"Wir brauchen eine bessere Lehrer-Ausbildung"

Julia Schwarzenberg: Bei uns an der Schule will kaum ein Schüler die vorgeschriebene Mittagspause. Kann man den Schulen nicht selbst überlassen, ob es eine gibt oder nicht?

 "Kinder in gemischten Gruppen lernen besser", sagt die Ministerin.

"Kinder in gemischten Gruppen lernen besser", sagt die Ministerin.

Foto: Volker Lannert

Löhrmann: Wenn Jugendliche neun Stunden Unterricht haben, dann muss es auch Pausenzeiten geben. Wie will man denn hinterher noch gescheit weiterlernen? Ausnahmen kann es da geben, wo es noch keine Mensen gibt.

Hussein El Bayari: 270 000 Schüler waren beim Bildungsstreik auf der Straße. Wann gehen Sie endlich auf unsere Forderungen ein?

Löhrmann: Wir haben ein Sofortprogramm mit vier Punkten in den Landtag eingebracht: Dass die Drittelparität in den Schulkonferenzen wieder eingeführt wird, dass die Kopfnoten abgeschafft werden, dass der Elternwille beim Übergang auf die weiterführende Schule gestärkt wird, und dass wir den Kommunen ermöglichen, Grundschulbezirke wieder einzuführen. Das war am 16. Juli. Das wird jetzt im Parlament beraten, hoffentlich beschlossen und ab 1. Februar in Kraft treten.

Dann würde es die Kopfnoten auf dem Halbjahreszeugnis schon nicht mehr geben. Zudem wollen wir 1 525 neue Lehrerstellen schaffen - für eine bessere Lehrerversorgung insgesamt, für Gesamtschulen, denen der Ganztag vorenthalten worden ist, für mehr integrative Lerngruppen, und damit kein Unterricht ausfällt, wenn Lehrer Personalratstätigkeiten wahrnehmen.

Hussein El Bayari: Was ist mit den anderen Forderungen aus dem Bildungsstreik?

Löhrmann: Gemeinschaftsschulen können bereits zum nächsten Schuljahr gegründet werden. Wer zu G9 zurück will, kann das schon im nächsten Sommer tun. Für das nächste Jahr haben wir uns vorgenommen, den Ganztag auszubauen und die Lehrerfortbildung weiter zu entwickeln.

Cristobal Marrero-Winkens: Sie wollen die Qualität des Unterrichts verbessern. Warum investieren Sie jetzt so viel Geld in die Gemeinschaftsschulen statt in die Aus- und Fortbildung der Lehrer?

Löhrmann: Das dürfen wir nicht gegeneinander aufrechnen. Wir brauchen eine bessere Qualifizierung der Lehrkräfte, damit wir wegkommen vom Frontalunterricht. Ein Unterricht ist dann gut, wenn die Schülerinnen und Schüler sich mehr eigenständig erarbeiten. Die Gemeinschaftsschule führen wir ein, weil wir zum einen trotz zurückgehender Schülerzahlen wohnortnahe Schulen erhalten wollen, und weil wir zum anderen nicht wollen, dass der Schulerfolg von der sozialen Herkunft abhängt.

Cristobal Marrero-Winkens: Aber es gibt doch schon die Gesamtschule. Warum brauchen wir noch eine Gemeinschaftsschule?

Löhrmann: Die Gemeinschaftsschule führt bisherige Schulen zusammen und verhindert dadurch das drohende Schulsterben durch die zurückgehenden Schülerzahlen. Im Gegensatz zur Gesamtschule können Gemeinschaftsschulen auch dreizügig geführt werden und brauchen keine eigene Oberstufe.

Fabian Thiele: Wenn man aber leistungsstarke und leistungsschwächere Schüler mischt, werden doch die Starken schwächer, und die Schwächeren sind überfordert.

Löhrmann: Nein, unter anderem zeigen die skandinavischen Länder, dass Kinder in gemischten Gruppen meist mehr und besser lernen, und höhere soziale Kompetenz entwickeln. Die Kunst von gutem Unterricht ist, dass die Starken vielfältig herausgefordert werden und die noch nicht so starken Kinder ein Angebot erhalten, mit dem sie besonders gut gefördert werden.

Franka Schlieter: In der Klasse 8 sollen wir zwei Stunden Hausaufgaben machen. Dazu kommt das Lernen für die Klassenarbeiten. Wo bleibt dann die Freizeit?

Löhrmann: Das spricht für den Ausbau von Ganztagsschulen. Eine gut organisierte Ganztagsschule setzt nicht einfach nur den Vormittag fort. Sie bietet zum Beispiel mit Spiel- und Sportangeboten oder auch mit einer Hausaufgabenbetreuung viel Abwechslung und Unterstützung. Dann ist man mit der Schule auch wirklich fertig, wenn man nach Hause kommt - im Regelfall jedenfalls.

Judith Häuser: Warum werden nicht mehr Integrierte Gesamtschulen, in die auch behinderte Kinder gehen, gegründet?

Löhrmann: Gemeinsames Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung, im Fachbegriff Inklusion, das ist ein richtiger Weg, den wollen wir ausbauen. Dazu müssen wir aber noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Mein Ziel ist, dass die Eltern entscheiden dürfen, ob ihr Kind eine Förderschule oder eine Regelschule besucht.

Leonard Haas: Ich finde es nicht richtig, dass die Bundeswehr an die Schulen kommen und für sich Werbung machen darf. Werden Sie das abschaffen?

Löhrmann: Wir wollen diesen Kooperationsvertrag verändern.

Leonard Haas: Nicht abschaffen?

Löhrmann: Wir wollen, dass die Schulen nicht nur die Bundeswehr, sondern auch Friedensinitiativen einladen und im Rahmen der politischen Bildung Diskussionen stattfinden. Ich bin dagegen, dass nur die Bundeswehr kommt.

Die Teilnehmer##ULIST##

Julia Schwarzenberg (16), Gymnasium am Oelberg, Königswinter

  • Tobias Köhler (15), Konrad-Adenauer-Gymnasium, Meckenheim
  • Lea Abraham (14) und Tabea Herrmann (14), Sankt-Joseph-Gymnasium, Rheinbach
  • Ronja Landeck (17), Ernst-Kalkuhl-Gymnasium, Bonn-Oberkassel
  • Moritz Böing-Weißschnur (16) und Annette Büllesbach (14), Gesamtschule Bonn-Beuel
  • Anton Thun (18), Alexander-von-Humboldt-Gymnasium, Bornheim
  • Lars Setz (18), Gymnasium Alleestraße, Siegburg
  • Laura Zywietz Rolon (13), Franka Schlieter (13), Fabian Thiele (12), Fabian Winklbauer (12), Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium, Bonn
  • Paulina Schell (17) und Katharina Kütter, Liebfrauenschule Bonn
  • Lennart Will (17), Helmholtz-Gymnasium, Bonn-Duisdorf
  • Bruno Koll (15), Anatol Gunkel (15), Hannah Gnech (16) , Leonard Haas (16), Max Gesthuysen (15), Judith Häuser (18), Vincent Schänzer (19), alle Bezirksschülervertretung Köln
  • Hussein El Bayari (15), Bezirksschülervertretung Bonn
  • Max Bumberger (17) und Anna Steger (17), Albert-Einstein-Gymnasium, Sankt Augustin
  • Cristobal Marrero-Winkens (17), Friedrich-Ebert-Gymnasium, Bonn
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