23 Jahre an der Universität Bonn Professorin für Kunstgeschichte verabschiedet sich

Bonn · Nach 23 Jahren an der Universität verabschiedet sich die Bonner Kunstgeschichts-Professorin Anne-Marie Bonnet. Die Relevanz ihres Fachs sieht sie durchaus kritisch.

 Wo denken Spaß macht: Professorin Anne-Marie Bonnet steht neben einem Gips von Rodins „Denker“ im Kunsthistorischen Institut.

Wo denken Spaß macht: Professorin Anne-Marie Bonnet steht neben einem Gips von Rodins „Denker“ im Kunsthistorischen Institut.

Foto: Benjamin Westhoff

Am liebsten würde sie einfach ihr Büro räumen, einen Zettel mit „Und Tschüss“ auf dem Schreibtisch hinterlassen und am 1. Februar verschwinden. Aber so einfach geht das nicht, wenn man 23 Jahre am Kunsthistorischen Institut der Universität Bonn, „im Schloss“, mit Kollegen und Studierenden zu tun hatte.

Und weil das so ist und Anne-Marie Bonnet noch immer lichterloh für die Kunst brennt, wird es nichts mit dem sang- und klanglosen Abschied. Eine ganze Reihe von Veranstaltungen werden die so eloquente wie beliebte Professorin durch die letzten Wochen ihrer Amtszeit begleiten. Sie hat viel zu sagen, und das tut sie schnell und atemlos, wie es seit Jahrzehnten ihr Markenzeichen ist. Bonnet kann schärfer und schneller denken als viele Zeitgenossen. Und noch schneller reden.

Fast die Hälfte der Zeit in Bonn war sie geschäftsführende Direktorin des Instituts. Doch am meisten Spaß hat ihr die Lehre gemacht. Der direkte Kontakt mit der Kunst und das Vermitteln vor Ort reizt sie, „jede documenta, jede Biennale, Ausstellungen zu besuchen, da passiert immer etwas“. Gerade bei jungen Kunsthistorikern gebe es eine unglaubliche Hemmung gegenüber der Gegenwartskunst.

Und wie erreicht sie ihre Studenten? „Ganz einfach“, sagt Bonnet, „hingehen, gucken, fragen, darüber reden“. Nach einem Ausstellungsrundgang bittet sie ihre Studenten ein Werk zu nennen, das ihnen gut gefallen habe, eines, was ihnen überhaupt nicht gefallen habe – mit Begründung. Und schon sei man im Gespräch. „Ich verkaufe jedem alles“, sagt sie lachend, „sogar eine bulgarische Gürtelschnalle – alles total sexy“.

Bei der Kunst gibt es für sie keine eingefahrenen Sichtweisen: Bonnet kommt von der Germanistik und Anglistik her, hat sich mit mittelalterlicher Kunst ebenso befasst wie mit der Renaissance, mit Albrecht Dürer wie mit Auguste Rodin, mit Michelangelo wie mit Marcel Duchamp, mit höfischer Kunst des 13. Jahrhunderts wie mit der Avantgarde des 21. Jahrhunderts. Momentan brennt sie für die Kunst des Dürer-Zeitgenossen Hans Baldung Grien und dessen Ausstellung in Karlsruhe. Alte und neue Kunst, alles hänge miteinander zusammen.

Die „Mission Moderne“ war aber keine leichte. Im linken Heidelberg, wo Bonnet in den 1970er Jahren studiert hat, galt sie als „bourgeoise Kuh“, und moderne Kunst wurde als „bürgerlich“ abgestempelt. Bonnet bildete sich in der Freizeit in Sachen zeitgenössischer Kunst weiter, geriet durch Zufall zur documenta. „Während ich über ein Mittelalter-Thema promovierte, gab ich Führungen zu Joseph Beuys.“ An der Bonner Uni waren die Voraussetzungen dann besser. Und doch habe es Hürden gegeben.

„Am Anfang in Bonn hatte ich 24 Studenten, jetzt 160 Studenten“, so  Bonnet rückblickend. Und stolz ist sie, dass aus ihren 33 Promovierten etwas geworden ist – „die wenigsten sind in der Wissenschaft“. Sie macht sich auch Gedanken über das Fach Kunstgeschichte. Was für sie bedeutet, nicht allein über Bilder nachzudenken, sondern darüber, wo man auf Kunst trifft, wie sie dort hingekommen ist, wie und nach welchen Kriterien sie gesammelt wurde, welche Mechanismen aktiv sind. Seit 20 Jahren ist das ihr Thema. Die großartige Polemik, die sie kürzlich darüber schrieb, wurde von den Angegriffenen totgeschwiegen. „Aus der Szene kam kein Wort“, sagt sie.

Ein weiteres Thema: Welche Relevanz haben Kunsthistoriker heute? Keine große, wie sie besorgt feststellt. „Die meisten benutzen die Kunstgeschichte, um mit Begriffen etwas zuzupflastern; ich brauche sie, um etwas freizulegen“, sagt Bonnet.

Wann immer sie mit ihren Forschungen weitergekommen sei, sei das nach der Devise „Am Anfang ist das Auge, nicht das Wort“ gelaufen. „Kunst ist das Einzige, was uns von Tieren trennt“, meint sie ganz überzeugt. Aber sie hat ihre Zweifel, ob man richtig damit umgeht: Auf der Straße seien die Gelbwesten unterwegs, „und wir sitzen im Elfenbeinturm und inventarisieren ottonische Handschriften – wofür?“ Die Kunstgeschichte habe in Deutschland keine große Zukunft, sagt sie leise, „sie ist zu konservativ“.

Als nächstes steht die Abschiedsvorlesung an. „Ich weiß nicht, was ich sagen werde, wirklich nicht.“ Und dann fängt ein neuer Abschnitt an. Am meisten stört sie, wenn Leute fragen, was sie jetzt vorhabe. „Seit 40 Jahren bin ich eine gut funktionierende Dienstleistungsmaschine“, sagt sie, jetzt will sie es langsamer angehen lassen. „Ich weiß gar nicht mehr wer ich bin, wenn ich nicht ticken muss.“ Und dann hat sie noch ihre Doktoranden, und hier und da wird man von ihr hören.

Abschiedsvorlesung „Not jet titled ...“ im Rahmen der Reihe „Kunstgeschichte einst, heute und morgen ...?“ am 23. Januar, 16.15 Uhr im Uni-Hauptgebäude, Am Hof 1, Hörsaal IX

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