Zehntausende auf Insel-Airports gestrandet Saharasturm legte mit Tempo 100 die Kanaren lahm

Madrid · Das Wetterphänomen „Calima“ war auf den kanarischen Inseln zuletzt vor 40 Jahren so intensiv. Das hat erhebliche Folgen: Weil über 800 Flüge abgesagt oder umgeleitet wurden, sind zehntausend Menschen auf den Inseln-Airports gestrandet.

 Die beiden Kostümierten mussten wegen des Sandsturms auf die Feierlichkeiten verzichten.

Die beiden Kostümierten mussten wegen des Sandsturms auf die Feierlichkeiten verzichten.

Foto: dpa/Andres Gutierrez

„Das war ein Albtraum“, sagt Ángel Víctor Torres, der Regierungschef der Kanarischen Inseln, am Montag. „So etwas haben wir in den letzten 40 Jahren noch nicht erlebt.“ Am Wochenende hatte der schlimmste Sandsturm, an den sich die Insulaner erinnern können, zu chaotischen Zuständen auf den Urlaubsinseln geführt. Über 800 Flüge mussten abgesagt oder umgeleitet werden, zehntausende Touristen strandeten auf den Insel-Airports.

Am Montag schwächte sich der Saharasturm, der von der nahen westafrikanischen Küste gekommen war, endlich langsam ab: Der Flugbetrieb lief wieder stockend an. Es kam allerdings zu erheblichen Verspätungen. Es werde noch Tage dauern, bis sich der Flugverkehr wieder normalisiert habe, hieß es. Airport-Betreiber Aena appellierte an die Urlauber: „Kommen Sie nicht zum Flughafen, ohne vorher die Abflugzeit zu bestätigen.“

Vor allem auf den großen Flughäfen auf Teneriffa und Gran Canaria strandeten Tausende von Urlaubern, deren Flüge in die Heimat gecancelt worden waren. Da wegen der Karnevalszeit auf den Inseln kaum noch freie Hotelbetten zu bekommen waren, mussten viele Touristen auf den Wartebänken der Terminals übernachten. „Eigentlich sollte mein Flug am Samstag gehen, dann wurde er auf Sonntag gelegt, schließlich auf Montagabend verschoben“, beklagt sich gegenüber Reportern ein spanischer Reisender, der in Gran Canaria festhing.

Sturm treibt den Sand mit Tempo 100

Die Ursache dieses Chaos’ war ein Wetterphänomen namens „Calima“. So heißt der Wüstenwind, der zuweilen von der afrikanischen Sahara tonnenweise feinen Saharasand auf die Kanaren weht. Aber dieses Mal war es kein Wind, sondern ein heftiger Sturm, der mit Geschwindigkeiten von mehr als 100 Stundenkilometern wütete. Und der die im Atlantik liegenden Vulkaninseln in eine gigantische rotbraune Staubwolke hüllte. „Die Flugexperten können sich nicht entsinnen, solch widrige Wetterverhältnisse auf den Kanaren schon einmal erlebt zu haben“, erklärte Spaniens Verkehrsminister José Luis Ábalos.

Sandsturm, geringe Sicht ­– das machte nicht nur den Piloten und ihren Passagieren das Leben schwer. Auch in den Städten und Dörfern des kanarischen Ferienparadieses, das jedes Jahr von Millionen Touristen besucht wird, herrschte Ausnahmezustand. Viele Karnevalszüge und Festveranstaltungen auf Teneriffa und Gran Canaria, zwei Hochburgen des närrischen Treibens, mussten abgesagt oder verschoben werden. Schulen und Universitäten blieben aus Sicherheitsgründen geschlossen.

Der Calima-Sturm machte zudem den Menschen das Atmen schwer: Viele Bewohner und Feriengäste versuchten, sich mit Tüchern oder Schutzmasken vor Nase und Mund zu schützen. Die gesundheitsschädliche Feinstaubbelastung der Luft war am Wochenende nirgendwo in der Welt so hoch wie auf den Kanaren. Sie lag um ein Vielfaches höher als in Chinas Hauptstadt Peking. „Schließen Sie Fenster und Türen“, mahnten die Behörden. „Und gehen Sie nicht raus, wenn sie an Atemwegserkrankungen leiden.“ Krankenhäuser und Arztpraxen erwarten wegen der extremen Feinstaub-Konzentration in den nächsten Tagen einen Ansturm von Patienten mit Gesundheitsproblemen.

Mehrere Waldbrände flammen auf

„Der Wüstenstaub legt sich über alles. Kein Mensch ist auf der Straße“, berichtete ein Twitter-Nutzer namens Lukas von der Insel Gran Canaria. Der alles verschluckende Sandnebel hinterlasse in den Städten den Eindruck einer „Endzeitstimmung“. Der Wüstenwind hatte die Luft auf nahezu 30 Grad aufgeheizt. Die Sonne war hinter Staubwolken verschwunden. Autos, Straßen und Hausdächer, waren von einer Sandschicht bedeckt. „So etwas haben wir noch nie gesehen“, berichteten mehrere Inselbewohner. Der heiße Wüstenwind fachte zudem auf Teneriffa und auf Gran Canaria mehrere heftige Waldbrände an.

Im grünen Norden Teneriffas, in der Umgebung der Stadt Puerto de la Cruz, mussten deswegen 1300 Menschen evakuiert werden. Auch mehrere Hotels wurden geräumt, weil sich die Flammenwände näherten. Wegen des Sandsturms konnten zunächst keine Löschflugzeuge starten. Am Boden kämpften derweil Feuerwehrmänner und Soldaten gegen das Wald- und Buschfeuer.

Wetterforscher warnen schon lange, dass im Zuge der globalen Erderwärmung die Zahl der Sandstürme auf den Kanarischen Inseln zunehmen und das Wüstenklima der Sahara herüberspringen könnte. Wegen der jüngsten extremen Wetterlage zeigte sich am Montag auch der kanarische Regierungschef Torres nachdenklich: „Der Klimawandel ist eine Wirklichkeit.“ Diese Sandunwetter und die Hitze von 30 Grad seien im Winter nicht normal. Er warnte vor einem Klimakollaps. Dieser, sagte Torres, könne die Zukunft des kanarischen Ferienparadieses gefährden.

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