"Anne" und "Baba" lernen Deutsch

Mutter und Vater auf der Schulbank: Migranten aus der Türkei und weiteren Ländern büffeln im Integrationskursus in Königswinter.

"Anne" und "Baba" lernen Deutsch
Foto: Frank Homann

Königswinter. "Ich bin vor ein Jahr nach Deutschland gekommen, einer Jahr", sagt Fatma. "Einem Jahr", berichtigt Hiltrud Huppers. Ganz ruhig, ganz sachlich. Die Lehrerin leitet den Integrationskursus für Eltern, der samt Kinderbetreuung von der Fortbildungsakademie der Wirtschaft in Königswinter angeboten wird.

"Ich bin vor einem Jahr nach Deutschland gekommen", wiederholt Fatma. Auch wenn es mit den bestimmten oder unbestimmten Artikeln im Deutschen ein Kreuz ist, spricht sie die Sprache schon gut. Dass sie aus einer "Meerstadt" statt aus einer Stadt am Meer in der Türkei kommt, dass das Klima dort "ungenehm" statt angenehm ist, geschenkt.

900 Stunden bis
zur deutschen Sprache Durch das neue Zuwanderungsgesetz werden staatliche Integrationsangebote erstmalig gesetzlich geregelt. Der Integrationskursus für Eltern mit Kindern unter 14 Jahren umfasst maximal 900 Unterrichtsstunden in neun Modulen zu jeweils 100 Stunden. Der Besuch eines allgemeinen Integrationskurses ist für die Teilnehmer meist aufgrund fehlender oder ungenügender Mobilität durch ihre noch kleinen Kinder nicht möglich. Am Ende des Kurses sollen die Teilnehmer in der Lage sein, in alltäglichen Situationen selbstständig zu handeln, sich informieren und austauschen zu können. Der Kurs schließt mit der Prüfung zum "Zertifikat Deutsch" ab. Elternspezifische Themen wie Erziehung, Ausbildung, Kinderbetreuung oder das deutsche Schulsystem finden neben der Sprachvermittlung besondere Berücksichtigung.Fatma, die in Königswinter wohnt, wird die Prüfung im Mai bestehen, da ist sich Gudrun Harhoff von der Kölner Akademie ziemlich sicher. Genauso wie ihre sieben Mitschülerinnen und Mitschüler Mahir, der heute ausnahmsweise nicht da ist. "Die Teilnehmer sind sehr fleißig", hat Harhoff festgestellt. Bei so motivierten Schülern und Schülerinnen macht die Arbeit auch Lehrerin Huppers "richtig Spaß". Zurzeit befindet sich der Kursus im achten von neun Modulen. Jedes umfasst 100 Unterrichtsstunden.

Monika Götz von der Lemmerzschule in der Königswinterer Altstadt und ihre Türkischlehrerin Suna Balikci haben den Kursus initiiert, an dem fünf Türkinnen, ein Türke, eine Russin und eine Inderin teilnehmen. Sie wohnen heute alle in Königswinter oder Bad Honnef und leben sehr unterschiedlich lange in Deutschland, ihre Deutschkenntnisse waren zu Beginn des Kursus aber durchweg fast gleich Null.

An der Lemmerzschule fand auch der Einstufungstest statt, bei dem etwa 30 Personen getestet wurden. Einige von ihnen waren nicht richtig alphabetisiert und kamen für den Kursus nicht in Frage. Rund die Hälfte begann den Kursus, jedoch sprangen einige wieder ab. "Da war zum Teil die familiäre Belastung so stark, dass vier Stunden Unterricht nicht drin waren", sagt Gudrun Harhoff. Das Rollenverständnis in vielen, gerade türkischen, Familien verlange, dass die Frauen zu Hause bleiben.

Und der Kursus verlangt den Teilnehmern eine ganze Menge ab. Seit genau einem Jahr lernen sie täglich von 8.30 Uhr bis 11.45 Uhr die Sprache des Landes, in dem sie leben, in dem sie aber wegen mangelnder Sprachkenntnisse bisher noch nicht richtig integriert sind. Der Kursus findet in den Räumen des Alevitischen Kulturvereins neben dem Hotel Maritim statt. Kinder unter drei Jahren werden gleichzeitig in der benachbarten Moschee betreut.

Monika Götz hat natürlich einen Grund für ihre Initiative. Die Hälfte ihrer Schüler stammen aus Migrantenfamilien, "mit steigender Tendenz", wie sie sagt. Die Familien kommen aus der Türkei, Russland, Portugal, Spanien, Italien und dem Irak.

"Ich möchte eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen", sagt Fatma. Sie darf am Kursus teilnehmen, obwohl sie zwei 18 und 20 Jahre alten Söhne hat und eigentlich einen allgemeinen Integrationskursus besuchen müsste. In eher ländlichen Gegenden, wo sich oft nicht genügend Teilnehmer finden, wird die Ausnahme aber schon mal zugelassen.

Fatma spricht jetzt Türkisch und Deutsch, zusätzlich kann sie Arabisch lesen. Damit hat sie vielen Mitbewerberinnen etwas voraus. Die Sprache ist nicht nur die Voraussetzung für eine gelungene Integration in die Gesellschaft ihres Gastgeberlandes, sondern auch der entscheidende Schlüssel zum Arbeitsmarkt.

Als Problem stellt sich häufig heraus, dass in den Familien weiter allein die Muttersprache gesprochen wird. Allerdings trauen sich viele Teilnehmer zu, ihre neu erworbenen Sprachkenntnisse in anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Schule ihrer Kinder, anzuwenden und zu vertiefen.

Weil der Kursus ein Erfolg zu werden verspricht, soll es eine Neuauflage gegeben. Vorausgesetzt, es finden sich genügend Interessierte.

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