GA-Interview "Die Beethovenstadt bleibt noch unter ihren Möglichkeiten"

BONN · Beethovens Geburtshaus in der Bonngasse ist Museum, Forschungszentrum, Verlag, Konzertsaal und verfügt über die größte Beethoven-Sammlung weltweit. Direktor des Beethoven-Hauses ist seit 2012 der Kulturmanager Malte Boecker, Jahrgang 1970. Mit ihm sprach im GA-Interview Bernhard Hartmann.

 Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses, sieht noch viel Handlungsbedarf in Bonn, damit das Beethovenjahr 2020 in der Geburtsstadt des Komponisten adäquat gefeiert werden kann.

Malte Boecker, Direktor des Beethoven-Hauses, sieht noch viel Handlungsbedarf in Bonn, damit das Beethovenjahr 2020 in der Geburtsstadt des Komponisten adäquat gefeiert werden kann.

Foto: Volker Lannert/dpa

Ist Bonn auf einem guten Weg Beethoven 2020 angemessen zu feiem?
Malte Boecker: Im Kammermusiksaal hängt zur Zeit ein besonderes Beethovenporträt - die weltweit erste Darstellung eines weinenden Beethoven. Man darf das durchaus als Kommentar auf Bonn verstehen. Zwar passiert einiges. Aber die Beethovenstadt bleibt noch unter ihren Möglichkeiten. Anspruch und Wirklichkeit klaffen meiner Meinung nach auseinander. Relevante Fragen werden diskutiert, aber nicht hinreichend geklärt: Wo feiern wir? Wer konzipiert das inhaltliche Programm? Welcher dramaturgischen Idee folgt alles? Wie sieht der finanzielle Rahmen aus? Am 16. Dezember 2019 soll das Beethovenjahr starten. Viel Zeit bleibt nicht.

Man hört immer wieder, Beethoven werde auf der ganzen Welt gespielt, deshalb könne man seinen Geburtstag auch überall auf der Welt feiern, unabhängig von der Stadt, in der er zufällig geboren wurde?.Inwiefern steht Bonn trotzdem in einer besonderen Verantwortung?
Boecker: Stimmt schon, Beethoven ist Allgemeingut. Bonn kann 2020 nicht für sich allein beanspruchen. Richtig ist aber auch, dass Beethoven ein Drittel seines Lebens hier lebte. Was die Welt an Beethoven fasziniert, wurde in Bonn geprägt. Die Frage lautet: War die Geburt ein Zwischenfall ohne Folgen? Inwieweit hat sich sein Vermächtnis in die städtische Identität eingeschrieben? Geht das uns heute was an? Wollen wir das lebendig halten? Wollen wir Beethovenstadt sein und das für das Image der Stadt nutzen.

Beethovens StadtLudwig van Beethoven wurde am 17. Dezember 1770 in Bonn getauft. Seine Heimatstadt, wo er zuletzt Organist und Bratschist der weit über die Grenzen der Stadt berühmten Hofkapelle des Kurfürsten Max Franz war, verließ er 1792 im Alter von fast 22 Jahren, um in Wien bei Joseph Haydn Komposition zu studieren. Nach der Besatzung Bonns durch die napoleonischen Truppen 1794 und der Flucht des Kurfürsten war für Beethoven an eine Rückkehr als Musiker nach Bonn nicht mehr zu denken.

Welche Chancen hat Bonn denn überhaupt, sich nach dem Aus für das Festspielhaus im globalen Konzert der Feierlichkeiten zu behaupten?
Boecker: Der neue Konzertsaal hatte das Potenzial zum Wahrzeichen. Am Ende entscheidet aber keine Hülle, sondern die inhaltliche Idee, ob man wahrgenommen wird. Beethoven begeistert aus meiner Sicht deshalb weltweit, weil er eine Art künstlerische "DNA" für die Kultur der Gegenwart geschaffen hat. Wir werden gehört, wenn wir erfahrbar machen, was uns diese DNA heute noch angeht. Bonn kann dazu viel beitragen: die authentischen Orte, eine kontinuierliche Beethovenrezeption und herausragende Kulturschaffende. Jetzt geht es darum ein Momentum zu erzeugen, das kreative Energien freisetzt.

Sie koordinieren im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters die nationale Ebene im Hinblick auf das Beethovenjahr. Was bedeutet das konkret, und wie steht Bonn im Vergleich da?
Boecker: Der Bund sieht Beethoven als nationale Aufgabe. Die Kulturstaatsministerin hat deshalb eine Gruppe von elf Bundesinstitutionen zu 2020 initiiert. In der Kontaktgruppe sitzen fünf Institutionen aus Bonn: Die Deutsche Welle, das Haus der Geschichte, die Bundeskunsthalle, der Deutsche Musikrat und das Beethoven-Haus. Dieses Kraftzentrum nutzen wir für Bonn. Wir verständigen uns in dieser Kontaktgruppe gerade auf programmatische Leitlinien, erste Projekte und kommunikative Ansätze. Wir sind recht weit, weil wir rein inhaltlich vorgehen können ohne städtebauliche oder infrastrukturelle Erwägungen. Außerdem ist die Finanzierungsseite beim Bund wenig problematisch.

Die Stadt selbst hat Anfang des Jahres eine Geschäftsstelle Beethoven 2020 eingerichtet. Wie klappt die Zusammenarbeit?
Boecker: Die Geschäftsstelle befindet sich im Aufbau. Der Oberbürgermeister will, dass sie gemeinsam mit mir die Schnittstelle zum Bund gestaltet. Erste Abstimmungen laufen auch schon.

Es gibt in Bonn neben den mit öffentlichen Geldern finanzierten Einrichtungen Beethoven-Haus, Beethoven Orchester und Beethovenfest private Initiativen. Wie läuft da nach Ihren Beobachtungen die Koordination untereinander?
Boecker: Für die freien Initiativen gibt es noch keinen Rahmen der Beteiligung in Bezug auf 2020. Die Kulturverwaltung hat die freie Szene im September zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Das Feld wird sich dann sicher formieren.

Man hört, gerade auch nach dem Aus für das Festspielhaus, Stimmen, die dafür plädieren, ohne Mitwirkung der Stadt etwas auf die Beine zu stellen. Halten Sie das für eine gute und praktikable Idee?
Boecker: Jedes Engagement ist gut. Aber ich hoffe doch, dass es gelingt, die Aktivitäten in ein Gesamtkonzept einzubinden und die Fragmentierung zu überwinden.

Für die Finanzierung der Überarbeitung der Ausstellung im Beethoven-Haus hat der Bund 1,5 Millionen Euro zugesagt. Wie sieht es mit der Gesamtfinanzierung aus?
Boecker: Leider steht die Gesamtfinanzierung noch nicht. Bei anderen Großprojekten zu 2020 sind wir mit der Finanzierung weiter. Das ist verwunderlich. Das Beethoven-Haus gehört zu den 100 wichtigsten touristischen Zielen in Deutschland. Das Museum attraktiver zu gestalten, ist aus meiner Sicht das nachhaltigste und potenziell imageträchtigste Vorhaben. Da sollte es möglich sein, dass sich neben dem Bund weitere Akteure substanziell beteiligen.

Was soll geändert werden und wie weit sind da die Vorbereitungen?
Boecker: Die jetzige Dauerausstellung stammt aus den 90er Jahren. Ich sehe Anpassungsbedarf an sich wandelnde Nutzerstrukturen und Erwartungen. Es kommt darauf an, die Präsentation zeitgemäß zu gestalten; die Exponate stärker zu kontextualisieren; und je nach Besucherinteresse unterschiedliche Vertiefungsebenen anzubieten. Schließlich wollen wir die musikalischen Erfahrungsräume ausbauen. Die Besucher kommen ja vor allem wegen der Musik nach Bonn und sollen diese dann auch erleben. Die inhaltliche Konzeption steht weitestgehend. Als nächsten Schritt wollen wir einen Ausstellungsgestalter einbinden - dafür muss aber die Finanzierung gesichert sein.

BeethovendenkmälerDas berühmteste Bonner Beethoven-Denkmal steht auf dem Münsterplatz und wurde zu Beethovens 75. Geburtstag 1845 enthüllt. Neben dem Werk des Bildhauers Ernst Julius Hähnel gibt es noch weitere Skulpturen, die an den größten Sohn der Stadt erinnern. Unter anderem Peter Christian Breuers "Sitzender Beethoven" in der Rheinaue, der ursprünglich am Alten Zoll platziert war. Dort steht heute die jüngste und wohl auch umstrittenste plastische Würdigung des Komponisten: Markus Lüpertz' "Hommage an Beethoven"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort