Neue Forschungsgruppe am Caesar Der Graumull mit dem siebten Sinn

Bonn. · Der Neurobiologe Pascal Malkemper untersucht im Bonner Forschungszentrum caesar ein Säugetier, das Magnetfelder wahrnimmt

 Im Labor: Pascal Malkemper betrachtet ein Reaktionsgefäß. Darin befindet sich das präparierte Gehirn eines Graumulls.

Im Labor: Pascal Malkemper betrachtet ein Reaktionsgefäß. Darin befindet sich das präparierte Gehirn eines Graumulls.

Foto: Liyang Zhao

Mit bunten Strichen auf weißer Tafel ist das Gehirn eines Graumulls aufgemalt. Die Skizze gehört Dr. Pascal Malkemper. Er ist Leiter der neuen Forschungsgruppe „Neurobiologie des Magnetsinnes“ am Bonner Center for advanced european studies and research, kurz caesar. Das Projekt beginnt zum neuen Jahr. Darin untersucht Malkemper und sein Team den Magnetsinn des afrikanischen Ansells Graumull (Fukomys anselli), eines Nagetiers, das nur im Umkreis der sambischen Hauptstadt Lusaka vorkommt. „Mein Doktorvater Hynek Burda hat den Ansells Graumull in Lusaka auf einem Golfplatz entdeckt und ihn im Jahr 1999 erstmals als eigene Art beschrieben“ erzählt Malkemper: Zuvor galten die Graumulle Lusakas als Afrikanische Graumulle (Cryptomys hottentotus).

Für den Neurobiologen ist dieser Graumull besonders interessant, weil er das bislang einzige Säugetier ist, bei dem „solide“ (das heißt: in mehreren Laboren) nachgewiesen wurde, dass es Magnetfelder wahrnimmt. „Der Magnetsinn ist sonst über die Tiergruppen hinweg relativ verbreitet“, sagt Malkemper. „Darunter fallen zum Beispiel viele Zugvögel.“

Der Ansells Graumull verbringt sein gesamtes Leben unterirdisch in völliger Dunkelheit und lässt sich dabei von seinem Magnetsinn leiten. Die Forscher möchten herausfinden, wie dieser genau funktioniert. „Es ist möglich, dass der Magnetsinn des Ansells Graumulls auf Magnetitkristallen basiert“ sagt Malkemper. Magnetitkristalle sind Verbindungen zwischen Eisen und Sauerstoff. Sie sind in Ketten angeordnet und funktionieren wie kleine Kompassnadeln: Ändert sich das Magnetfeld, schlagen sie aus. Da sie mit bestimmten Ionenkanälen verbunden sind, öffnen sich diese, bestimmte Ionen (geladene Teilchen) fließen hindurch und es kommt zu einem Nervensignal. So wüsste der Graumull dann, in welcher Richtungslage er sich befindet und wohin es weitergeht. Nachgewiesen wurde dieser Mechanismus bisher nur bei bestimmten Bakterienarten, den sogenannten magnetotaktischen Bakterien.

Falls sich keine Magnetitkristalle im Graumull-Organismus finden, käme eine andere Theorie in Frage: „Ein sich änderndes Magnetfeld erzeugt auch immer ein elektrisches Feld und andersherum“ erklärt der Neurobiologe. Wenn ein Tier sich im Erdmagnetfeld bewegt, erzeugt das eine winzige elektrische Spannung in seinem Organismus. Durch Elektrorezeptoren könnte der Graumull diese Spannung spüren und sich so orientieren. Ob eine der beiden Hypothesen stimmt, gilt es ab Januar 2020 herauszufinden.

Der Graumull beschäftigte Malkemper schon seit einiger Zeit. Dank eines Starting Grants der Stiftung Mercator konnte er bereits als PostDoc in einem unabhängigen Projekt an ihnen forschen. Dabei nutzte er eine Methode namens „Clearing“: Sie macht ein Gehirn quasi transparent und seine inneren Strukturen sichtbar; das Gehirn kann untersucht werden, ohne das Gewebe zu verletzen. So konnte Malkemper die durch den Magnetsinn induzierte Gehirnaktivität der Graumulle genau messen. Aus dieser Zeit stammen die Daten, ohne die seine jetzige Forschung am caesar undenkbar wäre.

Allerdings war Biologie eigentlich nie sein Plan A. „Eigentlich wollte ich Veterinärmedizin studieren. Da der NC dafür sehr hoch war, sollte Biologie die Übergangslösung sein“ sagt Malkemper. Nach wenigen Semestern entdeckte er jedoch seine Leidenschaft für das Fach, und die Übergangslösung wurde zum Lebensmittelpunkt. „Als ich meine Bachelorarbeit über visuelle und akustische Wahrnehmung bei Fröschen schrieb, wusste ich, dass Neurobiologie das Richtige für mich ist“ sagt Malkemper heute. Am meisten an der Neurobiologie reizt ihn, dass sie so ein flexibles System ist: „Verschiedene Tiere nutzen ganz unterschiedliche Mechanismen zur Wahrnehmung. Die Bandbreite dieser Vielfalt zu verstehen, finde ich spannend.“

Auch daheim hegt der Biologe eine Liebe zu Tieren: Dort warten zwei Katzen auf ihn. „Meine Frau ist ein Hundemensch. Weiterer Zuwachs ist also durchaus denkbar“ sagt er. In seiner Freizeit spielt er Schlagzeug, und das schon seit 20 Jahren. Mit seiner Iserlohner Band „Revolution“ geht er noch immer ein bis zwei Mal im Jahr auf die Bühne; einmal waren sie sogar die Vorgruppe für Juli („Die perfekte Welle“). Derzeit steht das Schlagzeug aber noch im Keller. Seit dem Umzug nach Bonn zu caesar hatte Malkemper noch keine Zeit, es wieder auszupacken.

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