Telekom Competition Halbfinale bot hohes Niveau

Bonn · Er hat uns sehr viel Freude bereitet", sprach Jurypräsident Pavel Gililov zu Beginn des Halbfinales der Telekom Beethoven Competition ins Mikrofon und meinte damit den ausgeschiedenen Thomas Wypior, dessen Klavierspiel auch dem Publikum so gut gefallen hatte, dass es ihn nach der zweiten Runde zum Favoriten kürte.

Dass dieser Pianist trotz der grandios bewältigten zweiten Runde am Donnerstag gar nicht zum Halbfinale angetreten war, hatte, wie auf Nachfrage zu erfahren war, einen formalen Grund: Statt eines Stücks aus dem 21. Jahrhundert, wie es der Wettbewerb in seiner Ausschreibung unter anderem für die dritte Runde verlangt, hatte er eines aus dem 20. Jahrhundert einstudiert. Warum dies der Jury nicht schon früher aufgefallen war, erläuterte Jury-Präsident Pavel Gililov am Donnerstag so: "Es war nicht deutlich, dass das Stück ,Disegno' von Anders Eliasson nicht aus dem 21. Jahrhundert stammt, es ist nicht veröffentlicht."

Man habe ihm dann angeboten, ein anderes Stück aus dem 21. Jahrhundert zu spielen. Gililov: "Er schlug daraufhin ein kurzes Stück von Kurtág vor, ,Tote Blätter'." Nach einer Bedenkzeit habe sich Wypior jedoch aus persönlichen Gründen gegen eine Teilnahme am Halbfinale entschieden. Ein Wiederhören mit Wypior wird es, wie die Veranstalter ankündigten, trotzdem geben, wenn der Publikumsliebling am Sonntag, 18 Uhr, das Favoritenkonzert des Beethoven-Hauses im Kammermusiksaal bestreitet.

Bevor am Donnerstag jedoch die fünf verbliebenen Pianisten um die drei Finalplätze spielten, wandte sich Gililov mit einem großen Lob ans Publikum, das täglich zu Hunderten in die Telekom-Zentrale pilgerte. Viele Klavierenthusiasten saßen bis zu sechs Stunden am Tag im großen Saal der Telekom-Zentrale. "Ich muss Ihnen noch einmal sagen: Sie sind unglaublich", sagte Gililov, "das wird in die Musikgeschichte eingehen". Und fand dafür die griffige Formel: "Das Wunder von Bonn."

Für die fünf Kandidaten stiegen nach Wypiors Ausscheiden rechnerisch die Chancen. Dass am Ende Soo-Jung Ann, Stefan Cassomenos und Shinnosuke Inugai das Rennen machten, überraschte aber nicht. Dem 21-jährigen Georgier Nicolas Namoradze, der gestern den Wettkampf vor den kritischen Ohren der Jury eröffnet hatte, fehlte etwa in Alban Bergs Klaviersonate noch ein bisschen der entschiedene Zugriff, um deren expressives Potenzial vollends auszuschöpfen. Und Sofia Gülbadamova schien ein zu wenig aussagekräftiges Programm ausgewählt zu haben.

Im Halbfinale der Beethoven Competition bilden traditionell aktuelle Musik und die Klassische Moderne das Gegengewicht zu Beethoven, aus dessen Sonatenkosmos in diesem Stadium des Wettbewerbs vor allem die frühen Sonaten gefragt sind. Darüber hinaus wird das Halbfinale als Kammermusikrunde des Wettbewerbs gewertet.

In diesem Jahr standen Sätze aus Beethovens Horn-Sonate auf dem Pflichtprogramm. In Premysl Vojta, Solohornist der Staatskapelle Berlin und Beethoven-Ring-Preisträger des vergangenen Jahres, hatte man für die Teilnehmer einen idealen Kammermusikpartner gefunden, der sich mit größter Flexibilität auf jeden einzustellen wusste. Er begann einen feinen Dialog mit der Südkoreanerin Soo-Jung Ann und ließ sich von dem klassizistisch schlanken und impulsiven Spiel des Australiers Stefan Cassomenos mitreißen.

Cassomenos' Auftritt war sicherlich der Höhepunkt des Halbfinales. Er begann mit dem jüngsten Stück, Carl Vines "Toccatissimo" aus dem Jahr 2011. Es ist von der Schwierigkeit her sozusagen das mathematische Produkt aus Schumanns und Prokofjews "Toccata", aber für Cassomenos, der es mit großer Bravour spielte, stellte das kein Problem dar. In der f-Moll-Sonate op. 2 Nr. 1 von Beethoven präsentierte er mit seiner Sturm-und-Drang-Interpretation einen überzeugenden Gegenentwurf zu Sofia Gülbadamovas mehr an Schuberts Klangwelt orientierter Sichtweise.

Die Finalisten

Soo-Jung Ann, Stefan Cassomenos und Shinnosuke Inugai heißen die Finalisten der International Telekom Beethoven Competition Bonn 2013. Das Finale findet am Samstag, 14. Dezember,19 Uhr, in der Beethovenhalle statt. Soo-Jung Ann spielt das vierte, Stefan Cassomenos das fünfte und Shinnosuke Inugai das erste Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven. Die Finalisten werden begleitet vom Beethoven Orchester unter Leitung des Gastdirigenten Olari Elts. Das Finale ist ausverkauft. WDR 3 zeichnet es auf und sendet den Mitschnitt am 27. Dezember 2013 um 20.05 Uhr.

Shinnosuke Inugai spielte aus dem Repertoire der klassischen Moderne Béla Bartóks Klaviersonate Sz. 80, deren Finale er furios zum Klingen brachte. Während das Allegretto aus Beethovens weniger populärer Klaviersonate in F-Dur op. 54, die das Pech hat im Werkkatalog des Komponisten zwischen den Giganten "Waldsteinsonate" (op. 53) und Appassionata" (op. 57) zu stehen, eher etwas spannungsarm wirkte, demonstrierte der Japaner in Strawinskys herzlos schweren "Trois mouvements de Pétrouchka" ganz große Virtuosenkunst. Und nicht nur das. Im wilden Trubel des dritten Satzes "La semaine grasse" blitzte immer wieder ein ganz feiner Humor auf. Auf das Finale am Samstag darf man sich freuen.

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