Erinnerungsband "Mein Leben. Die Jahre von 1927 bis 1968" Alfred Neven DuMonts: Einem Urknall entsprungen

BONN · Was für ein Vorwort! Geschrieben von einem alten Mann, der die Gnade des Schlafs schätzt, aber nicht die Albträume. Sie erscheinen ihm einerseits "wie ein Vorgriff auf die Hölle", andererseits als Ausgleich für das Glück der Tage. Alfred Neven DuMonts Erinnerungsband "Mein Leben. Die Jahre von 1927 bis 1968" erscheint am Mittwoch.

 Prominente Gäste im Pressehaus an der Breite Straße: (von links) Kurt Neven DuMont, Romy Schneider, Alfred Neven DuMont und Hans Herbert Blatzheimer, Romy Schneiders Stiefvater.

Prominente Gäste im Pressehaus an der Breite Straße: (von links) Kurt Neven DuMont, Romy Schneider, Alfred Neven DuMont und Hans Herbert Blatzheimer, Romy Schneiders Stiefvater.

Foto: Dumont

Und die Memoiren, die Alfred Neven DuMont so einleitet, sieht er einem Urknall entsprungen, mit dem sein Kopf "Hunderte und Aberhunderte Papierfetzen" ausspuckte - "die Zettel, die mein Leben ausmachen".

Ein großes, formatsprengendes Verlegerleben, das am 30. Mai nach 88 Jahren endete, weshalb dieser erste Band über die Zeit von 1927 bis 1968 keinen Nachfolger mehr bekommt. Dies muss man bedauern, denn der Kölner Zeitungsmann macht "Mein Leben" über die Privatsache hinaus zum Brennglas des Zeitgeschehens.

Von Hitlers Machtergreifung (dem fast sechsjährigen Knirps triumphierend von der Köchin Frau Bröhl verkündet) bis zu den 68er Unruhen spannt sich ein schillernder Bogen. Ein Leben wie ein Kolossalgemälde mit Goldrahmen: In der großbürgerlichen Villa "auf der Marienburg" ist Alfred "der kleine Lord". An der rauen Bonner Straße aber endet das Reich des "Muttersöhnchens", das für den Schulweg den Beschützer Robby braucht.

Die Welt seines Verlegervaters Kurt, der die "Kölnische Zeitung" nicht vor der Gleichschaltung retten kann, bleibt ihm anfangs fern, während der Krieg dem Jungen den "Kitzel der Gefahr" bringt. Und da Mutter Gertrud die Tochter des Malerfürsten Franz von Lenbach ist, gibt es immer wieder Fluchten ins bayerische Luxus-Exil mit Münchner Palais und Starnberger Villa.

"Ich wollte Schauspieler, Regisseur und Schriftsteller werden", erinnert sich Neven DuMont, der tatsächlich etwa unter Otto von Falckenbergs Regie mit 18 Jahren neben seinem Freund Charles Regnier oder Maria Wimmer auf bayerischen Brettern steht. Zwar sieht sich der Mime als "ein am Ende vorübergehender Star".

Doch er ist Kronzeuge beim Versöhnungsgespräch von Gustaf Gründgens und Fritz Kortner, trifft W.H. Auden und Eduard Bargheer.

Diese temperamentvollen, selbstbewussten Memoiren sind Zeugnis großer Lebens- und Liebesgier: Da gibt es Tokayer und Küsse in Münchens schlimmster Bombennacht, weite Reisen und immer neue Amouren, wobei die Schlafzimmertüren für den Leser diskret verschlossen bleiben.

Neven DuMonts Umgang mit Schlüsselerlebnissen verrät den versierten Journalisten. Er schildert, wie er einer Frau mit Davidstern über die Straße hilft, was ein Zeuge rüde tadelt, oder er beschreibt die Rückkehr ins zerstörte Köln ("Wie konnte man hier leben?").

Höchst amüsant rekonstruiert er die publizistischen Lehrjahre des "hochfahrenden, verwöhnten jungen Manns" etwa als schikanierter Abonnentenwerber für die "Süddeutsche Zeitung".

Wie er dann als Nachfolger seines zermürbten Vaters aus den Trümmern des Unternehmens mit "Kölner Stadt-Anzeiger" und "Express" ein erfolgreiches Presse-Imperium schmiedet, liest sich schon eher wie eine Firmenchronik. Wobei die beinharten Revierkämpfe mit Reinhold Heinen und der nur anfangs marktführenden "Kölnischen Rundschau" durchaus faszinieren.

1966 beginnt die fast 50-jährige Ehe mit Hedwig Neven DuMont. Dass dieses nur bis 1968 reichende Buch davon wenig erzählt, bedauert Tochter Isabella im warmherzigen Nachwort. Dabei enden auch diese unvollendeten Memoiren mit einem wunderbaren Satz. Der Verfasser erinnert sich an die zweite Schwangerschaft seiner Frau und schreibt: "Es war Frühling, und wir freuten uns auf Isabella."

Alfred Neven DuMont: Mein Leben. Die Jahre von 1927 bis 1968. DuMont Buchverlag, 399 S., 22,99 Euro.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort