JVA Rheinbach Schritte in ein geregeltes Leben

RHEINBACH · Den ganzen Tag lang haben drei Gefangene gekocht, internationale Gerichte - denn die 16 Häftlinge der Behandlungsabteilung für Täter mit Gewaltproblematik in der JVA Rheinbach kommen aus derzeit vier Nationen.

 JVA-Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck (Kopfende) zu Besuch in der Wohngruppe.

JVA-Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck (Kopfende) zu Besuch in der Wohngruppe.

Foto: Axel Vogel

Dieter ist schon mehr als ein Jahr in der Wohngruppe. "Hier konnte ich mich mit allem auseinandersetzen, es ist immer jemand da, den ich ansprechen kann. Ich hatte meine Tat ein bisschen falsch beurteilt. Es ist besser, das richtig zu sehen. Hier kann ich an mir arbeiten", sagt der 55-jährige Langzeitgefangene, der ein Tötungsdelikt begangen hat. Und bekommt gleich vom Anstaltspsychologen Andreas Warneke ein positives Feedback: "Meinen größten Respekt, alle Achtung!"

Auch Murat ist seit einem Jahr in der Abteilung. Er habe vieles gelernt in der Zeit und nehme vieles mit, sagt der 36-Jährige. Vor allem die Kombination der drei Elemente Wohngruppe, Einzelpsychotherapie und qualifizierte Ausbildung als Koch habe ihn weitergebracht, resümiert er.

Seit zehn Jahren gibt es die Behandlungsabteilung für Täter mit Gewaltproblematik in der JVA Rheinbach, die nach dem damaligen Start mit neun Plätzen heute inzwischen über 16 Plätze verfügt. "Das sind 16 Platzhirsche, die gerne untereinander die Rangordnung ausmachen würden", sagt Anstaltsleiter Heinz-Jürgen Binnenbruck.

"Viele sind geprägt durch ihre Subkultur und ihr Machtgehabe. Als wir vor zehn Jahren angefangen haben, sagte einer ,Endlich! Sie haben keine Angst vor uns.? Uns beeindruckt dieses Imponiergehabe nicht", stellt Doris Gauer fest. Die 56-jährige Sozialarbeiterin mit Zusatzausbildung für Gewalt- und Sexualstraftäter sowie Mediatorin bildet mit dem Anstaltspsychologen Andreas Warneke (54) und Ingo Zick (47), Vollzugsbeamter mit Zusatzausbildung als Behandler im Antigewalttraining, das feste Behandlungsteam. Gemeinsam mit einer früheren Anstaltspsychologin haben sie das inzwischen landesweit anerkannte Konzept entwickelt. Es folgt dem Grundsatz, dass Täterbehandlung auch Opferschutz ist. Und: "Wir ächten die Straftaten - aber wir achten die Täter als Menschen!"

Ziel der Behandlung ist die Erhöhung der Frustrationstoleranz der Teilnehmer bei Verbesserung der verbalen Fähigkeiten. So können eigene Interessen besser dargestellt und umgesetzt, und im Idealfall auf Gewaltanwendung verzichtet werden, erklären die Behandler. Die Gefangenen sollen anerkanntes soziales Verhalten erlernen und im Vollzugsalltag der Wohngruppe erproben. Denn jeder lebt mit 15 weiteren Gewalttätern täglich zusammen den Alltag - eine Herausforderung und tägliches Training in einem.

Bewerben um einen Platz können sich sowohl Gefangene mit Kurzzeitstrafen von mindestens zwei Jahren als auch Gefangene mit sehr langen Strafen. "Wir arbeiten auch mit Mördern", sagt Sozialarbeiterin Gauer. "Psychiatrische Fälle haben wir hier nicht. Aber vielen fehlt die Betriebsanleitung für ihr Leben", stellt Anstaltspsychologe Warneke fest.

Bewerber müssen sich vorstellen und ihre Motivation darlegen, bevor die Gefangenen über eine zentrale Einweisungsanstalt in die Behandlungsgruppe aufgenommen werden. In der Wohngruppe sind die Türen der Hafträume tagsüber geöffnet, jeder Gefangene kann sich innerhalb der Abteilung frei bewegen. Sie können Küche, Gruppen- und Sportraum mit Boxsack nach Absprache nutzen. Die Behandlung dauert rund ein Jahr und findet in wöchentlichen Behandlungsgruppen mit je acht Teilnehmern und Wohngruppen-Sitzungen statt. Die Gefangenen beschäftigen sich anfangs mit Themen wie Umgang mit Stress, Gefühlen, Körpersprache oder Geschlechterrolle. Dann folgt die Auseinandersetzung mit der Gewaltstraftat. Es wird auch die Tat nachgespielt, einschließlich Perspektivwechsel auf die Opfer und die Folgen, die die Tat für sie hat. Schließlich werden die Rückfallgefährdung ausführlich erarbeitet, die erlernten Fortschritte und noch zu bearbeitende Themen analysiert.

Am Schluss steht für jeden Gefangenen eine ausführliche Abschlussbeurteilung sowie die individuelle Festlegung der weiteren Maßnahmen des Vollzugs. Das kann entweder die vorzeitige Entlassung sein, die Eignungsprüfung für den offenen Vollzug oder eine Berufsausbildung.

Insgesamt erhöhe die Behandlung die Wahrscheinlichkeit, dass die Gefangenen nicht mehr straffällig werden und ein geregeltes Leben führen können, so die Erfahrung der Behandler. Belastbare statistische Erhebungen dazu gibt es zwar nicht, aber nach den Erkenntnissen der JVA Rheinbach sehen die Daten so aus: In zehn Jahren haben 171 Gefangene an der Behandlung für Täter mit Gewaltproblematik in der JVA Rheinbach teilgenommen, rund die Hälfte von ihnen hat die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen. Bei diesen 50 Prozent wiederum lag die Rückfallquote unter zehn Prozent.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort