Bonner Perspektiven 2020 Das Feuer für Beethoven brennt auf Sparflamme

BONN · Bonner Perspektiven 2020: Die Musikwelt feiert den 250. Geburtstag Ludwig van Beethovens. Seine Geburtsstadt Bonn müsste im Jubiläumsjahr eine besondere Rolle übernehmen. Doch dafür erforderliche Strukturen sind noch nicht zu erkennen´.

"Macht Bonn zu einem Wallfahrtsort für Beethoven!" Nicht weniger forderte der Dirigent Kurt Masur 2007 in einem Interview mit dieser Zeitung. Der an die Bonner gerichtete Satz mag pathetisch klingen. Der Begriff Wallfahrtsort riecht denn doch sehr nach Weihrauch, und eine Haltung unkritischer Verehrung schwingt in dem Wort mit, die einem kritischen Geist, zu dem Beethoven in der aufgeklärten Atmosphäre seiner Bonner Jugend geworden ist, nicht gerecht wird. Aber dennoch hat Masur nicht unrecht.

Die Beethovenstadt sollte ein Zentrum der Auseinandersetzung mit Leben, Werk und Wirkung Ludwig van Beethovens sein und dies im Jubiläumsjahr 2020, wenn die Welt den 250. Geburtstag des Komponisten feiert, sichtbar werden lassen.

Es dürfte in der Stadt nur wenige geben, die da Einwände ins Feld führen wollen. Dennoch laufen die Vorbereitungen auf das Jahr eher schleppend, und eine inhaltlich tragfähige Strategie ist auch nicht wirklich zu erkennen.

Viel Zeit für die Planung und ihre konkrete Ausarbeitung bleibt aber nicht mehr: Das Jubiläumsjahr soll bereits ein Jahr vor dem eigentlichen Feiertag, am 16. Dezember 2019, eingeläutet werden. Bis dahin sind es gerade einmal vier Jahre und drei Monate.

In den letzten zehn Jahren gab es zwei Begriffe, die zu einem Synonym verschmolzen waren: Jubiläumsjahr und Festspielhaus. Ganz gleich, ob sich Befürworter oder Gegner zu Wort meldeten: Es ging immer um die Immobilie. Sie bot eine Reibungsfläche, an der sich Emotionen und leidenschaftliche Diskussionen entzündeten.

Viele Bürger opferten ihre Freizeit und sehr viel Energie für das Projekt Festspielhaus - oder für den Erhalt der Beethovenhalle. Nachdem die Post als Hauptsponsor sich im Juni endgültig aus dem Festspielhausprojekt zurückgezogen hat, brennt das Feuer Beethovens in Bonn nur noch auf Sparflamme, als hätte man den Gashahn zugedreht. Enthusiasmus sieht anders aus.

Besonders sichtbar wurde dies zuletzt bei der gescheiterten Suche nach einem neuen Generalmusikdirektor (GMD), der Stefan Blunier im Sommer nächsten Jahres im Amt nachfolgen sollte. Hier fehlte letztlich der unbedingte Wille zum Handeln. Ein neuer GMD wird seinen Dienst erst nach der auf ein Jahr befristeten Interimslösung mit dem Dirigenten Christof Prick im August 2017 antreten können.

Dann sind es nur noch zwei Jahre bis zum Stichtag. Schwierig, in diesem knappen Zeitraum eine dramaturgisch wirklich ausgeklügelte, fantasievolle und facettenreiche Spielzeit fürs Jubiläumsjahr auszuarbeiten, die vielleicht auch mal aus den gewohnten Konzertritualen ausbricht.

Zudem wird das Beethoven Orchester ins WCCB als Ausweichquartier umziehen müssen, sollte im Herbst 2016 im Anschluss an das Beethovenfest mit der Sanierung der Beethovenhalle begonnen werden.

Auch hier ist der Zeitplan sehr eng. Dass es immer mal zu Verzögerungen kommen kann, erlebt man gerade schmerzhaft in Bonns Nachbarstadt Köln, wo die - freilich sehr viel aufwendigeren - Sanierungsarbeiten am Opernhaus nicht zum geplanten Zeitpunkt im kommenden November fertiggestellt werden können und die komplette Opernsaison 2015/16 nun auf der Kippe steht. Ein solches Szenario wäre für Bonn im Jahre 2020 eine Katastrophe.

Und inhaltlich? Es gibt ein paar Ideen: Bereits im Vorfeld des Jubiläumsjahres soll eine Wanderausstellung des Beethoven-Hauses durch die Konzerthäuser der Welt touren, in der Bundeskunsthalle ist eine große Ausstellung geplant, von einem Open-Air-Konzert ist die Rede und von einem besonders ausgestatteten Beethovenfest. Hinzu kommen die privaten Initiativen etwa der "Bürger für Beethoven" oder der Initiative "Ludwig van B.".

Der Kabarettist Konrad Beikircher bereitet ein etwas anderes Symposium zum Jubiläumsjahr vor, und die Pianistin Susanne Kessel lässt bis zum 250. Geburtstag Beethovens 250 Musikstücke von ebenso vielen Komponisten schreiben, die sie bis 2020 auch uraufgeführt haben will. Spannend ist auch die Initiative von Beethovenfest-Intendantin Nike Wagner, die bis 2020 jährlich einen zeitgenössischen Komponisten Musik über sein Lieblingswerk von Beethoven schreiben lässt.

Aber Beethoven ist nicht nur ein Komponist für Komponisten, nicht nur ein Musiker für Musiker. Die Modernität Beethovens und mithin seine Nähe zu uns heute lebenden Menschen liegt eben auch in seiner Haltung, die sich in der Kompromisslosigkeit seiner Kunst widerspiegelt. Eine Kompromisslosigkeit, die nicht elitär ist.

Er konnte, wie in der neunten Sinfonie, die ganze Menschheit umarmen, zugleich auch, wie in den späten Klaviersonaten und Streichquartetten, die tiefsten inneren Nöte eines Individuums artikulieren. In seinen Werken ist nicht nur der hohe Ton, sondern auch derber Humor zu Hause. Diese Universalität macht seine Humanität aus.

Es gibt gute Gründe für Bonn, stolz auf Beethoven zu sein. Und sein Erbe mit den Menschen weltweit zu teilen. Man muss sich nur endlich Gedanken darüber machen, wie das geschehen soll.

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