

Demnächst sollen Langzeit-, Zweit- und Seniorstudenten 650 Euro überweisen - Nach Schätzungen könnte die Bonner Universität dadurch mehrere Tausend Studenten verlieren

  Die Universität  muss demnächst die Gebührenbescheide verschicken, allerdings funktioniert die Software noch nicht.

Die Universität muss demnächst die Gebührenbescheide verschicken, allerdings funktioniert die Software noch nicht.

Foto: Friese

Bonn. Klausuren, Vorlesungen und Hausarbeiten bekommen Langzeit-, Zweit- und Seniorstudierende ab dem Sommersemester nur noch gegen einen Beitrag von 650 Euro. Dann werden in Nordrhein-Westfalen die Studiengebühren eingeführt. Die Uni Bonn wird nach ersten Schätzungen etwa 8 000 Studierende zur Kasse bitten.

Bis jetzt sind noch keine Bescheide verschickt. "Wir warten darauf, dass die Software vom Land funktioniert, die uns bei der Ermittlung der zahlungspflichtigen Studierenden helfen soll", berichtet Uni-Pressesprecher Andreas Archut. Es wäre unsinnig, schon jetzt auf eigene Faust die Daten zu durchforsten.

"Nicht jeder, der mehr als 14 Semester studiert, muss automatisch zahlen", erklärt Archut. Es soll so genannte soziale Ausnahmen geben. Studierende, die Kinder erziehen, in der Selbstverwaltung der Unis mitarbeiten oder sich durch besondere Leistungen auszeichnen, erhalten Bonuspunkte.

Und dennoch rechnet Archut damit, dass etliche Studierende wegen der Gebühren ihr Studium abbrechen. "Wie viele abspringen, ist Kaffeesatzleserei. Es könnten nach Erfahrungen anderer Bundesländer bis zu 3 000 Studierende sein", sagt Archut. In Baden-Württemberg seien es zwischen zehn und 20 Prozent der Studierenden gewesen.

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) rechnet mit 4 000 Abbrechern. "Und das ist noch vorsichtig geschätzt", sagt AStA-Chefin Katja Kluth (Grüne Hochschulgruppe).

Unter den Abbrechern werden nach Archuts Ansicht auch solche Studierende sein, "die eigentlich gar keine mehr sind". Also etwa solche, die sich nach Studienabschluss nicht exmatrikuliert haben, weiterhin einen Semesterbeitrag von gut hundert Euro zahlen und mit dem Studienticket durch den Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) fahren. "Die Annehmlichkeiten werden in keinem Verhältnis mehr zu den Kosten stehen", prophezeit Archut.

Nutznießer nennt das Studentenwerk solche Studierende. "An denen haben wir kein Interesse", sagt Geschäftsführer Ansgar Schuldenzucker. Auch er rechnet mit einem starken Schwund an Studierenden und deshalb mit schweren Einbußen für das Studentenwerk. 50 Euro vom Semesterbeitrag fließen bisher ans Studentenwerk.

Wenn 3 000 Studis abbrechen würden, müsste Schuldenzucker mit 150 000 Euro weniger wirtschaften. "Unser Service wird sich verschlechtern", befürchtet Schuldenzucker. Ähnliche Befürchtungen hegt der AStA. "Wir planen mit weniger Geld. Es ist aber schwer abzuschätzen, wieviel weniger wir bekommen", sagt AStA-Chefin Kluth.

Das Land Nordrhein-Westfalen kassiert in diesem Jahr die Studiengebühren komplett. Das Finanzministerium schätzt, dass etwa 90 Millionen in die Kasse kommen sollen, pro Semester rund 45 Millionen. Das Geld ist explizit nicht für die Sanierung der Bildungslandschaft gedacht, sondern soll der "Konsolidierung des Gesamthaushaltes dienen", wie ein Sprecher des Bildungsministeriums erklärte.

Die Begründung: "Auch die Unis hängen ja mit im Gesamthaushalt. Die Studierenden zahlen zwar für alle, aber als ein Teil von allen profitieren sie auch davon." Für "absoluten Schwachsinn" hält AStA-Chefin Kluth diese Argumentation. "Das Ministerium sucht nach neuen Einnahmequellen", sagt sie.

Im nächsten Jahr sollen sich Land und Unis die 90 Millionen Euro teilen. Ab 2006 fließen die Gebühren dann nur noch in die Kassen der Hochschulen. Nach Ansicht von Unisprecher Archut ein schlecht gewählter Zeitpunkt. "Dann kommt über die Gebühren kein Geld mehr rein", befürchtet er. Die Langzeitstudierenden hätten ihr Studium dann wohl längst abgebrochen oder rasch zu Ende studiert und die letzten Scheine und Prüfungen durchgezogen.

Diese Erwartungen will das Landesministerium für Schule, Bildung und Wissenschaft weder bestätigen noch zurückweisen. "Der Haushalt von 2006 ist noch nicht gemacht. Wir haben keine Vorstellung, wie sich die Studiengebühren bis dahin entwickeln", sagt ein Sprecher.

Das Geld sollen die Universitäten nicht nach dem Gießkannenprinzip erhalten, sondern als Belohnung für eine gute Ausbildung der Studierenden. An den genauen Kriterien wird noch gearbeitet. "Im Gespräch ist als Parameter zum Beispiel die Zahl der Absolventen", so ein Ministeriumssprecher.

Die Studienkonten

Die Studiengebühren sind Teil des Studienkontenmodells der Landesregierung. Danach soll jeder Studierende ein Konto mit einem Guthaben erhalten. Davon wird pro Semester ein fester Beitrag abgebucht. Wer sein Studium nicht in der 1,5-fachen Regelstudienzeit absolviert, muss 650 Euro Studiengebühren bezahlen.

Länger bis zum Zahltag studieren dürfen: Eltern, Behinderte oder Schwerkranke, Studenten in wirtschaftlichen oder sozialen Notlagen und solche, die sich hochschulpolitisch engagieren. Seniorenstudenten müssen erst dann 650 Euro zahlen, wenn sie einen Hochschulabschluss anstreben.

Auch in anderen Bundesländern sind Gebühren heiß umstritten: Baden-Württemberg etwa erhebt 51 Euro Einschreibegebühr pro Semester sowie 511 Euro für Langzeitstudierende. Seit der Einführung 1997 soll die Zahl der Langzeitstudenten um 44 Prozent zurückgegangen sein.

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