Auswirkungen der Corona-Pandemie Pfleger aus Osteuropa bleiben zu Hause

Bonn · Während der Corona-Krise kommen kaum Helfer aus Ländern wie Polen oder Montenegro. Für viele Pflegebedürftige ist das ein großes Problem, auch für eine 63-Jährige aus Lengsdorf.

 Anneliese M. kann sich nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten. Hilfe kommt seit Jahren von zwei Frauen aus Montenegro. Doch die können derzeit die Grenzen nicht passieren.

Anneliese M. kann sich nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten. Hilfe kommt seit Jahren von zwei Frauen aus Montenegro. Doch die können derzeit die Grenzen nicht passieren.

Foto: Benjamin Westhoff

Anneliese M. (Name der Redaktion bekannt) ist mit ihren Nerven am Ende. Gerade ist sie wieder einmal gestürzt. „Ich kann mich einfach nicht mehr aus eigener Kraft auf den Beinen halten“, erzählt die 63-jährige Lengsdorferin. Seit mehr als 20 Jahren ist sie auf professionelle Unterstützung angewiesen, um trotz ihrer MS-Erkrankung selbstständig im eigenen Haus zu leben. Bisher war das auch kein Problem.

Seit Jahren kamen abwechselnd zwei Frauen aus Montenegro. „Wir haben uns vor langer Zeit kennengelernt und die Chemie hat zwischen uns sofort gestimmt“, sagt Anneliese M. und lächelt, als sie von ihren Freundinnen spricht. Doch seit den Einreisebeschränkungen aufgrund der Pandemie ist Anneliese M. todunglücklich in ihrem Zuhause.

Ihre Helferinnen können nicht mehr die Grenzen passieren. „Ich habe mittlerweile von einer Agentur vier verschiedene Pflegerinnen zugewiesen bekommen. Aber keine war in der Lage mich so zu pflegen, wie es notwendig ist“, erzählt sie leise. „Ich fühle mich so alleine und hilflos. Niemand interessiert sich offenbar für die Probleme von Pflegebedürftigen“, ergänzt sie resigniert.

Anneliese M. ist todunglücklich in ihrem Zuhause

Seit einer Woche wohnt wieder eine neue Helferin aus Polen in ihrem Haus. Doch auch sie ist schnell an ihre Grenzen gekommen. „Gestern bin ich wieder gestürzt. Jetzt hat mein Sohn Urlaub genommen, um mich nicht alleine zu lassen“, berichtet die 63-Jährige.

Dabei zahlt die Lengsdorferin viel Geld für die Hilfe – nicht nur für die Pflegerinnen. „Ich bezahle monatlich Gebühren an die ausländische und die inländische Agentur, über die sie vermittelt werden. Dazu kommen die Kosten für das Anreiseticket sowie Kost und Logis“, erzählt sie. „Derzeit bin ich bei rund 2600 Euro im Monat. Viel Geld für eine Leistung, die nicht dem entspricht, was verabredet war.“ Aktuell sucht sie wieder eine neue Pflegerin. „Die Polin, die jetzt bei mir wohnt, ist lieb und nett. Aber sie ist klein und hat keine Kraft, um mich zu halten. Außerdem können wir uns nicht verständigen. Obwohl mir zugesichert wurde, dass ich jemanden bekomme, der Deutsch spricht.“

Caritas und Awo haben ihre Mitarbeiter auf Dauer eingestellt

Für die meisten osteuropäischen Pflegekräfte waren die Grenzen in den vergangenen Monaten komplett dicht. Die Bonner Caritas war von den Einreisebeschränkungen allerdings nicht betroffen. „Wir haben keine Probleme“, sagt Mechthild Greten auf GA-Anfrage. Das liege allerdings daran, dass man keine Pfleger für einen befristeten Einsatz akquiriere. „Wir beschäftigen natürlich ausländische Pflegekräfte. Aber die leben hier und sind bei uns fest angestellt. Auf Dauer und nicht nur für einen begrenzten Zeitraum.“

Gleiches gilt bei der Awo. „Wir vermitteln keine osteuropäische Pflegekräfte und haben daher auch keine Probleme durch die Grenzschließungen gehabt“, erklärt ein Sprecher für den Pflegedienst.

Es fehlt an Personal für die 24-Stunden-Pflege

Dass es in den vergangenen Wochen schwer war, ausreichend Personal für die 24-Stunden-Pflege zu bekommen, bestätigt allerdings Johannes Haas, Geschäftsführer vom „Verband Pflegehilfe“, der rund 200 Agenturen vertritt und auch in Bonn aktiv ist. „Es ist besser geworden, aber immer noch schwer“, erklärt er auf GA-Anfrage. Viele kleinere Agenturen hätten aufgrund der Corona-Beschränkungen nicht genug Personal zur Verfügung gehabt. „Langsam wird es wieder besser“, kommentiert er die momentane Situation. Wer jetzt dringend eine Fachkraft sucht, der solle sich eher an größere Agenturen wenden, empfiehlt er. Denn diese würden meist über mehr Personal verfügen, das bei Bedarf kurzfristig eingesetzt werden kann.

Bei der Bonner Altenhilfe kennt man das Problem ebenfalls. „In Einzelfällen wurde hinsichtlich anderer Hilfemöglichkeiten beraten oder bei der Suche nach alternativen Hilfen durch Ambulante Dienste auch aktiv unterstützt“, erklärt Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann. „Allerdings liegt die Verantwortlichkeit für die Vermittlung ausländischer Pflegekräfte bei Privatunternehmen und obliegt keinem Einfluss durch die Stadt Bonn.“

Anneliese M. muss jetzt schnell eine Lösung finden. „Ich kann nicht alleine leben, und meine polnische Pflegekraft ist gestern vollkommen überraschend abgereist“, erzählt sie. Wie es weitergeht? „Ich weiß es nicht. Ich hoffe jeden Tag, dass meine Freundinnen aus Montenegro wieder einreisen können.“

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