Bonner Wissenschaftler folgen den Soldaten

Universität nimmt Partnerschaft mit Kabul wieder auf - Lehrerausbildung, Wiederaufbau der medizinischen Fakultät und wissenschaftliche Projekte im Mittelpunkt

Bonn. Die ersten deutschen Soldaten sind in Kabul eingetroffen, um den Frieden und die Arbeit der provisorischen Regierung zu sichern. Demnächst sollen deutsche Wissenschaftler folgen. Die Bonner Universität will ihre langjährige Partnerschaft mit der Universität Kabul wieder aufleben lassen und damit einen Beitrag zum Wiederaufbau des afghanischen Bildungswesens leisten.

Mit von der Partie ist Clas M. Naumann, heutiger Direktor des Zoologischen Forschungsinstituts und Museums Alexander Koenig. Zwei Jahre lang hat er selbst an zoologischen Projekten in Kabul mitgewirkt und 1972 die Begrüßungsrede anlässlich der Eröffnung des Zoos inmitten von jungen Gazellen, Schakalen, Füchsen und Flamingos gehalten - auf persisch.

700 Jahre nach Marco Polo

Entstanden ist der Zoo zunächst eher nebenher aus der Versuchstierhaltung des Zoologischen Instituts. Der Zoo sei damals schon eine "außerordentliche Attraktion" gewesen, erinnert sich Naumann. "Zwischen 1970 und 1980 sind der Tiergarten in der afghanischen Hauptstadt und das später mit ihm verbundene Museum die professionellste tiergärtnerische Einrichtung zwischen Wien und Neu Delhi gewesen", berichtet der Wissenschaftler. "Wir haben außerdem die ersten umfassenden botanischen und zoologischen Bestandsaufnahmen gemacht." So seien sie im Wakhan-Panmir-Zipfel erst die siebte ausländische Gruppe nach Marco Polo vor 700 Jahren gewesen.

Die Forscher sammelten einheimische Namen der Tiere, um zu wissen wie etwa der Rotstirngirlitz auf Paschtu heißt. Die Bonner hielten Vorlesungen und Seminare in ihrer Partner-Uni und schrieben zusammen mit ihren afghanischen Kollegen Lehrbücher. Afghanische Studenten reisten mit Stipendien nach Deutschland, um hier ihre Diplom- oder Doktorarbeiten abzuschließen. Über fast zwei Jahrzehnte haben Dutzende Wissenschaftler der Bonner Universität die Entwicklung des Erziehungswesens in Kabul mitgeprägt und Forschungsprojekte durchgeführt.

Begonnen hatte die dann auch offizielle Uni-Partnerschaft zwischen Bonn und Kabul anlässlich eines Staatsbesuchs von Mohamad Daud in der Bundesrepublik 1961. Der damalige afghanische Ministerpräsident hatte seine Gastgeber eingeladen. Die innenpolitischen Verwicklungen, die 1979 den Einmarsch der Sowjets zur Folge hatten, vertrieben allerdings auch die Deutschen aus Afghanistan.

Viele Gehege und Uni-Gebäude wurden im Bürgerkrieg der 90er Jahre zerstört. "In dem Zimmer, in dem ich damals gesessen habe, ist später eine Rakete durchgegangen", berichtet Naumann. Den Rest hätten die Kämpfe der vergangenen Wochen besorgt.

Die Uni Bonn will nun ihre 1982 eingefrorene Partnerschaft mit der Kabuler Hochschule wieder aufleben lassen und erweitern. Ein entsprechender Antrag liegt beim Auswärtigen Amt. Davon sowie vom Entwicklungshilfeministerium erhofft sich die Uni Bonn die erforderliche Unterstützung für die vorrangigen Maßnahmen, auf die sich die Teilnehmer einer ersten Sitzung der reaktivierten Kabulkommission kürzlich geeinigt hatten.

An der Initiative beteiligen sich neben Naumann auch der letzte fachliche Berater des Kabuler Zoos Gunther Nogge, heute Direktor des Kölner Zoos, sowie afghanische Kollegen, von denen viele die Kriegsjahre in Deutschland verbracht haben.

Der DAAD hat ebenfalls eine Initiative gestartet, ebenso die "Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft Afghanistan", deren Vorstand Naumann angehört.

Andreas Hirner, Prorektor für Internationales, umreißt die Ziele: "Hilfestellung für die Lehrerausbildung und zum raschen Wiederaufbau der medizinischen Fakultät sowie Projekte in der Geologie und Wasserwirtschaft." Die Bonner Uni will in einigen Wochen - sobald es Flugverbindungen gibt - eine Delegation mit Naumann an der Spitze nach Kabul schicken.

Ein Gespräch mit dem Wiederaufbauminister Amin Farnhang - der in Köln in Wirtschaftswissenschaft promoviert hat und zuletzt Professor in Bochum war - ist für die Bonner Delegation bereits angebahnt, ebenso mit dem Erziehungsminister und der Kabuler Uni.

Vorrangig gehe es darum, den Afghanen möglichst rasch zu einer gebildeten Mittelschicht zu verhelfen, ist Clas M. Naumann überzeugt. Er hofft, dass der Petersberg-Fahrplan klappen wird: "Die Afghanen sind immer kühle Rechner gewesen. Sie wissen, dass internationale Hilfe nur fließt, wenn es stabile politische Verhältnisse gibt."

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