Spinnenmänner wollen mehr als Quickies

Für langen Sex riskieren männliche Wespenspinnen sogar ihr Leben - Bonner Forscher fanden den Grund: Die Tiere rechnen sich dabei größere Chancen für eine Vaterschaft aus

  Das Sexleben  von Wespenspinnen erforschen Jutta Schneider und ihr Kollege mit der Stoppuhr in der Hand.

Das Sexleben von Wespenspinnen erforschen Jutta Schneider und ihr Kollege mit der Stoppuhr in der Hand.

Foto: Uni Bonn

Bonn. Eigentlich reicht männlichen Wespenspinnen ein Quickie: Sie brauchen nur fünf Sekunden, um sämtliche Eier ihrer Herzdame zu befruchten. Dennoch dehnen sie den Akt häufig auf die fünf- bis zehnfache Länge aus - und riskieren dabei ihr Leben: Denn die Weibchen verlieren schnell die Geduld mit ihren Sexualpartnern und töten sie noch während des Geschlechtsverkehrs.

Spinnenforscher von der Universität Bonn haben nun herausgefunden, warum das die Wespenspinnen-Männer nicht abschreckt: Je länger die Kopulation dauert, desto größer der Vaterschafts-Erfolg des Männchens, wenn sich das Weibchen später noch mit weiteren Männchen paart.

Auf ein Vorspiel mag der Wespenspinnenmann nicht verzichten. Hat er eine potenzielle Partnerin entdeckt, bringt er sie in Stimmung. Er rüttelt an ihrem Netz, so dass es in einer bestimmten Frequenz vibriert. Das Weibchen stellt sich daraufhin auf. Der sehr viel kleinere Spinnenmann kann nun unter ihren Körper kriechen. "Der Rest funktioniert hydraulisch", erklärt die Bonner Biologin Jutta Schneider. "Ein mit Spermien gefüllter Taster am Kopf des Männchens klappt aus und rastet beim Weibchen in entsprechende Strukturen ein - ähnlich wie ein Skischuh in die Bindung."

Die Tiere sind dann fest miteinander verbunden: "So fest, dass die Taster sogar abreißen können, wenn wir die Spinnen voneinander trennen", sagt die Heisenberg-Stipendiatin Schneider. Manche Männchen beenden die Kopulation schon nach einigen Sekunden. Sobald der Akt länger als etwa acht bis zehn Sekunden dauert, tötet das Weibchen ihren Sexualpartner. Auch dann bleibt die Leiche noch eine Zeit lang mit dem Körper des Weibchens verkeilt - manchmal länger als eine Minute.

Zwei von zehn Männchen schaffen rechtzeitig den Absprung. Sie versuchen es jedoch meist beim selben Weibchen wenig später noch einmal. "Die Tiere investieren alles in das eine Weibchen", wundert sich Schneider. "Dabei konnten wir in Experimenten zeigen, dass schon eine fünfsekündige Kopulation ausreicht, um sämtliche Eier des Weibchens zu befruchten - das sind immerhin mehrere hundert."

Warum also opfern sich die Männchen, wo sie doch bei einem Quickie unbeschadet davon kämen? Lange Zeit ging man davon aus, dass sich die Männer als "Brautgabe" fressen lassen, damit ihre Auserwählte dank der zusätzlichen Kalorien einige Eier mehr legen kann.

Das konnten die Forscher entkräften: Zwar verspeisen die Weibchen normalerweise ihre gemeuchelten Gatten, doch selbst Spinnenfrauen, die ein oder zwei Männchen verköstigt hatten, legten in den Experimenten nicht mehr Eier als andere Spinnenfrauen.

Um das Rätsel zu lösen, machte die Biologin mit ihren langbeinigen Forschungsobjekten einen Ausflug auf den Bonner Venusberg. In der Radiologie beschossen Mediziner dort einen Teil der Männchen mit Gamma-Strahlung. Die Spermien so behandelter Männer können zwar noch Eier befruchten. Da ihre DNA durch die Strahlung zerstört wird, entstehen aus den befruchteten Eiern aber keine Nachkommen.

Dann ließen die Spinnenforscher jeweils ein bestrahltes und ein unbestrahltes Männchen mit demselben Weibchen kopulieren. Nach festgesetzten Zeiten bescherten sie den Pärchen ein Coitus interruptus. Sie trieben die Partner durch gezielte Schüsse mit einer Wasserpistole auseinander trieben.

Das Ergebnis: Je länger nun das bestrahlte Männchen im Vergleich zu seinem unbestrahlten Kontrahenten der Spinnendame beiwohnen durfte, desto weniger Nachkommen entschlüpften später den Eiern - desto mehr Eizellen hatten also ein bestrahltes Spermium abbekommen.

Jutta Schneider: "Wahrscheinlich werden umso mehr Spermien übertragen, je länger die Kopulation dauert. Kommt es dann noch zu einer weiteren Kopulation, hat das Männchen die besseren Karten, das die meisten Samenzellen injizieren konnte. Eine lange Kopulation scheint daher die Chancen des Spinnenmannes im Spermienroulette zu verbessern - auch wenn sie tödlich endet."

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