"Die Universität ist ein kultureller Faktor"

Der neue Rektor Professor Matthias Winiger setzt auf den Sachverstand in den Fakultäten - Mit den Nachbar-Hochschulen möchte er intensiver zusammenarbeiten

  Noch Dekan, bald aber Rektor:  Professor Matthias Winiger.

Noch Dekan, bald aber Rektor: Professor Matthias Winiger.

Foto: Frommann

Bonn. Die Bonner Universität hat einen neuen Rektor. Am Donnerstag wählte der Senat den Geographen Professor Matthias Winiger zum neuen Oberhaupt der Alma mater. Mit ihm sprachen Brigitte Linden und Johannes Seiler.

General-Anzeiger: Sie sind Hochgebirgsforscher. Was untersuchen Sie?

Matthias Winiger: Ich bin Wissenschaftler, kein Bergsteiger, für mich zählen nicht die Gipfel. In diesem Sinn war ich auch noch nie auf einem Achttausender. Hochgebirgssysteme - beispielsweise der Kilimandscharo - haben die fantastische Eigenschaft, dass sie auf kleinstem Raum vom Gletscher über den Regenwald bis zur Wüste unterschiedlichste Landschaftsökosysteme aufweisen können. Diese Systeme zu erfassen, zu typisieren und zu modellieren, ist eine der wissenschaftlichen Herausforderungen der vergleichenden Hochgebirgsforschung.

GA: Sie werden künftig keine Zeit mehr dafür haben. Fällt das schwer?

Winiger: Vielleicht gelingt es mir, noch einmal pro Jahr im Gebiet der Achttausender zu forschen. Das wünsche ich mir sehr. Aber es kommen neue Aufgaben, die genauso spannend sind.

GA: Mit welchen Prorektoren wollen Sie gemeinsam die Entscheidungen treffen?

Winiger: Für mich ist das Rektorat ganz klar ein Team. Und ohne den Sachverstand der verschiedenen Fakultäten wäre der Rektor ein sehr einsamer Mann. Ich möchte das Kompetenzspektrum der Uni nutzen und mich deshalb bemühen, Kolleginnen und Kollegen aus der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, aus der Medizinischen und aus einer der kulturorientierten Fakultäten zu gewinnen.

GA: Wo liegen die großen Herausforderungen für dieses Team?

Winiger: Wichtige Weichenstellungen sind bereits erfolgt oder stehen unmittelbar bevor. Der Qualitätspakt und die Zielvereinbarungen machen uns verbindliche Vorgaben. Im Leitbild der Universität und in den Zielvereinbarungen sind bereits Exzellenzbereiche - beispielsweise in Ökonomie, Bio- und Geowissenschaften, Biomedizin und einer Reihe anderer Lehr- und Forschungsfelder - genannt, die man besonders fördern möchte. Es wäre töricht, jetzt davon abzuweichen.

Die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben zu den Bachelor-Master-Studiengängen und zur leistungsabhängigen Besoldung sind weitere Punkte. Die Realisierung dieser Punkte muss auf einer soliden Planung basieren und wird ohne strukturelle und inhaltliche Veränderungen nicht möglich sein. Wir sollten dies aber als Chance für die Universität Bonn verstehen.

GA: Wie soll die leistungsabhängige Besoldung umgesetzt werden?

Winiger: Das ist eine ganz heikle Geschichte. Wir haben das Ziel, die besten Leute hierher zu holen. Das kostet etwas, schließlich müssen wir den Top-Leuten hinsichtlich Bezahlung, Forschungsumfeld und Infrastruktur etwas bieten können. Dafür brauchen wir zusätzliche Mittel. Wenn die Exzellenzförderung kostenneutral, also primär durch interne Umschichtungen erfolgen müsste, wird sie in vielen Belangen eine Fiktion bleiben.

GA: Wie sieht es mit den Bachelor-Master-Studiengängen aus?

Winiger: Da stehen wir unter Zugzwang, weil das Ministerium Vorgaben und Termine gesetzt hat. Die Studiengänge müssen modularisiert und international kompatibel sein. Letzteres sind sie vielfach bereits heute, und einige Fächer - etwa die Ökonomie - haben die Modularisierung ebenfalls schon eingeführt.

Es sind allerdings noch intensive Abklärungen innerhalb und zwischen den Fächern und Gespräche mit dem Ministerium erforderlich, weil hier Einheitslösungen den Erfordernissen vieler Fächer nicht gerecht werden können. Damit die angestrebte Internationalisierung auch tatsächlich erreicht werden kann, brauchen wir andererseits aber auch eine größere Mobilität der Studierenden.

GA: Mit dem Hochschulkonzept 2010 will das Ministerium die Kapazitäten der Studiengänge nach Auslastung, Forschungsexzellenz und Arbeitsmarkt neu festlegen. Bis Februar muss die Uni Vorschläge einreichen...

Winiger: Umschichtungen sind notwendig, sie sollten sich aber vor allem an qualitativen Überlegungen orientieren. Wenn Bonn eine Forschungsuniversität sein soll, dann kann die Auslastung eines Faches nicht das primäre Kriterium sein. Die ungünstige zahlenmäßige Relation zwischen Studierenden und Professoren belastet fast generell sowohl die Forschung als auch die Lehre im Vergleich zu den oft genannten Spitzenuniversitäten Stanford oder Harvard.

Für die Forschung brauchen wir eine entsprechende Personalausstattung. Die Konsequenz ist klar: Wir dürfen den starken Fächern nicht die Stärke nehmen, selbst wenn sie lehrmäßig nach geltenden Normen unterausgelastet sind, weil wir sonst Forschungsexzellenz verlieren. Wir müssen allerdings versuchen, Fächer gegebenenfalls zu kombinieren und in Schwerpunktprogrammen zu einer unverzichtbaren Position zu verhelfen.

GA: Wie lässt sich die Fächervielfalt erhalten?

Winiger: Wir sollten die Zusammenarbeit mit den Nachbar-Unis - beispielsweise Köln und Aachen - noch intensiver Pflegen. Wenn ein Fach abgebaut werden muss, soll zumindest eine der Nachbarhochschulen es weiterführen.

GA: Was halten Sie von der Idee, Elite-Unis zu errichten?

Winiger: Es muss differenziert werden: Es wird damit von der Politik einerseits anerkannt, dass Leistung und Qualität eine zentrale Rolle spielen müssen. Wir brauchen aber ebenso eine solide Bildungslandschaft insgesamt. Man kann keine Leuchttürme hochziehen, bevor ein solides, breites Fundament geschaffen ist. Hier stehen wir erst am Anfang klärender Gespräche mit dem Ministerium.

GA: Welche Alternativen gibt es zur öffentlichen Förderung?

Winiger: Es werden nach dem englischen und amerikanischen Vorbild große Hoffnungen in die Alumni gesetzt. Bleiben wir aber realistisch: Es wird lange dauern, bis die Identifikation der Ehemaligen mit ihrer Universität so weit gewachsen ist, dass sie auch in finanzieller Hinsicht einen wirklich substanziellen Beitrag zu leisten vermag.

Die gezielte Kooperation mit der Wirtschaft könnte da kurzfristig schon bedeutendere Ergebnisse zeitigen. Es gibt ja bereits mehrere sehr attraktive Stiftungsprofessuren. Aber auch dies kann nicht die große Zusatzfinanzierung sein. Auch in absehbarer Zukunft wird der Staat Hauptgeldgeber für die großen Universitäten sein und diese Rolle ausbauen müssen. Deutschland gibt da im Vergleich mit den Nachbarländern und gemessen am Bruttosozialprodukt einfach zu wenig aus.

GA: Können Studiengebühren helfen?

Winiger: Wenn die Finanzierung der Hochschulen verbessert werden soll, dann auch, aber nicht primär mit Studiengebühren, die nach dem jetzt eingeführten Studienkontenmodell in der Regel erst nach dem 15. Semester greifen werden und vorerst auf die Verkürzung der Studienzeiten ausgerichtet sind.

Generelle Studiengebühren wären zudem nur dann eine wirkliche finanzielle Stütze, wenn das Geld vollumfänglich an den Unis verbleiben und nicht an anderer Stelle wieder gekürzt würde. Und entscheidend bliebe dabei: Wer die intellektuellen Qualifikationen mitbringt und auch leistungsbereit ist, soll studieren können. Wer die Mittel dazu nicht hat, der muss großzügig finanziell mit Darlehen oder Stipendien gefördert werden.

GA: Wie weit soll die Universität auf die Öffentlichkeit zugehen?

Winiger: Die Politik kann sich die oft prekäre Hochschulausstattung nur deshalb leisten, weil zu wenig Druck seitens der breiten Öffentlichkeit da ist, die Prioritäten in den Staatshaushalten entsprechend zu ändern. Die Identifikation der Bevölkerung mit den Universitäten ist offenbar noch gering, obwohl es um die Zukunft der Kinder breiter Bevölkerungsschichten und der Gesellschaft als Ganzes geht. Man muss deshalb die Leute abholen.

Der Dies Academicus, das Studium Universale, die wissenschaftlichen Jahresthemen, die Wissenschaftsnacht, die gegenwärtig wachsende Zusammenarbeit mit den Schulen sind richtige Ansätze. Aber die Universität muss hier weitere Initiativen entwickeln.

GA: Wie soll die Zusammenarbeit mit der Stadt und der Region aussehen?

Winiger: Die regionale Verankerung der Universität - nicht nur als Arbeitgeber, Konsument oder über das wirtschaftliche "Outsourcing" - ist für die Forschungsregion existenziell wichtig. Am direktesten ist wohl die Kooperation mit den vielen wissenschaftlichen Einrichtungen der Forschungsregion Bonn zu realisieren, und die besteht ja auch in vielfältiger Form.

Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sollte verstärkt werden. Erfolgreiche Ansätze gibt es beispielsweise in der Informatik, im Städtebau, in der Physik und in der Geographie. Die Universität ist ein erst-rangiger kultureller Faktor. Stadt, Region und Universität sind unverzichtbare und vernetzte Faktoren im Kultur- und Wirtschaftsraum Bonn - sie sind aufeinander angewiesen.

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