Corona-Pandemie Erste Hoffnungsschimmer in Italien

Rom · Vorsichtige Hoffnung breitet sich aus: In Italien steigen die Ansteckungszahlen weniger stark an. Beschäftigte in der Lombardei legen Arbeit nieder. Gewerkschaften haben indessen zu Streiks aufgerufen.

 Einsamer Verkehrsteilnehmer: Ein Radfahrer während der derzeit geltenden Ausgangssperre vor dem römischen Kolosseum.

Einsamer Verkehrsteilnehmer: Ein Radfahrer während der derzeit geltenden Ausgangssperre vor dem römischen Kolosseum.

Foto: dpa/Elisa Lingria

Es sind entscheidende Tage für Italien. Für diese Woche erwarten die Experten des Zivilschutzes erste Signale, dass die harten Quarantänemaßnahmen im Land endlich Wirkung zeigen. Vor exakt einem Monat wurden die ersten Ausgangssperren in Norditalien verhängt, seit zwei Wochen ist ganz Italien ein Sperrbezirk. Am Wochenende gab es in dieser Hinsicht erste Hoffnungsschimmer. Zwar nehmen die Infektionen mit dem Coronavirus in Italien weiter zu, doch erstmals steigt die Kurve der Neuinfektionen weniger stark an.

Angesichts der Annahme italienischer Mediziner, die Inkubationszeit des Coronavirus betrage fünf bis zwölf Tage, könnten die Sperrmaßnahmen erstmals Wirkung zeigen. Statt knapp 800 Toten durch Covid-19 wie noch am Samstag, der Höchstzahl von Opfern an einem Tag, wurden am Sonntag 651 Opfer gezählt. Die erfassten Neuansteckungen gingen von 6557 am Samstag auf 5560 am Sonntag zurück, insgesamt gab es in Italien bis Sonntag knapp 60.000 registrierte Ansteckungen. Leichter Optimismus macht sich breit. „Wir müssen noch zwei, drei Tage abwarten, um belastbare Hinweise dafür zu bekommen, dass die Quarantänemaßnahmen Wirkung zeigen“, sagte Franco Locatelli, Chef des italienischen Gesundheitsamts.

Weniger Neuansteckungen in der Lombardei und Bergamo

In der besonders betroffenen Region Lombardei hatten sich die registrierten Neuansteckungen von Samstag auf Sonntag gar halbiert. In der norditalienischen Region sind rund 3500 Todesopfer zu beklagen, mehr als in China. Die Krankenhäuser arbeiten weiter am Limit, da die Zahl der Patienten, die Hilfe benötigt, weiter zunimmt. In Bergamo, wo die Neuansteckungszahlen zuletzt um 50 Prozent gesunken waren, errichten Gebirgsschützen ein Feldlazarett mit 170 Betten.

In Mailand wurde ein Hotel für Personen in Quarantäne umgewandelt, um Plätze in den Kliniken freizumachen. In einigen Tagen soll das Notkrankenhaus auf dem Messegelände in Mailand fertig sein. „Die Beatmungsgeräte werden geliefert“, sagte Giulio Gallera, Gesundheitsreferent der Region. Im Hafen von Genua wurde ein Schiff zu einem Krankenhaus für Genesende umfunktioniert. Auch in Ligurien werden positive Daten registriert. „Wir beobachten eine Verlangsamung der Ansteckungen“, sagte Giancarlo Icardi, Arzt im San-Martino-Krankenhaus von Genua. In Norditalien bleibt die Lage dennoch weiterhin kritisch, auch weil sich hier sowohl der Wirtschaftsmotor Italiens als auch der größte Infektionsherd befinden.

Beschäftigte legen Arbeit nieder

Die Gewerkschaft der Metallmechaniker in der Lombardei kündigte für Mittwoch einen Streik an. In der Luftfahrt legten bereits am Montag Beschäftigte die Arbeit nieder, um gegen mangelnde Sicherheitsmaßnahmen zu protestieren. Die Arbeiter wehren sich gegen ein am Sonntag in Kraft getretenes Dekret der Regierung, mit dem Ministerpräsident Giuseppe Conte die Wirtschaftsaktivität Italiens auf ein Minimum herunterfahren wollte, um Ansteckungen zu reduzieren. Auf Druck des Arbeitgeberverbandes Confindustria wurden aber zahlreiche Branchen von der Regelung ausgenommen.

So dürfen neben Pharma- und Lebensmittelbranche auch die Chemie-, Textil-, Reifen-, Bau- und Metallbranche weiter aktiv sein. „Wenn wir die nicht notwendigen Branchen, also 70 Prozent der Aktivitäten schließen, bedeutet das einen monatlichen Verlust von 100 Milliarden Euro“, sagte Confindustria-Präsident Vincenzo Boccia.

Von einer ökonomischen Notlage schlittere man nun in eine „Wirtschaft wie in Kriegszeiten“. FiatChrysler kündigte an, in einem Betrieb eine Million Atemschutzmasken zu produzieren. Ferrari plant die Herstellung von Beatmungsgeräten.

Am Sonntag hatte die Regierung zudem die Bewegungsfreiheit der Bürger weiter eingeschränkt. Einem Dekret der Regierung zufolge dürfen die Italiener nicht mehr ihren Aufenthaltsort verlassen, es sei denn für dringende Arbeitsaufträge oder aus gesundheitlichen Gründen. Bislang war es etwa erlaubt, zur Meldeadresse zurückzukehren. Das ist jetzt nicht mehr möglich.

Mit der Maßnahme soll im Zuge der Fabrikschließungen verhindert werden, dass süditalienische Arbeiter massenhaft aus dem Norden in ihre Heimat zurückkehren und das Virus weiter verbreiten. Offenbar hatte die Regelung nur bedingten Erfolg. Hunderte Fahrzeuge warteten am Sonntag auf die Überfahrt von Kalabrien nach Sizilien.

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