Auf der Achterbahn der Stimmungen

Bonner Forscher sind dem Gen auf der Spur, das für manisch-depressive Erkrankungen zuständig ist

Bonn. "Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt" beschreibt der Volksmund so genannte manisch-depressive Störungen. Etwa ein Prozent aller Menschen macht regelmäßig diese Achterbahn der Stimmungen mit.

Betroffene sind ohne äußerlich erkennbaren Anlass mal aggressiv-euphorisch, mal zutiefst niedergeschlagen. Ein Forscherteam um Professor Peter Propping vom Institut für Humangenetik der Bonner Universität ist den Erbanlagen auf der Spur, die für die Entstehung der Krankheit von Bedeutung sind.

"Wir haben vor zwölf Jahren damit begonnen, nach den beteiligten Genen zu suchen", sagt Propping. Die Forscher haben sich inzwischen erstaunlich nahe an die entsprechenden Abschnitte auf dem menschlichen Genom herangetastet: Sie vermuten die für die manisch-depressive Krankheit verantwortlichen Gene auf dem langen Arm von Chromosom acht und auf einem weiteren Abschnitt des Chromosoms zehn.

In den insgesamt 46 Chromosomen ist der gesamte Bauplan (DNA) des Menschen als eine Art langer Faden aufgespult. In dieser schier unvorstellbar großen Bibliothek besteht die Schrift aus Paaren lediglich vier verschiedener Buchstaben, die sich jedoch in verschiedenen Kombinationen etwa drei Milliarden Mal auf der DNA aneinander reihen.

Die Kunst des Bonner Teams besteht nun darin, in diesem unglaublich langen Buchstabensalat den für die manisch-depressive Erkrankung richtigen Abschnitt zu finden. Das ist noch viel schwieriger, als wenn man in sämtlichen Telefonbüchern der Welt nach einem Teilnehmer suchen müsste, ohne zu wissen, wie genau er heißt und wo auf Erden er wohnt.

Mit einem Trick haben die Bonner Forscher die Zielregion des menschlichen Bauplans nun eingekreist. Die Forscher bedienten sich dabei rund 400 so genannter "Marker" (Wegmarken). Das sind bekannte Varianten im genetischen Endlostext, die eine Signalfunktion erfüllen. "Man guckt, ob sich bestimmte Marker mit der Krankheit vererben", erläutert Propping.

Ist dies der Fall, hat man einen Anhaltspunkt dafür, dass sich das gesuchte Gen auf der Milliarden Buchstabenpaaren langen DNA-Kette in der Nähe des Markers befindet.

Gemeinsam mit Wissenschaftlern aus der Klinik für Psychiatrie und dem Institut für Biometrie sowie anderen Nervenkliniken hat das Forscherteam 75 Familien untersucht.

Von den insgesamt 445 Personen waren 275 manisch-depressiv. Proppings Team verglich systematisch die Erbsubstanz der gesunden mit den erkrankten Familienmitgliedern. Durch die mit der Krankheit vererbten Marker kamen die Forscher schließlich den betreffenden Chromosomen auf die Spur.

Ziel dieser Sisyphus-Arbeit ist, durch weitere Untersuchungen schließlich das für die manisch-depressive Erkrankung zuständige Gen zu finden. Ist es einmal exakt im DNA-Text lokalisiert, versprechen sich die Bonner Forscher davon neue Behandlungsmethoden. "Wenn wir den Wirkungsmechanismus dieses Gens verstanden haben, können wir daran gehen, maßgeschneiderte Medikamente für manisch-depressive Erkrankungen zu entwickeln", sagt Professor Propping.

Doch dahin ist es noch ein weiter Weg. In den jetzt eingekreisten "Textstellen" der Erbsubstanz stehen immerhin noch etwa 15 bis 20 Millionen Buchstabenpaare. Das sei "schon eine mäßig gute Ortung", meint der Humangenetiker. Die weitere Einkreisung der gesuchten Gensequenz erfordere nochmals großen Aufwand. Propping vergleicht diese Aufgabe mit dem Bewohner eines fremden Planeten, der mit einem Fernrohr auf die Erde blickt und die Stadt Bonn sucht. "Inzwischen weiß er er immerhin, dass er in Deutschland suchen muss - aber immer noch nicht, ob im Rheinland oder in der schwäbischen Alb."

Die Ergebnisse erschienen im Dezemberheft der Zeitschrift "Human Molecular Genetics" (Band 10, Seite 2933-2944)

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