Schlechte Noten für Pflegeheime

Forscherin der Uni Bonn befragte Altenpfleger zu ihren Wünschen im Alter - Pflege als Fließband-Arbeit

Bonn. (sj) Altenpflegerinnen und -pfleger geben ihren Arbeitsstätten keine guten Noten. Mehr als 60 Prozent würden sich im Alter niemals freiwillig in ein Pflegeheim begeben. Das zeigt eine Studie der Universität Bonn, bei der die Wissenschaftler deutschlandweit erstmalig mehr als 100 Pfleger und leitende Angestellte von Pflegeheimen zu ihren Vorstellungen vom eigenen Leben im Alter befragten.

Hauptsächlicher Kritikpunkt der Beschäftigten: Aufgrund der Arbeitsüberlastung bleibe kaum noch Zeit, auf individuelle Wünsche der Heimbewohner einzugehen oder einfach einmal ein Schwätzchen mit ihnen zu halten. Die psychosoziale Komponente bleibe so weitgehend auf der Strecke, die Pflege verkomme mehr und mehr zur Fließband-Arbeit.

In ihrer Dissertation hat Christina Dymarczyk vom Wirtschaftssoziologischen Institut der Uni Bonn 102 Beschäftigte aus insgesamt acht verschiedenen Pflegeeinrichtungen in der Region Köln/Bonn zu ihren Vorstellungen vom eigenen Leben im Alter befragt. Lediglich ein Drittel konnte sich vorstellen, sich später selbst einmal in einem Altenheim pflegen zu lassen.

Die Heimpflege bekommt generell in der Bevölkerung keine große Anerkennung: "Acht von zehn Senioren sagen, sie würden nie in ein Heim gehen. Da existieren enorme Berührungsängste", relativiert die Wirtschaftssoziologin.

Dennoch ist auch sie von der hohen Quote überrascht, denn immerhin kannten die Befragten nicht nur die Probleme, sondern auch die Vorteile der Heimpflege aus eigener Erfahrung.

Die Interviewpartner sollten sagen, welche Faktoren ihnen wichtig wären, wenn sie selbst im Altersheim gepflegt würden. "85 Prozent legten besonders Wert auf die psychosoziale Betreuung", erklärt Dymarczyk. Die Pfleger sollen sich also auch einmal Zeit für ein Gespräch nehmen oder individuelle Wünsche berücksichtigen.

"Manche Heimbewohner möchten zum Beispiel sonntags bestimmte Kleidungsstücke angezogen bekommen - ein Wunsch, der bei dem Zeitdruck in der Pflege oft unberücksichtigt bleibt", sagt die Wissenschaftlerin, die neben ihrem Studium lange Zeit selbst in Pflegeeinrichtungen gearbeitet hat.

Ein weiterer Grund für die ablehnende Haltung der meisten Befragten sei die "deprimierende Ghetto-Atmosphäre" in den Altersheimen: "Die Senioren sind unter sich, die Lebendigkeit fehlt, es gibt keinen Mix der Generationen, keine Impulse durch junge Leute - das alles sehen die Pflegerinnen und Pfleger in höchstem Maße negativ", so Dymarczyk.

Die meisten Befragten würden sich daher im Alter lieber zu Hause durch Familienmitglieder pflegen lassen. Andererseits wollen sie ihren Angehörigen aber auch nicht zur Last fallen: Nur jeder Dritte Interviewte erwartet von seinen Kindern, dass sie ihn im Alter pflegen.

Eine Zusammenfassung der Studie steht im Internet: www.uni-bonn.de>> Aktuelles >> Presseinformationen

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