Podiumsdiskussion in der Bonner Akademie NRW-Justizminister diskutiert über das Ansehen der Justiz

Bonn · Ist das Vertrauen in den Rechtsstaat getrübt? NRW-Justizminister Peter Biesenbach diskutierte in Bonn über das Ansehen der Justiz.

 Als Gast war Peter Biesenbach (CDU) in Bonn.

Als Gast war Peter Biesenbach (CDU) in Bonn.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Der abgeschobene Gefährder Sami A. muss aus Tunesien zurückgeholt werden. Im Prozess um die Missbrauchsfälle von Lügde bekommt ein Angeklagter Bewährung. Die Grünen-Politikerin Renate Knast muss übelste Beschimpfungen im Internet hinnehmen. Ein Raser, der jemanden getötet hat, bekommt lebenslänglich wegen Mordes – ein anderer in einem ähnlichen Fall nur anderthalb Jahre. Gerichtsurteile aus jüngster Zeit, die laute Kritik auslösten.

Gerichte sind unabhängig. Aber gibt es eine wachsende Entfremdung zwischen Richtern und dem Rechtsempfinden des Volkes, in dessen Namen sie urteilen? Und untergräbt dies das Vertrauen in den Rechtsstaat insgesamt?

Rechtsstaat in guten Händen

NRW-Justizminister Peter Biesenbach will das nicht gelten lassen. „Ein sinkendes Vertrauen ist eine Behauptung, die so nicht zutrifft“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion in der Bonner Akademie (Bapp) mit dem Titel: „Im Namen des Volkes: Über die Akzeptanz und Vermittelbarkeit von Gerichtsurteilen“. Der überwiegende Teil der Bevölkerung wisse den Rechtsstaat bei Richtern in guten Händen, sagte Biesenbach weiter. Gleichwohl räumte er ein, dass in Umfragen ein stabiles Drittel der Bürger mit der Arbeit der Justiz unzufrieden sei. „Da wollen und müssen wir besser werden“.

Überlastete Staatsanwaltschaften und Gerichte, Schwierigkeiten, Straftaten in sozialen Netzwerken zu verfolgen, eine polarisierte und dauerempörte Öffentlichkeit – die Justiz ist von vielen Seiten unter Druck. Und sie hat offenbar ein Kommunikationsproblem. Eine Ursache dafür sieht der Justizminister bei den Medien. Die kümmerten sich, getrieben von wirtschaftlichen Zwängen, überwiegend um die wenigen, spektakulären Fälle. Fälle, die im Strafrecht spielen, personalisiert würden und letztlich „in ihrer Dramaturgie das Bild verzerren“. Dabei falle der weitaus größte Teil der Urteile in der Zivil- und Fachgerichtsbarkeit, was in der Berichterstattung kaum stattfinde. „Wir müssen uns dessen bewusst sein, wenn wir den Rechts­staat medial verteidigen wollen“, so Biesenbach.

Medienkritik, keine Medienschelte

Diese Medienkritik, die der Politiker nicht als Medienschelte verstanden haben wollte, richtete er auch an die sozialen Medien. Dort sei es besonders schwierig für die Justiz, durchzudringen. Um der kleinen, aber lautstarken Minderheit, die im Netz den Ton angebe, etwas entgegenzusetzen, müsste die Justiz praktisch 24 Stunden am Tag kommunizieren können. „Wir arbeiten aber immer noch in einer analogen Welt“, sagte der Minister.

Der Kölner Presserechtsanwalt Ralf Höcker, der ebenfalls auf dem Podium saß, empfahl, die Justiz müsse in den sozialen Medien mitdiskutieren. So ließen sich Fehlinterpretationenen und hitzige Debatten einfangen. ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam regte an, dass Richter verstärkt zu ihren Urteilen Stellung nehmen. Mehr erklären und kommunizieren – in diesem Sinne war die Runde vorbildlich.

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