Reisebericht Travemünde und Lübeck werden 875 Jahre alt

Travemünde · Das Ostseestädtchen Travemünde hat sich herausgeputzt und feiert mit der großen Schwester Lübeck das 875-jährige Bestehen. Auf der Halbinsel Priwall sind moderne Ferienwohnungen für Familien entstanden. Es gibt immer mehr Kurzurlauber.

 In der Skyline des Ostseestädtchens Travemünde mischen sich alte und neue Fassaden.

In der Skyline des Ostseestädtchens Travemünde mischen sich alte und neue Fassaden.

Foto: Jörg Manhold

Travemünde putzt sich heraus. Denn es feiert mit seiner großen Schwester Lübeck den 875. Geburtstag. Zum Stadtjubiläum möchte das Ostseestädtchen gut aussehen. Und so sind die Arbeiten in vollem Gange. Vieles ist schon fertig. Auf der Halbinsel Priwall, direkt an der Ostseemündung der Trave, entstehen gerade unter der Regie der dänischen Firma Novasol etliche Promenadenvillen mit Ferienwohnungen auch für Familien. Außerdem ein Aparthotel, ein

Beachclub, eine Activity-Halle für regnerische Tage und ein Fischrestaurant. Insgesamt 500 an der Zahl. Die Tourismusförderer reagieren darauf, dass es immer mehr schnell entschlossene Kurzurlauber an der Ostsee gibt.

Das Baugebiet nennt sich Waterfront und ist gewissermaßen ein Geschenk der Wiedervereinigung. Denn die Halbinsel gehörte auch zu DDR-Zeiten zum Westen, war aber nur mit der Fähre erreichbar. Der Landweg war durch die innerdeutschen Grenzanlagen getrennt. Und so blieb die Bautätigkeit an dieser Stelle überschaubar. Noch heute teilt sich das Land bei dem Ostseestädtchen in den infrastrukturell gut erschlossenen Westteil und den Ostteil mit ganz viel Landschaft.

Artenreiches Naturschutzgebiet

Wer eintauchen will in die deutsch-deutsche Vergangenheit, kann auf im ehemaligen Grenzstreifen wandeln, den die Natur zurückerobert hat und der inzwischen ein artenreiches Naturschutzgebiet geworden ist.

Auch der wildromantische Strand auf der Halbinsel Priwall unterscheidet sich vom Travemünder Hauptstrand. Kurz nach Sonnenaufgang zieht Heinz Jüttner schon seine Kreise. Er ist Sondierer, einer von 10.000 Menschen in Deutschland, die mit dem Metalldetektor auf Schatzsuche gehen. Und am Strand ist immer was zu finden. Zwar schlägt das Gerät nicht auf Bernstein an, aber Münzen - neue und alte - sind allemal drin. Was war das Schönste, das er hier gefunden hat? Eine Münze aus dem 15. Jahrhundert! Nicht gerade der Goldschatz von Seeräuber Klaus Störtebeker, aber immerhin was für die heimische Vitrine.

Zeitgleich geht seine Frau mit Mischlingsrüde Igor spazieren. Hier dürfen Hunde sein, wenn Herrchen und Frauchen die Regeln beachten. Ein Stückchen weiter ist der Strand für Freikörperkultur reserviert.

Die Fähren der TT-Line

Von dort hat man einen guten Blick auf die Fähren der TT-Line. Zum Beispiel die Nils Holgersson, die täglich mit bis zu 744 Passagieren und 540 Fahrzeugen nach Trelleborg in Schweden und zurück verkehrt. Die Fähre kommt am Hafeneingang direkt an dem alten Windjammer vorbei. Die Passat ist die letzte noch intakte Viermastbarke, die bis 1957 auf der Handelsroute des Chile-Salpeters und des Australischen Weizens um das gefährliche Kap Horn gesegelt ist.

Nachdem das Schwesterschiff Pamir im Orkan untergegangen war und die Passat nach höchster Seenot in den Hafen gefunden hatte, wurde der Segelgüterverkehr endgültig eingestellt. Heute liegt die Passat als Museumsschiff stolz wie eh und je an der Travemündung. Die Ausstellung im Bauch des Schiffes dokumentiert unter anderem die Abenteuer von Herbert Scheuffler, der 1932 im zarten Alter von 15 Jahren als Schiffsjunge bei der Passat anheuerte. Während seiner Reisen schrieb der Junge regelmäßig Tagebuch, und es existieren zahlreiche Fotos, auf denen er mit seinen erwachsenen Kameraden zu sehen ist.

Praktisch direkt nebenan ist die Ablegestelle der Fußgängerfähre zur Altstadtpromenade. Dort flanieren bei schönem Wetter Urlauber vor der malerischen Kulisse alter Hafenhäuser. In den Straßencafés ist gut entspannen. Und das könnte überhaupt das Leitmotto für Travemünde sein. Sonne und eine leichte Brise unterstützen dieses Szenario. Am Hauptstrand scheint die Sonne ein Abo zu haben. Und wenn der Wind zu ausdauernd bläst, dann bieten die Strandkörbe einen idealen Schutz.

Viel Landschaft und Ruhe

Travemünde wäre allerdings nichts ohne sein Hinterland. Wer gerne ausgedehnte Spaziergänge unternimmt, oder noch besser: Fahrradtouren, der hat hier die besten Möglichkeiten, seinem Hobby zu frönen. Vor allem das Gebiet östlich des Seebades bietet sehr viel Landschaft und Ruhe. Eine Tour entlang der Küste oder landeinwärts nach Pötenitz, Harkensee und Dassow ist da zu empfehlen.

Rund um die Mündung der Trave ist auch ein Spaziergang möglich. Zwar gibt es keine Brücke, aber die Fußgängerfähre und die kombinierte Fußgänger- und Autofähre bringen Touristen für kleines Geld auf die andere Seite.

Beeindruckend ist der Rosenhof, ein sehr großes Anwesen auf der Priwallseite, das als Seniorenresidenz fungiert. Hier haben viele Menschen ihren Alterswohnsitz genommen. Die Aussicht ist unschlagbar. Der Yachthafen liegt gerade vis-à-vis. Und mancher an Jahren reicher Mensch hat dort sein schmuckes Segelboot geparkt. Überhaupt ist das Ostseestädtchen ein Treffpunkt für Freizeitsegler, und das Revier ist voll im Ausbau begriffen. Hinter dem alten Krankenhaus am Priwall ist ganz neu ein Winterquartier für Segelyachten entstanden.

Auf der anderen Seite dominiert die Altstadtpromenade, wo am Weg zur Meerseite hin der Alte Leuchtturm aus Backstein steht. Seit 1539 ist er da und gilt als der älteste seiner Art in Deutschland. Er ist allerdings außer Dienst. Dafür ist das Leuchtfeuer, das die Schiffe in die Hafenmündung lotst, im Dachgeschoss des Maritimhotels eingerichtet in 117 Metern Höhe. Es ist damit das höchste Leuchtfeuer Europas und strahlt von dort bis zu 19 Seemeilen.

Anreise mit Auto und Schiff möglich

Wenn das Wetter mal nicht so gut ist, bietet sich ein Ausflug nach Lübeck an mit den Pflichtstationen Holstentor, Marzipanhersteller und Buddenbrookhaus. Aber natürlich ist all dies auch bei Sonnenschein gut zu besichtigen. Eine Anreise mit dem Auto oder dem Schiff ist möglich.

Der erste Weg führt die meisten Touristen zum Holstentor, dem unbezweifelten Wahrzeichen der Hansestadt Lübeck. Es war bis 1991 bundesweit präsent auf der Rückseite des früheren 50-Mark-Scheines. Und es ist auf der Zwei-Euro-Münze von 2006 zu finden. Es ziert auch das Firmenemblem der Marzipanfirma Niederegger, deren Café im Zentrum der Altstadt liegt. Zu empfehlen ist der klassische Genuss eines kleinen Marzipanbrotes, nur ummantelt von dunkler Zartbitterschokolade.

Lübeck ist die Stadt der sieben Türme, denn ihre fünf Hauptkirchen bilden mit ihren sieben Dächern eine unverwechselbare Silhouette. Und sie erinnert damit an die gute alte Zeit.

Wer in die Geschichte der Hansestadt blickt, der findet auch die Erinnerung an den Schriftsteller Thomas Mann und seinen ersten Roman Buddenbrooks, einem Stück Literatur von Weltrang, das den Niedergang einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie beschreibt. Das Buddenbrookhaus steht in der Mengstraße und ist heute ein Museum. In Travemünde verbrachte Thomas Mann seine glücklichsten Stunden.

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