Syrische Frauen berichten über den Krieg Jeden Morgen für die Kinder gebetet

Bonn · Es sei schon immer ihr Traum gewesen, andere Kulturen kennenzulernen, sagte Evin Amir, Leiterin einer Telekommunikationsfirma aus Aleppo. „Aber nicht so, nicht als Flüchtling“, fügte die 36-Jährige hinzu und setzte das Wort Flüchtling mit den Fingern in Anführungszeichen.

 Even Amir und Nesrin Sheikho erzählen vom Leben in ihrer syrischen Heimat.

Even Amir und Nesrin Sheikho erzählen vom Leben in ihrer syrischen Heimat.

Foto: Barbara Frommann

Evin Amir und Nissrin Shikho (38), ebenfalls aus der syrischen Metropole, beantworteten nach ihrem Vortrag im Haus der Bildung Fragen aus dem Publikum. Die drehten sich um den Alltag der Frauen vor und nach dem Ausbruch des nun seit fünf Jahren andauernden Bürgerkriegs: Wohin geht man abends aus? Welche Sprachen lernen die Kinder in der Schule? Wie funktioniert das Gesundheitssystem, das Rentensystem und machen syrische Frauen eigentlich Sport?

Die Präsentation Amirs und Shikhos bildete den Auftakt der VHS-Serie „Flucht und Migration“, die in Kooperation mit dem Bonner Netzwerk „politikatelier“ entstand. „Man hört so viel über Geflüchtete, liest so viel, aber man kennt eigentlich niemanden persönlich“, sagte Britta Meijer-Nehring in einer kurzen Einleitung.

Erfahrungen aus der Heimat vermitteln

In der Reihe sollen die Frauen Gelegenheit bekommen, Erfahrungen aus der Heimat zu vermitteln sowie von ihrem Arbeits- und Familienleben zu berichten. „Die Teilnehmer sind vorab zum Thema 'Wie gehe ich mit Vorurteilen um' geschult worden und haben Vortragstechniken geübt.“

Der letzte gemeinsame Ausflug, bevor die Unruhen begannen, führten Nissrin Shikho, ihren Mann und die beiden Kinder in die antike Oasenstadt Palmyra, Unesco-Weltkulturerbe und rund vier Autostunden von Aleppo entfernt. Seit Monaten treibt dort nun die Terrormiliz IS ihr Unwesen – plündert Mausoleen, zerstört Skulpturen und sprengt Tausende Jahre alte Tempel. „Als der Konflikt näher kam, nahm unsere Angst zu. Ich fing an, jeden Morgen zu beten, dass meine Kinder wohlbehalten von der Schule wiederkommen.“ Dann sei irgendwann der Strom ausgefallen, die Lebensmittel wurden knapp, erzählte die Apothekerin. „Wir sind in die Türkei geflohen und von dort mit dem Flugzeug hierhin.“

Ein Jahr ist das jetzt her. Evin Amir kam 2013 auf gleiche Art und Weise nach Deutschland. Sie war zu dem Zeitpunkt schwanger und musste Mann und Sohn aus finanziellen Gründen zunächst in Aleppo zurücklassen. „Das war keine einfache Zeit.“ Mittlerweile leben sie zu viert in Tannenbusch, die 36-Jährige macht ein Praktikum bei der Telekom.

„Wie hier, genauso!“, betonte Amir, gefragt nach abendlichen Unternehmungen. „Wir sind ins Restaurant gegangen, ins Kino.“ Und die Kleidung? „Es gibt Frauen, die tragen Kopftuch, und es gibt Frauen, die tragen Minirock“, sagte Shikho und lachte. Die Hälfte der Uniabsolventinnen sei weiblich. „Nur nutzen leider nicht alle ihren Abschluss und gehen arbeiten.“ Da Kindergärten nur halbtags betreuten, müssten Mütter oft zu Hause bleiben. „Das ist ja wirklich gut hier, dass Kitas bis fünf Uhr offen sind“, lobte sie das deutsche System. „Das ist aber auch noch nicht lange so“, bemerkte eine Zuhörerin. Mit Rotkohl habe sie sich noch nicht anfreunden können, so Amir, glücklicherweise gebe es hierzulande ausreichend türkische und arabische Geschäfte.

„Beeindruckend, wie Sie nach so kurzer Zeit einen kompletten Abend auf Deutsch bestritten haben“, sagte Andreas Preu von der Volkshochschule zum Abschluss zu den beiden Frauen.

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