Theater Bonn Sebastian Kreyer inszeniert "Nullzeit" nach Juli Zeh

Bonn · Das stärkste Stück im Repertoire des Bonner Theaters war bisher das Drama "Generalintendant gegen Oberbürgermeister". Aber das lief leider nicht auf der Bühne. Jetzt arbeitet das Schauspiel weiter an seinem Profil, mit drei Premieren innerhalb einer Woche.

 Maskeraden ohne Ende auf Lanzarote: Szene aus "Nullzeit" nach Juli Zehs Roman in der Werkstatt.

Maskeraden ohne Ende auf Lanzarote: Szene aus "Nullzeit" nach Juli Zehs Roman in der Werkstatt.

Foto: Thilo Beu

Den Anfang machte am Samstag "Nullzeit" in der Werkstatt nach dem Roman von Juli Zeh. Am Donnerstag folgt "Welt am Draht" in der Halle Beuel. Letzter Teil der Inszenierungs-Trilogie ist am kommenden Samstag Ibsens "Wildente" in den Kammerspielen Bad Godesberg.

Juli Zeh, geboren in Bonn, schreibt Bücher, die in anderen Medien eine neue Existenz annehmen. Ihr Roman "Schilf" aus dem Jahr 2007 erlebte in der Regie von Claudia Lehmann 2012 seine Wiedergeburt im Kino. Es war ein spekulativer Ausflug in physikalisch angeblich mögliche Paralleluniversen; und ein verkopfter, stellenweise naiv anmutender Psycho-Thriller.

Der Roman "Nullzeit", erschienen 2012, ist nun ein Fall fürs Theater. Bernhard Studlar hat ihn für die Bühne bearbeitet, Sebastian Kreyer sich als Regisseur des Stoffes angenommen. Seine Uraufführung in Anwesenheit der am Ende mitgefeierten Autorin wollte nun alles andere als abstrakt und gedankenblass sein. Stattdessen verfeuerte Kreyer viele von den Ideen und Spaßtheater-Elementen, die eine Regiegeneration seit vielen Jahren an die nächste weiterreicht. Die Infantilisierung des Theaters ist schon ganz schön alt.

Vier Schauspieler, Jonas Minthe und Sophie Basse, Johanna Falckner und Glenn Goltz, rennen, singen und tanzen, erstarren plötzlich, spielen mit Theaterkonventionen, flirten mit der Souffleuse Kerstin Heim. Immer wieder wenden sie sich mit Mikro ans Publikum, erzählen rückblickend, was so alles passiert ist und wie die Figuren sich gerade fühlen. Der Abend, der mehrere Zeitebenen umfasst, hat so stellenweise den Charakter einer szenischen Lesung. Es gibt Maskeraden ohne Ende, als sei immer noch Karneval. Sophie Basse verwandelt sich mit Blondhaar-Perücke in eine greise Leni Riefenstahl. Und in "Frau Antje": Achtung, Holländer-Witz! Glenn Goltz lässt Seifenblasen steigen, gesoffen und gequalmt wird auch. Dazu gibt's Projektionen vom Tiefseetauchen. Die Musik ist gut und laut, arrangiert hat das eine der Schauspielerinnen: "Sounddesign Sophie Basse", sagte Sophie Basse.

Worum geht es in "Nullzeit"? Der Ort ist Lanzarote, wo die Aussteiger Sven (Jonas Minthe) und Antje (Sophie Basse) eine Tauchschule mit angeschlossener Unterkunft betreiben. Jola (Johanna Falckner) und Theo (Glenn Goltz) haben einen exklusiven Urlaub bei Sven und Antje gebucht. Theo ist ein mäßig erfolgreicher Autor, Jola eine mäßig erfolgreiche Schauspielerin.

Beide Paare befinden sich in der Beziehungskrise, es fliegen boshafte Bemerkungen wie giftige Pfeile durch die Luft. Und natürlich überkreuzen sich die sexuellen Interessen. Genug Material für ein emotional aufgeheiztes Kammerspiel, das perfekt in die Werkstatt passen würde. Genug Material auch, um sich dem Kern des Dramas zu nähern: der offensichtlichen Banalität des Lebens oben auf der Erde und den unendlichen Möglichkeiten und Hoffnungen, für die das tiefe Meer steht.

Aber auf der Bühne, die Lena Thelen als einladenden Rahmen gestaltet hat, mit verlockend gedeckter Tafel, Teelichtern und Inselsand, geht es ab wie meistens im Theater der Gegenwart (siehe oben). Im Laufe der 110 "Nullzeit"-Minuten kommen die Schauspieler dem Publikum in der ersten Reihe ganz nah - physisch, aber nicht emotional. Dieses Stück der verlorenen Illusionen ist einfach zu munter.

Und doch hat die Bonner "Nullzeit" unwiderstehliche Momente. Das liegt zum einen an der Spielfreude des Ensembles; sein Pläsier ist ansteckend. Zum anderen opponieren die Schauspieler mit kleinen, suggestiven Miniaturen gegen den Klamauk. Jonas Minthe zum Beispiel erfüllt die Figur des Sven am Ende mit leiser Melancholie, dazu spielt er Akkordeon. Auch Sophie Basse, Johanna Falckner und Glenn Goltz werden immer wieder substanziell. Mehr davon wäre mehr gewesen. Viel Beifall.

Die nächsten Vorstellungen: 12., 14., 25. und 27. März; Karten gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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