Kommunalwahl in Bonn Fünf turbulente Jahre gehen zu Ende

BONN · Als am Abend des 30. August 2009 die Ergebnisse der Kommunalwahl fest standen, dachte wohl im Traum noch niemand daran, dass wenige Wochen später im Bonner Rathaus für die nächsten fünf Jahre eine schwarz-grüne Mehrheit das Sagen haben würde. Wo doch gerade für die CDU die Grünen einst lediglich eine "Zeiterscheinung" waren.

 Blick in den Ratsaal im Jahr 2010: Jeder Politiker hat einen Mini-Schreibtisch vor sich, es gibt Wasser und Kaffee. Während die Politiker, hier im Vordergrund die FDP-Fraktion, Unterlagen studieren und den Rednern zuhören, sitzen hinten die Bürger auf der Tribüne und hören zu.

Blick in den Ratsaal im Jahr 2010: Jeder Politiker hat einen Mini-Schreibtisch vor sich, es gibt Wasser und Kaffee. Während die Politiker, hier im Vordergrund die FDP-Fraktion, Unterlagen studieren und den Rednern zuhören, sitzen hinten die Bürger auf der Tribüne und hören zu.

Foto: Lannert

Allen voran die SPD, die in die Opposition verbannt wurde und sich mit dieser Rolle immer noch recht schwer tut. Bei Themen, bei denen die schwarz-grüne Mehrheit auf keinen gemeinsamen Nenner kommen konnte, wie etwa beim Festspielhaus, waren im Koalitionsvertrag die unterschiedlichen Positionen entsprechend benannt worden.

Heute sind aus früheren Kontrahenten inzwischen sogar Freunde geworden. Und auch, wenn die maßgeblichen Vertreter beider Parteien und Fraktionen sich so kurz vor der nächsten Wahl mit Koalitionsaussagen bedeckt halten: Insgeheim wünscht man sich wohl eine Fortsetzung der schwarz-grünen Liaison.

Kurz vor dem damaligen Wahlabend: Der General-Anzeiger hatte seine erste Millionenfalle zum World Conference Center Bonn (WCCB) herausgebracht. Das politische Bonn stand Kopf, die Ereignisse überschlugen sich.

Der alte Stadtrat mit Ex-Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) an der Spitze, in dem nach geplatzter Ampelkoalition vier Jahre lang eine Mehrheit aus CDU und SPD die Richtung vorgegeben hatte, war offiziell noch bis Oktober 2009 im Amt. Dieckmanns Nachfolger und Parteifreund Jürgen Nimptsch stand bereits in den Startlöchern. Er musste sich aber bis zum Abschied Dieckmanns noch zurückhalten.

Eine schwierige Gemengelage in der einst so beschaulichen Stadt Bonn, in der bis 1994 stets eine bürgerliche Mehrheit die Kommunalpolitik bestimmt hatte. Eine Gemengelage, die vor allem überschattet wurde von dem Desaster um das WCCB samt Baustopp, staatsanwaltlichen Ermittlungen, Anklagen und Gerichtsprozess.

Das blieb nicht ohne Folgen für die Zusammenarbeit zwischen OB, Verwaltung und dem neuen Stadtrat: Es entwickelte sich ein bisher nie dagewesenes Misstrauen der neuen Ratsmehrheit und auch Teilen der "Opposition" gegenüber der Verwaltung. Die wiederum wirkte ob der Schlag auf Schlag folgenden Skandalmeldungen rund ums WCCB über lange Zeit wie gelähmt. Es entstand zunehmend der Eindruck, dass sich in der Stadt nichts mehr bewegt.

In Sorge um die Zukunft Bonns bildete sich ein Bündnis aus Kirchen, IHK, Wohlfahrtsverbänden und Gewerkschaften, das in einem Aufruf unter dem Titel "Für Bonn" politischen Stillstand in der Bundesstadt beklagte. Stillstand ist seither in Bonn ein geflügeltes Wort. Welches die Opposition gern der Ratsmehrheit vorhält, letztere wiederum der Verwaltung vorwirft, weil sie keine Beschlüsse mehr umsetze. Mehr und mehr geriet auch OB Nimptsch in die Kritik. Denn lange sah es beim WCCB danach aus: Außer Spesen (für die städtischen Rechtsberater) nichts gewesen.

Das Klima zwischen der schwarz-grünen Mehrheit und Nimptsch ist bis heute von den hitzigen Debatten um das WCCB negativ geprägt, bei denen sich beide Seiten nichts schenkten. Allerdings: Beim WCCB hat man sich inzwischen auf der Arbeitsebene gefunden. Die Fertigstellung ist fast viereinhalb Jahre nach dem Baustopp in vollem Gange. Ein weiteres Projekt, das beide Seiten für sich als Erfolg der laufenden Ratsperiode verbuchen: Die Verhinderung eines Nothaushaltes.

Das gelang indes nur durch legale Buchungstricks, also einem nur fiktiv ausgeglichenen Haushalt und Steuererhöhungen. Echt gespart wurde nichts, und der Schuldenberg ist seit 2009 auch weiter gewachsen: Zurzeit auf 1,6 Milliarden Euro. Kurz vor Ende dieser Ratsperiode wird jetzt das Viktoria-Karree ausgeschrieben, die Eröffnung des mehr als 20 Millionen-Euro teuren Hauses der Bildung fällt in die Zeit nach der Wahl.

Durchgesetzt hat sich Schwarz-Grün auch beim Thema Stadtwerke: Da steht voraussichtlich schon nächste Woche die Wahl eines neuen Geschäftsführers an. Allerdings hat dieses Thema den Graben zwischen Ratsmehrheit sowie SPD und OB noch weiter vertieft und zur Abberufung des SPD-Ratsherrn Werner Esser als SWB-Aufsichtsratsmitglied geführt. Ein noch nie dagewesener Vorgang. Offene Baustellen sind nach wie vor Themen wie Bäder- oder Kulturkonzept, die Südüberbauung am Hauptbahnhof, der seit Jahrzehnten diskutierte neue Busbahnhof, das marode Stadthaus, die Zukunft des Schlachthof-Areals und natürlich die nach wie vor desaströse Haushaltslage der Stadt Bonn.

Genügend Arbeit also für den neuen Stadtrat. Für die Parteien geht's jetzt bei der Wahl um die Wurst - oder besser gesagt darum, wie stark sie künftig im Rat sein werden. Die Prozentzahl ist wichtig, um möglichst viele ihrer (zuvor intern bestimmten) Mitglieder in das Gremium schicken zu können. Je mehr Prozent der Stimmen die Parteien bekommen, desto größer also der Einfluss Und das ist wiederum wichtig, um Mehrheiten bilden zu können und zu entscheiden, in welche Richtung die Bonner Stadtpolitik in den nächsten Jahren läuft.

Ein grundsätzliches Problem dabei ist die Zersplitterung des Rates, ein neueres Phänomen, das Chancen und Risiken gleichermaßen bietet. Acht Parteien bzw. Gruppierungen sitzen seit 2009 im Ratssaal. Fachleute gehen davon aus, dass es im nächsten Rat sogar noch bunter zugehen wird. Kommt es so, bedeutet das eine große Meinungsvielfalt, aber auch ein hohes Risiko, weil Mehrheiten immer schwieriger zu organisieren sind. Man darf also gespannt sein, wie der neue Stadtrat nach der Wahl am 25. Mai zusammengesetzt sein wird und zu welcher Mehrheit es letztlich kommen wird.

Wieder Schwarz-Grün? Oder eine Neuauflage der großen Koalition aus CDU und SPD? Allerdings wurde diese Konstellation für das schlechte Abschneiden der beiden größeren Ratsfraktionen bei der Wahl 2009 verantwortlich gemacht. Rot-Grün ist angesichts der Zerstrittenheit beider Parteien im Moment ebenfalls nur schwer denkbar.

Praktisches vor dem Wahltermin

  • Datum: Europawahl, Kommunalwahlen und die Wahl des Integrationsrates finden in Bonn alle am Sonntag, 25. Mai 2014, statt.
  • Wählerverzeichnisse: Stichtag für die Wählerverzeichnisse ist der 20. April 2014 (Ostersonntag), der 35. Tag vor den Wahlen. Alle Wahlberechtigten, die an diesem Tag in Bonn gemeldet sind, werden ins Wählerverzeichnis eingetragen. Öffentlich ausgelegt - wie gesetzlich vorgeschrieben - werden die Wählerverzeichnisse vom 5. bis 9. Mai.
  • Wahlberechtigte: In Bonn wahlberechtigt für die Kommunalwahlen ist, wer am Wahltag Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes ist oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt, das 16. Lebensjahr vollendet hat, am 16. Tag vor der Wahl in Bonn seine (Haupt-) Wohnung hat und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Bei der Europawahl sind in Bonn alle Deutschen ab 18 Jahren wahlberechtigt. Zur Wahl des Integrationsrates werden automatisch Bonner ab 16 Jahre zugelassen, die keinen deutschen Pass haben. Wer sich hat einbürgern lassen, der kann nur auf Antrag ins Wählerverzeichnis eingetragen werden.
  • Wahlbenachrichtigung: Die Stadt Bonn verschickt die Wahlbenachrichtigungen zwischen dem 23. April und dem 4. Mai. Jeder Empfänger kann anhand des Briefs sehen, für welche der anstehenden Wahlen er wahlberechtigt ist. Auf der Rückseite befindet sich außerdem ein Briefwahlantrag.
  • Briefwahl: In den vier Bonner Stadtbezirken ist ab dem 22. April jeweils ein Wahlbüro eröffnet, wo Briefwahlanträge bearbeitet werden. Wählerinnen und Wähler können die Formulare direkt ausfüllen und so unmittelbar per Briefwahl ihre Stimme abgegeben. Standorte sind das Bonner Stadthaus und die drei Bezirksrathäuser. Nach der Erstellung des Wählerverzeichnisses am 20. April kann die Briefwahl auch online auf www.bonn.de beantragt werden. Die Briefwahlunterlagen werden nicht vor dem 22. April verschickt.
  • Kontakt: Fragen beantworten die Mitarbeiter des Wahlamtes, das zu den Bürgerdiensten der Stadt Bonn gehört: 0228/775260 oder unter 773842. E-Mail-Adresse: wahlen@bonn.de. Adresse: Berliner Platz 2, 53103 Bonn.
  • Rückblick: So stimmten die Bonner ab

Rückblick

Bei der vergangenen Kommunalwahl im Jahr 2009 verzeichneten CDU und SPD Verluste, Grüne, FDP und Linke gewannen hinzu. Ergebnis der anschließenden Mehrheitsfindung im Rat war eine schwarz-grüne Koalition, die mit einem SPD-Oberbürgermeister zusammenarbeitet. Der damalige Schulleiter Jürgen Nimptsch setzte sich 2009 deutlich gegen seinen CDU-Herausforderer Christian Dürig durch und wurde Nachfolger von Bärbel Dieckmann (ebenfalls SPD). Die Bezirksparlamente haben zum Teil andere Mehrheitsverhältnisse als der Rat. So gibt es im Stadtbezirk Beuel eine Koalition aus SPD und Grünen, in der Bezirksvertretung Hardtberg arbeiten CDU und FDP zusammen. Die Wahlbeteiligung lag bei der Kommunalwahl 2009 bei 56 Prozent.

Diese Wahlen stehen an:

Kommunalwahlen

Bei den Bonner Kommunalwahlen macht jeder Wähler insgesamt zwei Kreuzchen. Der Rat wird nach einem zweistufigen Mischsystem gewählt. Jede Wählerin, jeder Wähler hat dabei eine Stimme. In Bonn kandidieren in jedem der 33 Kommunalwahlbezirke Direktkandidaten, die mit einfacher Mehrheit in den Rat gewählt werden können. Die Stimmen, die auf die Kandidatinnen und Kandidaten entfallen, zählen gleichzeitig für die Reserveliste der betreffenden Partei.

Hat eine Partei weniger Mandate in der Direktwahl gewonnen, als ihr nach der Verhältniswahl zustehen, werden die fehlenden Mandate aus der Reserveliste besetzt. Erhält eine Partei mehr Direktmandate als ihr nach der Verhältniswahl insgesamt an Mandaten zustehen, ergeben sich Überhangmandate. "In einem solchen Fall erhalten die übrigen Parteien im Rahmen eines Verhältnisausgleichs zusätzliche Sitze", so die Stadt Bonn, die alle notwendigen Informationen auf ihrer Seite www.bonn.de zusammengestellt hat. Die Fünf-Prozent-Hürde gilt bei der Kommunalwahl nicht.

Mit dem zweiten Kreuz bestimmen die Wähler die Zusammensetzung ihrer jeweiligen Bezirksvertretung, ja nach Wohnort für Beuel, Bad Godesberg, Hardtberg oder den Stadtbezirk Bonn. Die Sitze werden auf Grundlage einer Verhältniswahl verteilt.

Europawahl

Bei der Europawahl werden alle fünf Jahre die Abgeordneten des Europäischen Parlaments gewählt. Abgestimmt wird über die Listenvorschläge von Parteien und politischen Vereinigungen. Die Europawahl ist eine Verhältniswahl, Direktkandidaten gibt es nicht. Deutschland schickt insgesamt 96 Abgeordnete ins nächste Europäische Parlament. Zurzeit hat die EU-Volksvertretung zwei Mitglieder aus Bonn: Axel Voss von der CDU und Alexander Graf Lambsdorff von der FDP.

Bis 2009 galt für die Europawahl in Deutschland die Fünf-Prozent-Hürde. Bundestag und Bundesrat wollten diese auf drei Prozent absenken, der Bundespräsident hatte das Gesetz unterzeichnet. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat jedoch am 26. Februar 2014 entschieden, dass die Drei-Prozent-Hürde verfassungswidrig ist. Sie verstoße gegen die Chancengleichheit der Parteien. Deshalb gibt es gar keine Sperrklausel mehr.

Integrationsratswahl

Der Integrationsrat ist die politische Vertretung der Migranten in Bonn. Er setzt sich zu zwei Dritteln aus direkt gewählten Vertreterinnen und Vertretern und zu einem Drittel aus Ratsmitgliedern zusammen. Die Wahl fand bisher getrennt von den Kommunalwahlen statt. Im Jahr 2010 betrug die Wahlbeteiligung nur acht Prozent. Der nordrhein-westfälische Landtag hat in seiner Plenarsitzung vom 18. Dezember 2013 beschlossen, dass die Wahl der Mitglieder des Integrationsrates künftig am Tag der Kommunalwahl erfolgen soll.

Das wird in Bonn umgesetzt. Wahlberechtigt sind nicht nur die hier lebenden Ausländer, sondern auf besonderen Antrag auch Personen, die sich haben einbürgern lassen. Für den Integrationsrat treten auch Parteien und Wählergruppen an, die im Stadtrat nicht vertreten sind. Er soll eine "sichere und aktive Integrationspolitik in Bonn" sicherstellen. In der vergangenen Ratsperiode gab es heftige Auseinandersetzungen innerhalb des Gremiums.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort