Philosoph Markus Gabriel am Rheinbacher Campus Verteidiger des freien Willens

Rheinbach · Eigentlich sollte Markus Gabriel "Gast auf dem Sofa" sein. Doch wegen des großen Besucherandrangs in der Bibliothek auf dem Rheinbacher Campus wurde es nichts mit der Gemütlichkeit am Dienstagabend. Ein größerer Hörsaal wurde bezogen, der Bonner Philosophie-Professor dozierte im Stehen.

 Philosophieprofessor Markus Gabriel: Da der Andrang so groß war, musste die Veranstaltung in einen Hörsaal ausweichen.

Philosophieprofessor Markus Gabriel: Da der Andrang so groß war, musste die Veranstaltung in einen Hörsaal ausweichen.

Foto: Axel Vogel

Ohnehin geht dem argumentativen Stakkato, mit dem Gabriel gegen den Alleinvertretungsanspruch der Neurowissenschaften in Sachen Geist und Denken zu Felde zieht, jede Gemütlichkeit ab. Für ihn sind fundamentale Begriffe wie "Bewusstsein, Selbstbewusstsein, Ich, Selbst" und auch "Mensch" nicht zurückführbar auf "Neuronengewitter" im menschlichen Hirn.

Das beschreibt er in seinem jüngsten Buch "Ich ist nicht Gehirn - Philosophie des Geistes". Das belegte er auch in seinem frei gehaltenen Vortrag, in dem er die "Neurozentriker" zu Nachfolgern der "Eurozentriker" erklärte und als "Scharlatane" bezeichnete.

Gabriel verteidigt den freien Willen. Als dessen Feinde bezeichnet er "Gott, Natur und Gehirn". Nach Luther hat der Mensch keinen freien Willen, weil Gott alles vorherbestimmt hat. Gott ist so allwissend, wie es "Google gerne wäre" - darüber lachte das Publikum. Auch wer dem Determinismus anhänge, die Naturgesetze seien "Zwangsmechanismen", negiere die Freiheit. Und schließlich macht er den "neuronalen Determinismus" eines Wolf Singer als freiheitsfeindlich aus. Dabei wäre immer "das vorher Unbewusste" entscheidend, das Bewusstsein nur ein Kommentar zur "Grundverschaltung" im Hirn.

Gabriel hält es durch Versuche für widerlegt, "zu denken, dass der menschliche Geist materiell verursacht ist". Sein Beispiel: Fahrrad fahren kann man nur mit Fahrrad. Aber das Fahrrad ist nicht mit dem Fahrradfahren identisch, genauso wenig, wie das Gehirn mit dem Bewusstsein identisch ist. Mit Aristoteles hält Gabriel den Geist für eine Tätigkeit wie das Fahrradfahren. "Da hat er ausnahmsweise recht", bescheinigt der junge Bonner Denker seinem antiken Vorgänger.

Gabriels Credo lautet: "Nur Zwang macht unfrei". Dabei beruft er sich auf Hegel und dessen Satz vom "freien Willen, der den freien Willen will", und Schelling: "Das A und O aller Philosophie ist Freiheit". Schließlich sei der freie Wille auch im Strafrecht relevant und Voraussetzung dafür, dass Menschen für Taten verantwortlich gemacht werden können.

In der Diskussion wurde die Frage nach dem Unterschied zwischen Mensch und Tier gestellt. Für Gabriel ist der Mensch "das einzige Tier, das Geist hat". Kein anderes Lebewesen besitze dieses Vermögen. Carl von Linné führte 1758 den Begriff "homo sapiens" ein, indem er statt der körperlichen Merkmale die Fähigkeit zum "Erkenne dich selbst" als Hauptmerkmal nannte. Der Mensch weiß demnach, was ein Mensch ist.

Auf die Frage, ob in Gabriels Buch auch etwas über Ethik stehe, antwortete dieser unter Bezug auf Kant und Fichte, dass wir alles tun müssen, "damit Schlechtes nicht geschieht".

Markus Gabriel, "Ich ist nicht Gehirn", Ullstein Verlag 2015, 352 Seiten, 18 Euro, ISBN 13 9783550080692

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