Baustelle in Holzlar glich einem Kartenhaus

Kein Blatt nahm der Amtsrichter am Donnerstag vor den Mund, als er einen 35-jährigen Bauunternehmer und einen 71-jährigen Bauingenieur wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilte.

Bonn. Kein Blatt nahm der Amtsrichter am Donnerstag vor den Mund, als er einen 35-jährigen Bauunternehmer und einen 71-jährigen Bauingenieur wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu Bewährungsstrafen verurteilte: "Es war ein Kartenhaus, das dort errichtet wurde. Jede kleinste Erschütterung hätte zum Einsturz führen können."

Der tragische Unfall ereignete sich am Nachmittag des 14. Januar 2008 beim Um- und Ausbau eines Bürogebäudes in Holzlar. Bei Justierungsarbeiten stürzte eine Decke aus Fertigbetonteilen ein. Dabei gerieten die Füße eines 38 jährigen Bauarbeiters unter die Elemente. Er lag Monate im Krankenhaus und wurde 25 Mal operiert. Er wird sein Leben lang auf Krücken angewiesen sein. Der Vater des Bauunternehmers erlitt 32 Brüche im Hüftbereich.

Auf der Stelle tot war ein 34-jähriger Arbeiter, der unter ein 2,4 Tonnen schweres Betonteile geriet. Dabei hatte der Familienvater nichts mit der Nachjustierung, bei der einzelne Elemente per Kran angehoben wurden, zu tun. Er war zum Unglückszeitpunkt durch ein Fenster ins Gebäudes gesprungen, um ein Werkzeug zu holen.

Dass der Getötete sich im Gefahrenbereich aufhielt, war ein Hauptgrund für die Verurteilung des Unternehmers zu sieben Monaten auf Bewährung. Der Richter stellte fest, dass es entgegen der Behauptung des Angeklagten keine Anweisung gegeben hatte, dem Gefahrenbereich fernzubleiben - ein Verstoß gegen Arbeitsschutzbestimmungen.

Elf Monate Haft auf Bewährung erhielt der 71-jährige Statiker, weil er "zum Teil grob schlampig gearbeitet" und einen wichtigen Teil der Statik nicht berechnet habe. Wäre die Belastung der Auflager an der Unglücksstelle berechnet worden, hätte ihm auffallen müssen, dass dort eine Überlastung von knapp 400 Prozent bestand.

"Unerträglich" fand der Richter das Verhalten der Angeklagten, die sich bis zuletzt gegenseitig beschuldigten. Als Bewährungsauflage muss der Unternehmer insgesamt 6 000 Euro an die Witwe des Getöteten und den verletzten 38-Jährigen zahlen, der Statiker insgesamt 10 000 Euro.

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