Wenn die Laube zum Schankraum wird

An der Rheinpromenade Königswinter reihten sich einst Hotels und Lokale aneinander. Die Baupläne lagern im Kreisarchiv in Siegburg.

Wenn die Laube zum Schankraum wird
Foto: Holger Arndt

Siegburg. Luxushotels reihten sich Ende des 19. Jahrhunderts an der Reinpromenade in Königswinter wie Perlen aneinander und boten vielen Touristen, die Erholung am Strom und im Siebengebirge suchten, bestes Quartier.

Hatte ein Bauherr oder Investor vor, eine solche "Beherbergung mit Schankwirtschaft" oder eine "Kaffeewirtschaft" zu bauen und eine Konzession dafür zu erhalten, musste er diese beim "Landrathsamt Rhein-Sieg" beantragen.

Im Kreisarchiv in Siegburg lagern die Akten über all die Vorgänge, die nötig waren, bis das Hotel seinen Betrieb aufnehmen durfte. "Besonders das Grand Hotel Mattern, das damals eine absolute Luxusherberge war, ist detailreich nicht nur auf den Plänen, sondern auch auf vielen Postkarten dargestellt, die wir verwahren", sagt Kreisarchivarin Claudia Arndt.

Das Kreisarchiv Das Archiv und die wissenschaftliche Bibliothek des Rhein-Sieg-Kreises sind im Kreishaus Siegburg, Kaiser-Wilhelm-Platz 1, im Erdgeschoss sowie im Keller untergebracht. Zugänglich sind sie montags bis freitags von 8.30 bis 12.30 Uhr sowie montags bis donnerstags von 13.30 bis 16 Uhr. In der Präsenzbibliothek stehen etwa 30 000 Bänder, unter anderem mit Arbeiten zur Kreisgeschichte, zur rheinischen Landesgeschichte und zur allgemeinen und regionalen Geschichte des Judentums. Letztere wird zudem durch die von der Kreisarchivarin betreute Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg" in Windeck-Rosbach beleuchtet.Die promovierte Kunsthistorikerin freut sich über den großen Bestand an "typisch preußischen Akten", die fadengeheftet Auskunft geben über längst vergangene Verwaltungsakte - inklusive detailreicher Zeichnungen und anderer Abbildungen. "Aufgrund der Gewerbe-Ordnung für das Deutsche Reich vom 1. Juli 1883" wurde nach "Äußerung der Ortspolizei - und Gemeindebehörde" auch die Erlaubnis für den Betrieb einer weiteren "Kaffeewirtschaft" auf Kreisgebiet erteilt.

"Vorab haben die Gastwirte einen ausführlichen Fragebogen ausfüllen müssen", so Arndt. Wissen wollten die zuständigen Verwaltungsmitarbeiter damals unter anderem, wo der Antragssteller in den "letzten fünf Jahren gewohnt hat und wie er sich dort geführt hat", ob "die Fenster zum Öffnen gedacht", und ob "Aborte in ausreichender Zahl" vorhanden sind.

Im Bestand des Archivs, das in einer großen Rollregalanlage im Keller des Kreishauses am Wilhelm-Platz lagert, finden sich auch interessante Stellungnahmen zu diesen Themen: Der Königswinterer Ferdinand Mülhens zum Beispiel legte 1913 in einem mehrseitigen Schriftstück dar, dass die Besteuerung einer Laube auf dem Grundstück seiner Gartenwirtschaft als "Schankraum" unrechtmäßig sei.

Denn schließlich sei die Laube nach drei Seiten offen und daher nicht als geschlossener Raum anzusehen. "Faszinierend finde ich auch die teils farbigen Druckgrafiken mit unterschiedlichsten Ansichten von der Region", so Arndt. Besonders hängt sie an den alten Aufnahmen der Bergbaugruben, zum Beispiel in Bennerscheid am Schlösschen Neuglück. "Vom Bergbau sieht man heute kaum noch etwas, nur die Kenner wissen, wo die alten Abbruchstellen sind. Auf den Grafiken sind die alten Ortschaften detailliert dargestellt."

Vom Hüten, Sichten und Katalogisieren dieser "Schätzchen" abgesehen, kümmern sich Arndt und ihr meist zehnköpfiges Team um den "laufenden Verkehr": "Jährlich erhalten wir aus der Kreisverwaltung mehr als 400 Regalmeter Akten", so Arndt. Jedes Schriftstück, das einen Verwaltungsvorgang darstellt, ob aus dem Sozial- oder Verkehrsamt, wird für eine gewisse Zeit aufbewahrt. "Die Aufbewahrungsfristen sind ganz unterschiedlich", weiß Arndt.

"Adoptionsakten zum Beispiel lagern 30 Jahre bei uns, dann werden sie von einem Spezialunternehmen, da es sich ja um personenbezogenes Schriftgut handelt, entsorgt." Was historisch interessant oder skurril ist, kommt ins Kreisarchiv und ist dort für jeden, der sich dafür interessiert, einsehbar.

"Natürlich sind die alten Pläne mit Vorsicht zu behandeln", so Arndt. Noch vorsichtiger muss mit den Urkunden aus dem "Alten Archiv" umgegangen werden. Schließlich stammen sie aus den Jahren 1301 bis 1790. Damals gab es noch nicht so viele Touristen und Luxushotels am Rhein. Aber dafür eine Bevölkerung, die die Verwaltung der Region reichlich auf Trab hielt.

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