Kölner Museum für Angewandte Kunst zeigt Architektenmöbel

Der Stuhl zeigt Kante: Wie ein silberner Meteorsplitter lädt Daniel Libeskinds "Spirit House Chair" gewiss zum Staunen, aber kaum zum Sitzen ein. Und er hat genau jene zackig-kristalline Struktur wie das Jüdische Museum (Berlin) des Star-Architekten - oder sein schon zerbrochen wirkendes Tee- und Kaffeeservice.

 Quadratisch, praktisch, gut oder auch rundlich: Walter Gropius' Sessel, Mod. F 51, 1920.

Quadratisch, praktisch, gut oder auch rundlich: Walter Gropius' Sessel, Mod. F 51, 1920.

Foto: mak

"Von Aalto bis Zumthor" zeigt das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) Wohn-Objekte von Architekten. Wobei Libeskind beweist, dass die Baumeister ihre Ästhetik stets aufs Möbelformat herunterbrechen. Norman Fosters Tisch "Nomos" fährt seine Stahl-Tentakel unter einer Glasplatte aus und spiegelt die technische Baukunst des Briten. Und Zaha Hadids Mut zu nie gesehenen Formen verlässt sie auch beim Sitzobjekt "Snow Drift" nicht, dessen fließende Gestalt nur dank eines fLugenfrei verklebbaren High-Tech-Materials möglich wurde.

Die von Petra Hesse und Gabrielle Lueg überwiegend aus Hausbeständen kreierte Schau tastet sich chronologisch bis zu diesen aktuellen Blickfängen vor. Wie gründlich Architekten stets auch das Innere ihrer Gebäude prägen wollten, zeigt schon Emil Beutingers Speisezimmerensemble von 1903/04. Oder Otto Wagners "Postsparkassenfauteuil", das die Nieten und Aluminium-Applikationen der Fassade des Wiener Bauwerks zitiert.

Oft haben kühne Entwürfe Ingenieur-Erfindungen angestoßen, wie bei den Stahlrohr-Freischwingern von Marcel Breuer. Und natürlich schlugen architektonische Dogmen bis ins Wohnzimmer durch. Die modernistische Bauhaus-Kantigkeit etwa, die in den 50ern organischen Formen wich: im "Schwanensessel" Arne Jacobsons oder im Tulpentisch Eero Saarinens.

Und doch gibt es ein unschlagbares Lieblingsstück der Architekten: den Sessel-Kubus. Le Corbusier, Mies van der Rohe, Walter Gropius, Oswald Mathias Ungers und viele andere haben solche eckigen Sitzmöbel geschaffen. Entwerfen Architekten denn nun andere Möbel als Produktdesigner? Irgendwie schon, denn ihre Stücke sind oft kühner, verspielter und nicht immer benutzbar. Soll Gerit Rietvelds "Rot-blauer Stuhl" bei aller Kantigkeit erstaunlich bequem sein, so ist Mario Bottas "Seconda" mit superschmalen Metall-Armstützen und einer PVC-Rolle als Rückenlehne eher Skulptur als Möbel.

Und wer sonst hätte seinen mit Wellpappe belegten "Wackelstuhl" bei Vitra vermarkten können als der geniale Frank Gehry? Wie groß indessen die Schnittmengen zwischen Architektur und Design heute sind, zeigt der in beiden Sätteln sichere Hadi Teherani. Und bei Peter Zumthor wundert man sich nicht, dass er neben seiner elegant geschwungenen Vals-Liege eben auch makellos schlanke Salz- und Pfeffermühlen für Alessi entwirft.

Die inspirierende Schau im Sonderausstellungsraum und der großen Halle illustriert Trends und zeigt berückend schöne Solitäre. Etwa den dynamisch gespannten Tisch des Rennfahrers, Baumeisters und Frauenhelden Carlo Mollino oder El Lissitzkys topmodernen Sessel von 1928. Dass weniger wirklich mehr ist, beweist Gio Pontis Minimal-Stuhl "Superleggera". Das Leichtgewicht überstand einen Sturz aus vier Metern Höhe.

Museum für Angewandte Kunst, Köln; bis 22. April. Di-So 11-17 Uhr

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