Organspenden aus der Sicht von Patienten Olga Helfrich braucht eine neue Leber

Bonn · Vierzehn Monate können eine lange Zeit sein. Sie können unendlich erscheinen, wenn man zu Hause sitzt und auf eine Entscheidung über Leben und Tod wartet. Olga Helfrich ist zur Geduld verdammt. Die 39-jährige zweifache Mutter aus einem kleinen Ort bei Hennef braucht dringend eine neue Leber. Seit vergangenem Juni steht sie auf der Warteliste für eine Transplantation an der Bonner Universitätsklinik.

 Olga Helfrich steht seit 14 Monaten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation.

Olga Helfrich steht seit 14 Monaten auf der Warteliste für eine Lebertransplantation.

Foto: ga

Ein Punktesystem entscheidet über ihre Zukunft: die Diagnose selbst, die Schwere der Symptome und die Wartezeit - alles fließt ein in die Rechnung, die Helfrichs Leben retten soll. Das Punktesystem der europäischen Verteilstelle Eurotransplant bestimmt, wann Olga Helfrich eine Spenderleber erhält. Wie viele Monate zu den 14 bereits vergangenen hinzu kommen, weiß sie nicht.

Sie versucht, sich nicht zu viele Gedanken zu machen. "Natürlich habe ich Angst", sagt Helfrich. "Bis ich endlich ein Spenderorgan bekomme, kann viel passieren." Ihre Krankheit, ein seltenes Leberleiden, erhöhe das Risiko für Gallengangkrebs, sagt sie. Erkrankt sie daran, gibt es keine Transplantation mehr. Regelmäßig muss sie sich untersuchen lassen. Immer wieder entzünden sich die Gallenwege in ihrer Leber. Dann hilft nur noch ein Klinikaufenthalt gegen Fieber und die starken Schmerzen.

Dazwischen liegen die Tage des Wartens. Helfrich sitzt in ihrem penibel aufgeräumten Wohnzimmer. Noch vor der Krankheit hatten ihr Mann und sie das Eigenheim im Grünen gebaut. Vorhänge halten jetzt den Sommer draußen. "Meine Haut verträgt keine Sonne", sagt Olga Helfrich. Die kranke Leber schafft es nicht mehr, die Giftstoffe aus dem Körper zu transportieren.

Seit fünf Jahren juckt deshalb Helfrichs Haut. Mal ist es schlimmer, mal erträglicher. "So sah ich früher aus", sagt Helfrich und deutet auf einen gerahmtes Familienfoto an der Wand. Das Bild ist drei Jahre alt, es scheint wie aus einer anderen Welt. Olga Helfrich hat inzwischen zehn Kilo Gewicht verloren, ihre Haut ist durch den Leberschaden gelblich-braun verfärbt.

Im Alltag sind es gerade die kleine Dinge, die der Kranken Mühe bereiten. Für Autofahrten über längere Strecken fühlt sie sich zu schwach. Urlaub kommt nicht in Frage. "Was wäre denn, wenn die Krankheit sich im Ausland verschlimmert und ich mit den Ärzten nicht reden kann?" fragt sie. Ihren Beruf als Lagerarbeiterin in einem Kühlhaus musste Helfrich im vergangenen Mai aufgeben. Die körperliche Anstrengung war für sie nicht mehr zu schaffen. "Wegen des Juckreizes liege ich nachts oft wach", sagt die Henneferin. "Das schwächt mich zusätzlich."

Besonders wichtig ist es für Olga Helfrich, dass der Kontakt zu den Kollegen erhalten bleibt. "Wir telefonieren oft", sagt sie. Die Gespräche mit Freunden und Familie sind es, die ihr Kraft geben. Über ihre Krankheit kann sie gut mit den Menschen sprechen, die ihre Situation mit Abstand sehen können. Der Familie fällt es schwer, mit der Bedrohung umzugehen. Helfrichs Mutter weine viel, erzählt sie. Die elf- und dreizehnjährigen Söhne wüssten Bescheid, "dass Mama stirbt, wenn sie keine neue Leber bekommt".

Trotzdem versucht die Familie, ihnen einen weitgehend normalen Alltag zu bieten. Sie fahren mit der Mutter zum Fußballtraining, besuchen ab und zu Feste oder den Flohmarkt - "nach einer Stunde setze ich mich dann eben ins Auto und ruhe mich aus und die anderen gehen alleine weiter", sagt Helfrich.

Ablenkung hilft manchmal, aber nicht immer. Der aktuelle Skandal um Schmiergelder bei Organspenden in Göttingen macht Olga Helfrich ärgerlich. Viele Fragen gehen ihr dann durch den Kopf: Ist das Punktesystem gerecht, nach dem die Organe den Kranken zugeteilt werden? Warum gibt es in anderen Ländern Systeme, die zu mehr Organspenden führen?

In Olga Helfrichs Bekanntenkreis tragen nur wenige Menschen einen Organspendeausweis mit sich. "Manche fürchten, von einer Organ-Mafia entführt zu werden. Andere meinen die Ärzte würden sie dann schneller sterben lassen", sagt sie und zuckt mit den Achseln. Sie habe versucht, die Zweifler zu überzeugen. "Aber es funktioniert nicht."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort