Gabriel Zuchtriegel Bonner wird Direktor des archäologischen Parks in Paestum

Bonn/Salerno · Gabriel Zuchtriegel, 34, ist der neue Direktor des archäologischen Parks in Paestum bei Salerno. Die Stätte mit den griechischen Tempeln liegt rund 100 Kilometer südlich von Neapel und gehört zum Unesco-Weltkulturerbe.

 Steile Karriere: Gabriel Zuchtriegel kennt Italien seit seinem Archäologie-Studium.

Steile Karriere: Gabriel Zuchtriegel kennt Italien seit seinem Archäologie-Studium.

Foto: privat

Zusammen mit 19 anderen Historikern und Archäologen wurde der Ravensburger vom italienischen Kulturminister nach einer internationalen Ausschreibung für die bedeutendsten staatlichen Museen und Kulturstätten nominiert. Mit Zuchtriegel sprach Julius Müller-Meiningen.

Sie sind erst 34 Jahre alt, stammen aus Deutschland und werden nun Direktor einer der wichtigsten Kulturstätten in Italien. Wie erklären Sie sich diesen rasanten Aufstieg?
GabrielZuchtriegel: Ich freue mich sehr über die Nominierung, war ehrlich gesagt aber auch überrascht. Als Mitarbeiter des archäologischen Instituts der Universität Bonn war ich an der Selinunt-Grabung auf Sizilien beteiligt, seit 2012 arbeite ich an der Universität der Basilikata und beschäftigte mich dort mit der griechischen Kolonie Herakleia. Von daher habe ich mich auch mit Paestum, ebenfalls eine griechische Kolonie, viel beschäftigt. In der Bewerbung kam es auf Erfahrung, aber auch auf Ideen an. In der Summe habe ich die Experten-Kommission anscheinend überzeugt.

Welche Ideen haben Sie für Paestum?
Zuchtriegel: Für ganz konkrete Pläne ist es jetzt noch ein bisschen früh. Aber in Paestum wird es auch um Management-Ideen und um Kommunikation gehen. Ich würde gerne mit den vielen Gemeinden, Kulturstätten und Museen in der Gegend gemeinsam eine Strategie für Paestum und Umgebung entwickeln. Das dortige Museum könnte der Knotenpunkt sein, ich stelle mir auch Restaurants, einen Bookshop oder Familienangebote vor. Die Vitrinen und die Tempel sollen das Herz für einen kulturellen Dreh- und Angelpunkt werden. Ich wünsche mir, dass Paestum ein Ort wird, an den man gerne zurückkommt.

Kann davon bislang nicht die Rede sein?
Zuchtriegel: Paestum liegt nicht etwa tot darnieder. Jährlich kommen fast 300.000 Besucher. Die Stätte liegt ein wenig abseits, hat aber ein enormes Potenzial. In der europäischen Kunstgeschichte spielt der Ort mit seinen Tempeln eine sehr wichtige Rolle. Ein bisschen Paestum ist überall, zum Beispiel wenn man an das den Tempeln von Paestum nachempfundene Alte Museum von Schinkel in Berlin denkt. Schinkel war dort, auch Goethe oder Piranesi. In Paestum steht einer der am besten erhaltenen klassischen Tempel überhaupt. Dieses Nachleben, dieses Potenzial möchte ich den Besuchern, Kindern und Schulklassen vermitteln.

Um das Kulturwesen in Italien ist es nicht besonders gut bestellt, auch deswegen sollen nun viele internationale Fachleute die Museen und Kulturstätten voranbringen. Wie erleben Sie Italien?
Zuchtriegel: Ich lebe seit vier Jahren in Italien und war schon während des Studiums dort. Ich fühle mich insofern nicht als Fremdkörper, sondern auch ein bisschen italienisch. Ich verdanke dem Land viel, habe dort viel gelernt. Auch nach Paestum gehe ich als Lernender. 50 Prozent meiner Arbeit wird Zuhören sein.

Ist Ihnen bange vor der Bürokratie und den alten Privilegien, die gerade im italienischen Kulturbetrieb Neuerungen behindern?
Zuchtriegel: Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte keine Angst. Natürlich habe ich auch gemischte Gefühle und weiß, dass es nicht einfach werden kann. Aber man muss sagen, dass diese Zustände von der Presse zuweilen auch hochgespielt werden. Sicher wird es nicht einfach, aber ich glaube an den Dialog und daran, dass man Lösungen finden kann.

Wie kam Ihr Interesse für die Archäologie?
Zuchtriegel: Ich bin in Ravensburg aufgewachsen und wurde als Schwabe sozialisiert, obwohl meine Eltern aus Bayern stammen. Als Kind besuchte ich einst das Bauernhaus-Museum in Wolfegg. Damals hat mich eine alte Türschwelle sehr beeindruckt. Sie war so abgenutzt, und ich fragte mich, wer da wohl alles schon drüber spaziert ist. Das hat mich fasziniert, dieses Leben und die Menschen dahinter. Diese Fragen interessieren mich bis heute. Es muss nicht immer nur griechisch-römisch sein.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCamp Neue Musik zwischen Wohnwagen
Aus dem Ressort
Im Kunstrausch
Start in die Bonner Ausstellungssaison Im Kunstrausch