Coronavirus-Ausbruch in Italien Mehr als 60 Nachweise des Coronavirus in Italien binnen Stunden

Rom/Seoul · Einige Zeit schien es, das neuartige Coronavirus könne weitgehend auf China beschränkt bleiben. Nun kommt es in immer mehr Ländern zu nicht sofort entdeckten Ausbrüchen. In Europa ist Italien schwer betroffen, die Fallzahlen in zwei betroffenen Regionen schnellen hoch.

 Italien, Codogno: Zwei Frauen gehen mit Mundschutz durch eine Gasse der Stadt. In Italien ist ein weiterer Mensch gestorben, der als Verdachtsfall einer Coronavirus-Infektion galt. In zehn Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen und Bewohner aufgerufen zuhause zu bleiben.

Italien, Codogno: Zwei Frauen gehen mit Mundschutz durch eine Gasse der Stadt. In Italien ist ein weiterer Mensch gestorben, der als Verdachtsfall einer Coronavirus-Infektion galt. In zehn Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen und Bewohner aufgerufen zuhause zu bleiben.

Foto: dpa/Luca Bruno

Es ist der weitaus schlimmste bekannte Ausbruch des neuen Coronavirus in Europa: In Italien ist inzwischen bei mehr als 60 Menschen Sars-CoV-2 nachgewiesen worden, zwei Menschen starben, wie örtliche Behörden mitteilten. 46 Infektionen wurden bis zum Samstagabend in der norditalienischen Lombardei erfasst, 12 in Venetien, einer in der Region Piemont. Der große Ausbruch in der Lombardei geht auf einen 38-Jährigen zurück, der schwer erkrankt in der Klinik der Kleinstadt Codogno behandelt und am Donnerstag positiv auf den Erreger getestet wurde. Inzwischen gibt es Überlegungen, den noch bis 25. Februar dauernden Karneval von Venedig eher zu beenden.

Zwei Todesfälle werden mit dem Virus in Verbindung gebracht. Bei einer am Donnerstag verstorbenen 77-Jährigen aus der Lombardei wurde Sars-CoV-2 posthum nachgewiesen, sie werde nun als Covid-19-Todesopfer geführt, auch wenn unklar sei, woran genau sie starb, teilte der Gesundheitsbeauftragte der Lombardei, Giulio Gallera, mit. Die Lungenerkrankung gilt auch bei einem 78-Jährigen aus Venetien als mutmaßliche Todesursache, wie ein Sprecher des italienischen Zivilschutzes mitteilte. Der Erreger wurde demnach unter anderem bei der Frau und einer Tochter des am Freitag verstorbenen Mannes nachgewiesen.

In einem Dutzend Gemeinden der Lombardei wurden Schulen und ein Großteil der Geschäfte vorübergehend geschlossen. Rund 50 000 Einwohner sind aufgerufen, möglichst zuhause zu bleiben. Großveranstaltungen wie Gottesdienste, Karnevalsfeste und Sportevents wurden verboten. Auch nahe der betroffenen Region liegende Städte wie Cremona und Piacenza schlossen Schulen und sagten Großveranstaltungen ab.

Auch in Venetien - dort ist die Gemeinde Vo nahe Padua betroffen - wurden Maßnahmen ergriffen, die eine weitere Ausbreitung des Virus verhindern sollen. Die Universitäten der Region sollten in der kommenden Woche schließen, teilte der Präsident der Region, Luca Zaia, mit. Noch diskutiert werde, ob der eigentlich bis Dienstag dauernde Karneval in Venedig vorzeitig beendet wird. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte kam zu Krisengesprächen mit der Zivilschutzbehörde des Landes zusammen.

Wo sich der schwer erkrankte 38-Jährige in Codogno ansteckte, auf den alle Fälle in der Lombardei zurückgehen, war zunächst unklar. Der Verdacht, er könnte sich bei einem kürzlich aus China zurückgekehrten Freund infiziert haben, bestätigte sich nicht: Tests hätten ergeben, dass dieser Mann nie mit dem Virus infiziert war, hieß es am Abend. Für den Ausbruch in Venetien wurde eine Einschleppung durch dort arbeitende chinesische Geschäftsleute vermutet. Der Fall im Piemont geht auf Kontakte zu Infizierten in der Lombardei zurück. Vor den zwei aktuellen Ausbrüchen waren in Italien erst drei Infektionen erfasst.

In Berlin landeten am Samstag sechs deutsche Passagiere der „Diamond Princess“, die im japanischen Yokohama zwei Wochen unter Quarantäne gestanden hatte. Die Rückkehrer aus Berlin, Niedersachsen und Hessen sollen vorsorglich zwei Wochen in häuslicher Quarantäne bleiben, um sicher ausschließen zu können, dass die mit Sars-CoV-2 infiziert sind. 32 Briten und andere Europäer von dem Kreuzfahrtschiff, die am Samstag in London landeten, sollen 14 Tage in einem Krankenhaus in Quarantäne bleiben. Auch für 19 italienische Rückkehrer wurde eine solche Quarantäne in einem Militärkomplex in Rom angewiesen.

Zwar waren alle von Bord gehenden Reisenden in Japan negativ auf das Virus getestet worden, bei mindestens drei von ihnen wurde der Erreger in ihrem Heimatland später aber doch nachgewiesen. Am Samstag wurde ein solcher Fall dann auch aus Japan bekannt: Bei einer zunächst negativ auf Sars-CoV-2 getesteten Frau in ihren 60ern sei das Virus nachgewiesen worden, berichtete der Fernsehsender NHK. Die Regierung in Tokio hatte die Frau ebenso wie Hunderte andere japanische Passagiere mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren lassen und keine weitere Quarantäne angeordnet. Diese Entscheidung war unter Experten auf Unverständnis gestoßen.

Insgesamt haben sich nach derzeitigem Stand weit über 600 der 3700 Passagiere und Crewmitglieder der „Diamond Princess“ nachweislich mit dem Virus angesteckt. Zwei japanische Passagiere starben, ein infiziertes Ehepaar aus Hessen wurde zunächst noch in einer japanischen Klinik betreut. Die Infizierten vom Schiff nicht mitgerechnet haben sich in Japan inzwischen bereits mehr als 100 Menschen mit Sars-CoV-2 angesteckt, darunter auch Kinder.

Auch auf der koreanischen Halbinsel spitzt sich die Lage zu: Wie die Gesundheitsbehörden am Samstag mitteilten, wurden in Südkorea binnen eines Tages 229 weitere Ansteckungen mit Sars-CoV-2 nachgewiesen. Damit stieg die Zahl erfasster Fälle auf 433. In keinem anderen Land außerhalb Chinas, wo Covid-19 im Dezember ausgebrochen war, wurden bisher mehr Infektionen gemeldet. Bisher sind zwei Todesfälle erfasst. Über 6000 Menschen stehen unter Quarantäne.

Die Mehrheit der neuen Fälle konzentriert sich auf die südöstliche Großstadt Daegu und deren Umgebung. Zu den Betroffenen gehören zahlreiche Mitglieder der Shincheonji Kirche Jesu. Als Ursprung gilt eine 61-jährige Anhängerin der christlichen Sekte, die trotz Krankheitssymptomen zunächst einen Virustest verweigert haben soll.

Im Iran, wo vom Gesundheitsministerium in kurzer Folge fünf Todesfälle bei Patienten mit Covid-19 gemeldet wurden, überschattete die Furcht vor dem Virus am Freitag die Parlamentswahl. In den Wahllokalen trugen viele Wähler und Wahlbeobachter Schutzmasken. Bis Samstag waren rund 30 Menschen positiv auf das Virus getestet worden, die tatsächliche Zahl Infizierter könnte aber weitaus höher liegen. In der Hauptstadt Teheran sind inzwischen in fast allen Drogerien, Apotheken und Supermärkten Desinfektionsmittel ausverkauft.

In China lag die Zahl in der offiziellen Statistik erfasster Infektionen am Samstag bei gut 76 000, mehr als 2300 Menschen starben an der Lungenkrankheit. Experten gehen von einer weitaus höheren Dunkelziffer in der Volksrepublik aus. Die mit Abstand meisten Todesfälle und Infektionen werden weiter aus der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei gemeldet, wo Covid-19 im Dezember in der Millionenstadt Wuhan ausgebrochen war.

Die Auswirkungen der Epidemie auf die chinesische Wirtschaft werden immer sichtbarer. Wie der chinesische Autoverband CPCA mitteilte, brachen die Verkäufe vom 1. bis 16. Februar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 92 Prozent ein. Waren 2019 in den ersten beiden Februarwochen noch 59 930 Autos verkauft worden, konnten die Händler jetzt nur noch 4909 Fahrzeuge absetzen.

Große Teile der chinesischen Wirtschaft sind wegen Covid-19 sowie den damit verbundenen Maßnahmen praktisch zum Erliegen gekommen. Für deutsche Hersteller wie Mercedes-Benz, Audi, BMW, Volkswagen und Porsche ist China der wichtigste Markt. Bei VW steht die Volksrepublik für gut 40 Prozent der Auslieferungen. Und bei der Umstellung auf Elektro-Autos sind die Konzerne auf Batteriezellen aus China angewiesen.

(dpa)
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