Hormone sollen Pflanzen besser schützen

Professor Heide Schnabl testet im hochmodernen Gewächshaus des Bonner Forschungszentrums Caesar Wirkstoffe, die die Abwehrkraft von Reis und Tomaten gegen Schädlinge steigern

  Experimente im Gewächshaus:  Ein Mitarbeiter von Professor Heide Schnabl testet im Forschungszentrum Caesar die "Schutzimpfung" für Reis-Pflanzen.

Experimente im Gewächshaus: Ein Mitarbeiter von Professor Heide Schnabl testet im Forschungszentrum Caesar die "Schutzimpfung" für Reis-Pflanzen.

Foto: Frommann

Bonn. In dem großen gläsernen Gefängnis ist weit und breit kein Mensch zu sehen. Aber unzählige Tomaten- und Reispflanzen stehen neben- und hintereinander in Reih und Glied, angestrahlt von dem Licht zahlreicher Lampen über ihnen. Die Strahler bewegen sich auf Schienen, lautlos und unregelmäßig hin und her. Es scheint fast so, als tanze jede auf ihre Weise zu einer unhörbaren Melodie.

Das ist keineswegs die Beschreibung einer futuristischen Landschaft, sondern vielmehr des hochmodernen Gewächshauses im Bonner Forschungszentrum Caesar.

Der Glasbau ist Versuchsstätte für ein gemeinsames Forschungsprojekt von Caesar und der Universität Bonn, welches Professor Heide Schnabl vom Institut für molekulare Physiologie und Biotechnologie der Pflanzen leitet.

Dass die Biologin heute dort Pflanzen zieht, hängt mit einer ungewöhnlichenGeschichte zusammen: "Eines Tages kam ein Mann mit einem Pulver zu mir, das er von Mönchen bekommen hatte", berichtet Schnabl. "Er erzählte, dass damit behandelte Nutzpflanzen besser gedeihen und wesentlich resistenter gegen Schädlinge seien."

Die Wissenschaftlerin fahndete nach dem in dem Pulver enthaltenen Wirkstoff. Vorversuche haben dann erstaunliche Ergebnisse hervorgebracht: Mit Mehltau infizierte Tomaten- und Gurkenpflanzen wiesen bei Anwendung des Mittels 30 Prozent weniger Schädlingsbefall auf als diejenigen ohne Behandlung.

Die Biologin fand heraus, dass es sich dabei um einen natürlichen Wirkstoff handelt: den Samen der Pechnelke, genauer die darin enthaltenen pflanzlichen Hormone, die so genannten Phytohormone.

Die Forscher untersuchen nun, welche Prozesse an den behandelten Pflanzen genau ablaufen. "Die Phytohormone wirken fast wie eine Art Schutzimpfung, die die pflanzeneigene Abwehr stärkt", erklärt Schnabl.

Denn ähnlich wie der Mensch durch die Einnahme von Vitamin C ein höheres Abwehrpotenzial bekommt, ist dies auch durch die Phytohormone bei der Pflanze der Fall. Schon geringe Mengen des Stärkemittels genügen, um eine abwehrsteigernde Wirkung zu erzielen. Auf einen Liter Wasser kommt nur ein Milligramm des Pulvers.

Die Forscher legen das Saatgut kurz in diese Lösung und säen es dann in den Boden. Das erwies sich besonders bei Pflanzen als sinnvoll, die Stress ausgesetzt sind und deren Immunabwehr geschwächt ist. Dies kann durch Wassermangel, extreme Temperaturen oder auch zu salzhaltige Böden ausgelöst werden.

Bei einem Befall durch Schädlinge werden dann vermehrt Proteine produziert, die den Angreifer unschädlich machen. "Wenn zum Beispiel ein Pilz die Blätter befällt, schüttet die Pflanze die Proteine aus, die dann die Zellwände des Pilzes zerstören", erläutert Schnabl.

Das heißt jedoch nicht, dass damit ein Allheilmittel gefunden ist, durch das alle Angreifer vernichtet werden können. Denn ist die Zerstörung durch die Schädlinge sehr groß, kann die Pflanze gegen sie nicht mehr viel ausrichten.

Um zu untersuchen, wie gut es um die Abwehrkraft einer Pflanze tatsächlich bestellt ist, können die Wissenschaftler ihren Gesundheitszustand visualisieren. So werden schon kleinste, nicht sofort erkennbare Schädigungen sichtbar. Dafür bedienen sich die Forscher eines neuen Gerätes: Dem Imaging-PAM (Puls-Amplituden-Messgerät).

Es misst die Photosyntheseleistung von Pflanzen - sprich: wie gut das Licht in Energie umgewandelt wird. Je mehr Licht die Pflanze verarbeitet, desto besser ist ihr Gesundheitszustand. Ein angeschlossener Laptop stellt diese Photosyntheseleistung grafisch dar.

Die Wissenschaftler setzen die Pflanzen künstlich unter Stress, indem sie in das Blatt schneiden und Ethanol auf die Wunde träufeln. Die Photosynthese nimmt dann in den zerstörten Bereichen prompt rapide ab.

"Man kann damit also den Schrei der Pflanze auf Stress bildlich darstellen", erläutert Schnabl. Anschließend messen die Forscher im Labor, wieviel Proteine die Pflanze ausgeschüttet hat. Das zeigt, wie stark die Abwehrreaktion der gestressten Pflanzen ist.

Bisher haben die Forscher nur Versuche in Gewächshäusern durchgeführt. Doch langfristig sollen Feldversuche mit behandelten Pflanzen - beispielsweise Reis - in Vietnam unter natürlichen Bedingungen durchgeführt werden. Bis 2006 ist die Finanzierung des Projektes zumindest gesichert.

Das Interesse an dieser Forschung sei in Ländern besonders groß, deren klimatische Bedingungen eher schlecht sind, meint Schnabel. Denn gesündere Pflanzen bedeuten in der Regel höhere Erträge. Je mehr die Forscher also über die pflanzliche Abwehr und ihre Optimierung wissen, umso mehr Nutzen hat letztlich auch der Mensch davon.

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