Taubenzucht in der Voreifel "Reisevereinigung Meckenheim" hat noch sechs Züchter

Meckenheim/Rheinbach · Heinrich Schurz, Werner Brück und Peter Siegberg züchten seit Jahrzehnten Brieftauben. In der "Reisevereinigung Meckenheim" waren einst mehr als 60 Züchter aktiv, heute sind es noch sechs.

 Heinrich Schurz im Jahr 1955 auf einer Zuchtschau bei seinen Tauben.

Heinrich Schurz im Jahr 1955 auf einer Zuchtschau bei seinen Tauben.

Foto: Privat, Heinrich Schurz

„Gott schütze uns vor Sturm und Wind – und Tauben, die zu langsam sind.“ Über dem runden Holztisch, an dem sich die Meckenheimer Taubenzüchter in den 1960er Jahren im „Fässchen“ an der Meckenheimer Hauptstraße trafen, hing nicht nur eine Plakette mit Sinnsprüchen. Auch der Schriftzug „Wer nicht kann sehen sein Geld da liegen, der schaffe sich Tauben, dann sieht er's fliegen“ machte auf die Stammgäste der Bierstube aufmerksam.

Der Fund von Fotos und 64 Jahre alten Dokumenten, den der Niederdreeser Taubenzüchter Heinrich Schurz im Sommer beim Aufräumen machte, weckte nun nicht nur bei ihm, sondern auch bei den beiden Züchtern Peter Siegberg und Werner Brück aus Meckenheim Erinnerungen an den Beginn ihrer Leidenschaft für die gefiederten Boten.

Der Anfang der Meckenheimer Brieftaubentradition wird auf das Jahr 1949 datiert, als der aus dem Aachener Raum stammende Franz Leuchter die Meckenheimerin Margarete Hörter heiratete und die „Reisevereinigung Meckenheim“ gründete. Damit etablierte er diesen Sport, der bereits vor dem Zweiten Weltkrieg viele Anhänger in Bonn und Euskirchen gefunden hatte, auch in der Region.

Als 1954 alle auf die Rückkehr ihrer Tauben hofften

Die Wetterverhältnisse im französischen Narbonne waren bestens, als am 24. Juli 1954 um genau 8.15 Uhr 95 Tauben in den Sommerhimmel aufstiegen und 64 Züchter von der „Reisevereinigung Meckenheim“ am heimatlichen Schlag auf die Rückkehr ihrer Tiere hofften. Die Informationen, die den Siegerlisten aus dem Besitz von Heinrich Schurz zu entnehmen sind, sind detailliert. „Jeder Auflass ist aufregend“, kommentiert der noch heute aktive Taubenzüchter Werner Brück die Aufzeichnungen und vergleicht die Vögel mit Spitzensportlern.

„Die Tauben fliegen als Schwarmtiere im Pulk, wobei Kondition, Kraft und Intelligenz schnell dafür sorgen, dass sich die Asse herausschälen“. Gemäß den Angaben in den Dokumenten kehrte an diesem Tag kein Tier mehr nach Hause zurück, am nächsten Morgen allerdings landete die Taube von Johann Krupp um 9.01 Uhr in der Klosterstraße und brachte dem dominierenden Züchter der Meckenheimer Reisevereinigung den Sieg. „Dann kamen sie nacheinander: um 9.49 Uhr in Witterschlick, um 10.33 Uhr in Rheinbach. Die Letzte trudelte in Adendorf um 16.09 Uhr ein“, liest Brück in den alten Unterlagen.

„Als Heinrich Schurz mir jetzt im Sommer seine Listen überließ, war das für mich wie ein Erbstück“, gerät der 71-Jährige ins Schwärmen. „Zwei Drittel der dort aufgeführten Züchter kenne ich noch persönlich.“ Im Jahr 1959, also zehn Jahre nach Gründung der „Reisevereinigung Meckenheims“, gab es allein in Meckenheim 20 aktive Züchter. „Damals waren Graben- und Neustraße die Hochburg der Brieftauben“, erinnert sich Peter Siegberg, der damals wie heute in der Neustraße wohnt. Sein eigener Taubenschlag befand sich unter dem Dach seines Hauses.

13-jähriger Werner Brück musste den Schlag betreuen

Als Siegberg 1960 für ein Jahr zur Bundeswehr musste, vertraute er dem damals 13-jährigen Brück seinen Taubenschlag an. „Als ich seine Tiere versorgte, bin ich immer so durch das Haus die Treppen heraufgerannt – ohne die Schuhe auszuziehen“, schmunzelt Brück, „seine Mutter hat nie etwas gesagt. Das zeigt, wie beliebt die Tauben bei allen waren.“ In dieser Zeit hat Brück alles Wichtige über die Haltung der Tiere gelernt und durfte sich aus Dankbarkeit ein paar Tauben mitnehmen.

„Außerdem hatte ich auch noch ein paar eigene aus den Schlägen meines Onkels in Kleinaltendorf.“ Damit war der Grundstock für Brücks Zucht gelegt. Für die Distanzflüge, die sogenannten Reisen, wurden die Tauben anfangs in Körben zum Sägewerk Bertram an der Bahnhofstraße gebracht und dann in Waggons verladen. Seit Anfang der 1960er Jahre fungierte für Jahrzehnte der Hof des „Fässchens“ als Sammelstelle, von der aus die Tauben auf Reisen gingen.

Waren die Tauben gelandet, wurde die exakte Flugzeit mithilfe einer sogenannten Konstatieruhr gemessen. Solch eine Spezialuhr besitzt Brück noch heute. Mit einem mechanisch betriebenen Uhrwerk ermittelt sie die genaue Ankunftszeit anhand des Fußringes der Tauben und stempelt diese auf eine Papierrolle. „Die Dinger waren teuer, 150 D-Mark, kaum einer konnte sich so eine Uhr damals leisten“, so Brück.

Begeisterung für die Brieftauben nimmt ab

Nur der Taubenzüchter Matthias Münch, der an der Grabenstraße wohnte, konnte einen solchen Schatz sein Eigen nennen. „Aus einer Luke im Dachgiebel seines Hauses ließ er einen kleinen Eimer an einer Schnur hinunter“, berichtet Siegberg. „Ich bin dann immer mit dem Fahrrad herübergerast und habe den Ring der Taube in den Eimer geworfen, und er hat dann die Zeit mit seiner Uhr ermittelt.“

Kam die nächste Taube, musste Siegberg wieder in die Pedale treten. Die Meckenheimer hätten es noch gut gehabt, gibt Siegberg zu, denn die Zeit, die man für den Weg zu Münch benötigt habe, sei ja noch auf die Flugzeit der Tauben gerechnet worden. „Die, die aus Lüftelberg kamen, mussten ihre fittesten Leute auf die Räder setzen“, erklärt Brück und lacht über den damaligen Kampfgeist.

Waren die Zeiten festgestellt, hoffte man auf eine Platzierung im ersten Drittel des Feldes. Die Begeisterung für den Brieftaubensport ist deutlich zurückgegangen. Heute gibt es nur sechs aktive Züchter in der Meckenheimer Reisevereinigung, Sie haben ihre Schläge in Merzbach und Miel, Meckenheim und Wormersdorf. „Ich bin mit einer Taube im Herzen geboren“, erklärt Brück und zeigt auf seinen Taubenschlag, in dem er rund 60 Alttiere und jährlich 30 Jungtauben hält.

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