Infektion in Italien So gehen die Italiener mit dem Coronavirus um

Rom · Das Coronavirus hält die Menschen in Norditalien in Schach. Die Italiener reagieren auf die Ausbreitung der Lungenkrankheit mit Diskriminierung, Putzhysterie – und mit Humor.

 Neues Accessoire: Matteo Dall‘Osso, Abgeordneter der Partei „Forza Italia“, und Maria Teresa Baldini, Abgeordnete der Partei „Fratelli d’·Italia“, tragen während einer Sitzung im Plenarsaal Mundschutzmasken.

Neues Accessoire: Matteo Dall‘Osso, Abgeordneter der Partei „Forza Italia“, und Maria Teresa Baldini, Abgeordnete der Partei „Fratelli d’·Italia“, tragen während einer Sitzung im Plenarsaal Mundschutzmasken.

Foto: dpa/Cosimo Martemucci

Auch eine knappe Woche nach Entdeckung der zwei Infektionsherde in der Lombardei und im Veneto hält der Coronavirus die Italiener weiterhin in Schach. Dabei ist nicht immer klar, ob Aktionen und Reaktionen in einem vernünftigen Verhältnis zur Gefahr durch Covid-19 stehen. Ein Autor der Zeitung „La Repubblica“ fragte sich am Mittwoch, welche die derzeit eigentlich umgehende Krankheit sei: die durch das Virus selbst ausgelöste oder die im ganzen Land grassierende Angst.

Knapp 400 Ansteckungsfälle wurden bis Mittwoch in Italien registriert, zwölf ältere Menschen mit schweren Vorkrankheiten kamen bislang ums Leben. In der überwiegenden Zahl der Fälle verläuft die Erkrankung hingegen ohne oder mit nur leichten Grippesymptomen. Die Reaktion einer Frau auf der Insel Ischia bei Neapel trug dieser Lage nicht Rechnung. Sie filmte vor Tagen die Ankunft zweier Reisebusse aus der Lombardei und Venetien im Hafen und schrie die Feriengäste an, sie hätten im Norden in Quarantäne bleiben sollen.

Aber nicht nur Lombarden und Veneter haben es dieser Tage schwer, insbesondere Chinesen werden diskriminiert. Online-Portale berichten von einem 30-jährigen Chinesen, der beim Betreten einer Tankstellen-Bar in Cassola bei Vicenza angegriffen wurde. Der Barmann soll ihm eine Bierflasche über den Kopf geschlagen haben mit den Worten: „Du hast den Coronavirus und kannst hier nicht rein.“ – „Ich habe mehr Angst vor den Menschen als vor dem Coronavirus“, sagte eine betroffene Chinesin dem Portal Open.online.it.

Die italienische Regierung verfügte am 31. Januar ein nur bedingt wirksames Landeverbot für Flugzeuge aus China, da Reisende weiterhin über Zwischenstopps nach Italien gelangen konnten. Nach der offiziellen Lesart sei das Virus auf diese Weise eingeschleppt worden. Die genaue Infektionskette ist weiterhin unklar.

Die Angst hat auch Kleinkriminelle auf den Plan gerufen. Bei Grosseto boten Betrüger Senioren gar die Desinfektion von Bargeld an, das diese dann nicht mehr wiedersahen. Im Internet werden knapp gewordene Desinfektionsgels und Atemmasken zu Wucherpreisen feilgeboten. In der Gemeinde Codogno, dem sogenannten Epizentrum der Infektion in Italien, handhaben einige Herren die Quarantäne pragmatisch: Sie treffen sich weiterhin in der Bar zum Zeitunglesen, halten nun aber einen Meter Abstand.

Auch die Quarantänemaßnahmen in Mailand sind Gegenstand bissiger Kommentare. So ist den Mailändern der Besuch von Lokalen ab 18 Uhr untersagt, die Rede ist von einer abends gespenstischen Atmosphäre in der sonst lebensfrohen Stadt. Ein namentlich nicht bekannter Mailänder gab zu bedenken, dass die Bars zum Frühstück gerammelt voll seien und die Behörden offenbar von einer Übertragung des Coronavirus erst zur Aperitif-Zeit ausgingen. Insgesamt ist in Italien das Entstehen eines nationalen Putzfimmels zu beobachten. Ein Dunst von Desinfektionsmitteln macht sich vielerorts breit. In Rom sollen Bahnhöfe und öffentliche Verkehrsmittel einer Sonderreinigung unterzogen werden. Die Tourismusbranche in Rom und andernorts kämpft mit zahlreichen Absagen. Die Reservierungen sind in Rom um 80 Prozent gesunken.

Auch die katholische Kirche hat auf die Virus-Epidemie reagiert. Die Generalaudienz von Papst Franziskus fand am Mittwoch auf dem Petersplatz anstatt in der geschlossenen Audienzhalle statt. Hier sei „die notwendige Frischluftzufuhr“ gegeben, hieß es aus dem Vatikan. Für die christlichen Katakomben in Rom, Neapel, auf Sizilien oder in der Toskana hingegen sei dies nicht zu garantieren. Sie wurden vorsorglich geschlossen.

In Neapel empfahl die Kurie, während der Messen auf das „Zeichen des Friedens“, also den Handschlag, oder die Mundkommunion zu verzichten. In Florenz verfügte der Bischof die Entleerung der Weihwasserbecken.

Die Italiener nehmen den Ausnahmezustand aber durchaus auch mit Humor. In den sozialen Netzwerken kursieren zahlreiche Witze und Fotomontagen. Unter dem Titel „Eilmeldung aus Mailand“ wird das Abendmahl-Gemälde Leonardo Da Vincis in einer Fotomontage als verlassenes Stilleben präsentiert, auf dem alle Beteiligten die Flucht ergriffen haben. In Rom kursiert eine Vignette mit dem Text: „Erst die Chinesen, dann die Lombarden...Vielleicht greift das Virus diejenigen an, die zu viel arbeiten? In Rom können wir also ganz ruhig bleiben.“

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