Für drei Spielzeiten nach Kriegsende Als Königswinter noch Theaterstadt war

Königswinter · Für drei Spielzeiten war der Königswinterer Hof in der Altstadt ein gefragter Ort in der Theaterlandschaft, damalige Prominenz gab sich hier die Ehre. An die Glanzzeiten erinnerte der ehemalige Leiter des Siebengebirgsmuseums in einem Vortrag.

 Seit Ende 2018 erstrahlt der Saal des Königswinterer Hofs wieder in neuem Glanz und wird für Veranstaltungen genutzt.

Seit Ende 2018 erstrahlt der Saal des Königswinterer Hofs wieder in neuem Glanz und wird für Veranstaltungen genutzt.

Foto: Frank Homann

Hungersnot, Kälte, Mangel an allem – und dennoch entwickelte sich in der Nachkriegszeit in Königswinter ein pulsierendes Theaterleben, für drei Spielzeiten von 1945 bis 1948. „Das Schwarzwaldmädel war ein Dauerknüller, das wurde immer wieder aufgeführt“, sagte Elmar Scheuren, ehemaliger Leiter des Siebengebirgsmuseums, bei einem Vortrag in der Reihe „Kostprobe“. Nach dem Dreiklang aus Wein, Vortrag und Besichtigung der Ausstellung ging es diesmal noch an den „Tatort“ – in den Saal des traditionsreichen Gasthauses „Königswinterer Hof“ an der Hauptstraße, der damals als Theater diente.

Seit gut einem Jahr erstrahlt das ehemalige Theater nach der Restaurierung durch den neuen Eigentümer in neuem Glanz. Einst wurden hier Operetten in großer Besetzung gegeben, eine spektakuläre Phase in der Geschichte dieses Ortes, der nach seiner „Theaterkarriere“ noch Kinosaal und Verkaufsladen für Stoffe war.

„Die Treppe zur Empore wurde erst später eingebaut“, so Scheuren. Dabei hätten sich einige doch gut ausmalen können, wie Theater- und Filmstar Grethe Weiser majestätisch über die Stufen schwebt. Ja, auch diese Diva gastierte in Königswinter. „Mit herzlichem Dank für das Gastspiel“, zitierte Scheuren Weisers Gästebuch-Zeilen aus dem Januar 1946, als sie zu einem Sondergastspiel in Königswinter weilte – ihr Auftritt war eingebettet in ein buntes Programm und Organisator Willi Friesecke erhielt einen Sondervertrag als Ansager.

Saal fasste 500 Besucher

Sogar in das Deutsche Bühnen-Jahrbuch schaffte es das Königswinterer Theater. Eine nahezu 100 Personen fassende Belegschaft, die alle Sparten vor und hinter den Kulissen abdeckt, und ein 500 Besucher fassender Saal werden unter dem Stichwort „Königswinter am Rhein“ 1948 vermerkt. Nach dieser Aufzeichnung fasste das eigene Orchester 24 Musiker, zeitweise sogar mehr als 30, das Ballett elf Tänzer, 15 Schauspieler und eine eigene Verwaltung. Scheuren: „Das vermittelt das Bild eines florierenden Bühnenbetriebes.“

Im Dezember 1945 hatten Theaterschaffende aus dem Köln-Bonner Raum das Theater gegründet. Hier gab es den 1927 errichteten Saal, hier fanden sie nach Schließung zahlreicher öffentlicher Bühnen den Ausweg, um sich ihre Lebensgrundlage zu schaffen. Im Weinhaus Lemmerz am Markt war die Verwaltung. Als Gründungsintendant trat Helmut Urban in Aktion, dem später Will Gehlen folgte. Allabendlich, manchmal auch nachmittags, fanden Aufführungen statt.

Meist waren es populäre Operetten – Csardasfürstin, Fledermaus, Dreimädlehaus, Glückliche Reise, der Zigeunerbaron oder eben das Schwarzwaldmädel. Scheuren zeigte in seinem Vortrag Programmzettel. Die Genehmigung der Militärregierung war erforderlich, wie darauf ersichtlich ist. Joop Fischer, Max Adolphs, Gisela Martin, Marion Treher oder Hanni Falkendorf traten auf, auch Walter Ullrich als junger Mann. Sie hatten eine große Fangemeinde. Herbert Aust war darunter, der später Schlossführungen auf Schloss Drachenburg anbot.

Erich Kirschner aus Königswinter spielte zweite Geige. Einheimische gelangten auch als Statisten zum Einsatz. 1947 wurde Kurt Herrlinger Kapellmeister – er war bereits während des Krieges, ausgebombt in Köln, nach Oberdollendorf gezogen. Gastspiele in Porz oder Dortmund gab das Theater Königswinter. Auch in den englischen Kasernen in Köln-Wahn trat das Ensemble auf.

Das Theater stand im Zeichen der Improvisation. Da musste Kirschner auch mal als Kulissenschieber tätig sein. Als enorme Organisationsleistung stellte sich das Besorgen der Kostüme heraus, die meist ausgeliehen wurden. Für Requisiten fanden Fahrten bis Hamburg oder Hannover statt. Normal war es auch, dass die Zuschauer Briketts mit zur Aufführung brachten. Manchmal fiel das Licht aus. Oder die Birne im Orchestergraben war kaputt und ein Bote musste mit Zigaretten los, um Ersatz zu beschaffen. Für den Kulissenbau wurden einheimische Handwerker rekrutiert, wie Scheuren berichtete. Manchmal fehlte auch die Leinwand und es wurde ersatzweise mit Papier gearbeitet. So gab es schnell Löcher beim Umbau, wie der spätere Karnevalist Hans Nickolaus überlieferte.

Besucher setzten mit der „Theresia“ über

Und wie kamen die Besucher nach Königswinter? Mit der „Theresia“ von der Personenschifffahrt Schmitz, die nach Bonn und Bad Godesberg fuhr. Die Abfahrten des „Theaterbootes“ wurden nach der Vorstellung bekanntgegeben – und manchmal wurde es so eng, dass Passagiere auf dem Dach saßen. Bis Juni 1948 war es schwierig, überhaupt an Karten heranzukommen.

Aber dann war schlagartig Schluss: Mit der Währungsreform war die reine Zeit der Mangelverwaltung beendet, das Geld wurde knapp, ein Theaterbesuch verlangte finanzielle Opfer. Scheuren zitierte Kurt Herrlinger: „Wenn dann abends mal 30 Leute da waren, war das viel.“

Das Theater musste bald seine Pforten schließen. Die Künstler suchten sich neue Engagements. Vielen gelang das nicht. Kurt Herrlinger fand zunächst in Bad Godesberg eine Stelle. Als er eines Tages wieder mit der Bahn fahren musste, weil sein Rad gestohlen worden war, traf er seinen früheren Königswinterer Kollegen Leo Prümer. Eine glückliche Fügung: Der gab ihm den Tipp, sich beim Rundfunk zu bewerben. Herrlinger wurde später zum Aushängeschild des Westdeutschen Rundfunks – seine Sendung „… von und mit Kurt Herrlinger“ für Jahrzehnte zu einem Begriff.

In späteren Jahren nutzten dann unter anderem Schulen den Saal. Altbürgermeister Herbert Krämer spielte dort zum Beispiel in „Des Kaisers neue Kleider“ den Kaiser. So war das, als Königswinter noch Theaterstadt war.

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