Mittelstandschefs Josef Schlarmann CDU-Politiker greift Kanzlerin Merkel an

BERLIN · Es ist Vorwahlkampf. Privates an die Öffentlichkeit zu ziehen, ist Angela Merkel eher fremd. Aber das Angebot, von 37 prominenten Deutschen im Magazin der Süddeutschen Zeitung persönliche Fragen beantworten zu können, ist zu verlockend.

 Fundamentalkritik am Führungsstil von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel: Der UnionsMittelständler Josef Schlarmann.

Fundamentalkritik am Führungsstil von Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel: Der UnionsMittelständler Josef Schlarmann.

Foto: dpa

Merkel antwortet manchmal blockierend, aber auch erfrischend offenherzig: Sie würde einmal gerne mit dem spanischen Fußball-Nationaltrainer Vicente del Bosque essen gehen, so ein Herzenswunsch. Der hat inzwischen schon zugesagt, aber - ganz Kavalier - nur wenn er die Rechnung zahlen dürfe. Die deutsch-spanischen Beziehungen sind reichlich kompliziert.

Aber der Streit, wer die Zeche zahlt, dürfte zu den lösbaren Aufgaben zählen, mit denen sich Angela Merkel herumschlagen muss. Die Kanzlerin kennt keine Angst. Außer bei Gewittern. So sagt sie selbst über sich. Ob sie die Fundamental-Kritik des Vorsitzenden der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung, Josef Schlarmann, zu jenen politischen Gewittern zählt, die bei Merkel Angst auslösen?

Gestern hat er zumindest die Machtfrage in der Union gestellt. Gut drei Monate vor dem Bundesparteitag in Hannover hält er Merkel vor, sie habe das Bündnis mit der FDP "verraten". Es gebe einen Beschluss, die Liberalen "auflaufen" zu lassen und ihnen keinen Stich im Koalitionsalltag zu überlassen. Strategisches Ziel sei es, die bei der Bundestagswahl 2009 an die FDP geflossenen CDU-Leihstimmen zurückzuerobern. Merkel, so ein anderer Vorwurf, habe zudem die Führungsriege politisch ausgemerzt. Bis auf die beiden Ministerpräsidenten Volker Bouffier (Hessen) und David McAllister (Niedersachsen), die sich aus der bundespolitischen Auseinandersetzung bewusst heraushalten, gebe es kein CDU-Spitzenpersonal mehr.

Unter ihren Herrschaftsverhältnissen sei es unmöglich, so Schlarmann weiter, einen potenziellen Nachfolger aufzubauen. Die Partei werde, so der Mittelständler, "durch ein Wohlfühl-Programm für den nächsten Parteitag ruhiggestellt". Es bestünde, so Schlarmann in seinem Interview, ein erheblicher Zweifel daran, ob Merkel bei den anstehenden Wahlen noch genügend Stimmen holen könne.

Und weiter: Es gebe keinerlei Grundsatzdebatte mehr, weil die Kanzlerin ihre Politik als "alternativlos" darstelle. Die Debatte zu Europa oder Energiefragen werde nicht mehr grundsätzlich geführt. Schlarmann vergleicht, leicht schräg, die innerparteiliche Situation mit einer Mensa, die nur ein Gericht anbiete. Er resümiert: "Wem das nicht schmeckt, der bleibt draußen."

Nun gilt der oberste Mittelständler in der Union seit jeher als scharfzüngiger Kanzlerin-Kritiker. Der 72-jährige Jurist und Volkswirt, steht seit 2005 an der Spitze seines CDU-Verbandes. Bei der letzten Versammlung im Oktober 2011 erhielt er über 97 Prozent der Stimmen. Er ist also im Wirtschaftsflügel der Partei fest verankert.

Vor diesem Hintergrund ist die innerparteiliche Reaktion auf die Kritik interessant. Zunächst einmal meldete sich der - eher dem konservativen Flügel der Partei zuzurechnende - Wolfgang Bosbach zu Wort. In einem Interview attackierte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschuss, nicht die innerparteiliche Kritik an Merkel. Was ihn wurmt, ist ihre Instrumentalisierung als Majestätsbeleidigung: "Es geht mir auf den Geist, dass jede sachliche Gegenstimme als direkte Kritik an Angela Merkel aufgefasst wird."

Im Tenor folgt Bosbach der Kritik Schlarmanns: Es gebe keine Diskussion über Grundsatzfragen mehr. Er berichtet aus den letzten Sitzungen des so genannten Konservativen Kreises der CDU, auf dem kein Wort der "direkten Kritik" an Merkel geäußert worden sei: Sie sei "das Beste, was uns passieren kann", so Bosbach. Dass hindert die Konservativen in der CDU nicht, in der kommenden Woche ein Manifest vorlegen zu wollen, in der eine Bewertung der politischen Position der Christdemokraten vorgenommen werden soll. Fragestellung: Wie konservativ ist die CDU?

Vor dem Parteitag sind noch Regionalkonferenzen geplant, auf denen die Parteispitze mit der Basis debattieren wird. Der Terminkaleder der Kanzlerin ist randvoll mit innenpolitischen Terminen. Was in den nächsten Tagen an Verabredungen zur Bewältigung der Euro-Finanzkrise hinzu kommt, ist noch nicht übersehbar

Spaniens Nationaltrainer wird noch warten müssen.

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