Pro Runde auf drei Türme Mit dem Nachtwächter durch die Historie Rheinbachs

RHEINBACH · Als Nachtwächter führt Rudolf Wehage durch die Rheinbacher Innenstadt und erzählt aus der Geschichte. In früheren Jahrhunderten wurde die Stadt immer wieder von verheerenden Bränden heimgesucht.

 Nachtwächterführung mit Rudolf Wehage durch Rheinbach; hier am Wasemer Turm

Nachtwächterführung mit Rudolf Wehage durch Rheinbach; hier am Wasemer Turm

Foto: Axel Vogel

Natürlich beginnt er mit Gesang. „Hört ihr Leut' und lasst euch sagen…“. Bei einem Nachtwächter gehört das einfach dazu. Wenn Rudolf Wehage den dunkelgrauen Umhang umlegt und mit einer Gruppe Neugieriger durch Rheinbachs Straßen zieht, dann möchte er den Menschen die Stadtgeschichte und Geschichten schließlich auf besondere Weise näherbringen.

Obwohl er selbst daran zweifelt, dass die Wächter früher jede Stunde mit Gesang angekündigt haben. „Das ist eher auf einer romantischen Schiene entstanden“, ist seine Einschätzung. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich so ein Städtchen ständig hat umlärmen lassen.“ Außerdem erklärt er bei seinem letzten Rundgang im Jahr 2018, dass ein Nachtwächter nicht nur für die öffentliche Ordnung zuständig war. Seine vorrangige Aufgabe sei es gewesen, Feuer rechtzeitig zu entdecken. Denn Stadtbrände waren in vergangenen Jahrhunderten oft verheerend.

Auch Stadtarchivar Dietmar Pertz bestätigt: „Die Brandgefahr war groß.“ Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts habe es in Rheinbach fast nur Fachwerkhäuser gegeben. Die Gebäude waren bis auf Kirche und Burg alle mit Stroh gedeckt, selbst 1820 traf das noch auf mehr als die Hälfte der Häuser zu. Kein Wunder also, dass allein für das 17. Jahrhundert sechs große Stadtbrände belegt sind. Wehage nennt für den Zeitraum 1646 bis 1686 sogar 17 Feuer.

Mit dem Nachtwächter durch Rheinbach
18 Bilder

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30 Rheinbacher kommen bei Stadtbrand 1673 ums Leben

Der schlimmste Brand traf laut Pertz die Stadt 1673. Von 152 Häusern standen am Ende nur noch 20. „Das war katastrophal“, so der Archivar. Allerdings seien große Feuer häufig nicht die Folge von Unachtsamkeiten, sondern von kriegerischen Auseinandersetzungen gewesen. 1673 eroberten niederländische Truppen auf dem Weg nach Bonn die Stadt, plünderten und setzten sie in Brand. Dabei kamen rund 30 Rheinbacher ums Leben. „Da war im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los“, beschreibt es Pertz.

Einen weiteren Brand gab es am 30. März 1686. Dabei zerstörten die Flammen 70 Wohnbauten, 44 Scheunen und 61 Ställe. „Der ist von einquartierten Soldaten verursacht worden, die unachtsam waren“, erzählt Wehage auf seiner Runde. Auch die Stadtkirche, das Bürgerhaus und das Voigstor brannten ab. Für Archivar Pertz heute besonders bedauerlich: „Dabei sind alle städtischen Unterlagen verloren gegangen.“ Erst im 18. Jahrhundert sei es ruhiger geworden, obwohl auch dann noch einzelne Hausbrände überliefert seien. Neben den Nachtwächtern gab es immer wieder verschiedene Vorschriften zum Brandschutz, allerdings keine typische Feuerwehr. Pertz erklärt: „Im Grunde mussten alle Bürger helfen.“

So sollten sie Ledereimer vorhalten, die Stadt selbst besaß Brandleitern. Außerdem war es beispielsweise verboten, mit Tabakpfeifen rauchend durch die Straßen zu ziehen. In besonders trockenen Zeiten wurden Bürger zur sogenannten Scharwache verpflichtet. „Das hat aber offensichtlich nie so richtig funktioniert“, so Nachtwächter Wehage.

60 Prozent der Stadt liegen in Trümmern

Die Nachtwächter selbst mussten auf ihrer Runde dreimal auf Türme steigen, um sich einen Überblick über die Stadt zu verschaffen. Keine leichte Aufgabe ohne elektrisches Licht, wie Wehage bei seiner Führung am Mühlenturm erklärt: „Wir können uns heute gar nicht mehr vorstellen, wie finster so eine Stadt war.“ Später standen die Nachtwächter bei ihrer Runde vor einem Problem – zumindest belegt das eine Urkunde aus dem Jahr 1816: Von drei dieser Türme stand nur noch einer. Sie bliesen trotzdem an den vorgeschriebenen Stellen in ihr Horn. Im Idealfall nur einmal – das Signal dafür, dass alles in Ordnung war.

Ganz verhindern ließen sich Brände aber nicht. Und sie veränderten die Stadt. So baute man laut Pertz nach dem letzten großen Brand vor dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1842, einige Häuser nicht wieder auf. Dabei entstanden der Lindenplatz und die heutige Schweigelstraße, damals einfach „neue Straße“ genannt.

Der Krieg brachte dann noch einmal Feuer und Zerstörung, vor allem am Schwarzen Tag von Rheinbach, dem 29. Januar 1945. 60 Prozent der Stadt lagen am Ende des Krieges in Trümmern.

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