Wenn die Angst regiert Hilfe für Opfer von Straftaten in Ahrweiler

KREIS AHRWEILER · Beim Weißen Ring im Kreis Ahrweiler haben in diesem Jahr 106 Menschen Hilfe gesucht, die Gewalt erlebten. Allein 22 von ihnen waren Opfer einer Sexualstraftat.

In 15 Fällen von häuslicher Gewalt haben sich die Opfer in diesem Jahr an den Weißen Ring im Kreis Ahrweiler gewandt.

In 15 Fällen von häuslicher Gewalt haben sich die Opfer in diesem Jahr an den Weißen Ring im Kreis Ahrweiler gewandt.

Foto: Martin Gausmann

Eine 36-jährige Frau wird im Kaiser-Wilhelm-Park in Bad Neuenahr Opfer einer Messerattacke. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um den Ehemann. Nur eine mehrstündige Operation konnte im Herbst das Leben der Frau retten. Der Mann sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Für Hubertus Raubal, Leiter der Opferhilfsorganisation Weißer Ring im Kreis Ahrweiler, ist jeder Fall ein Einzelfall. Und über jeden Fall wird Buch geführt. 106 Personen, die Opfer einer Straftat geworden sind, haben sich in diesem Jahr bei Raubal und seinem 16-köpfigen Helferteam gemeldet. „Das sind etwas weniger als im vergangenen Jahr. Dennoch hat sich die Fallzahl bei der Außenstelle Ahrweiler innerhalb von 15 Jahren mehr als verdoppelt“, sagt der 70-jährige Ehrenamtler.

Bei einem Drittel der Meldungen handelte es sich um Körperverletzungsdelikte. Vorrangig war dabei Gewalt in engen sozialen Beziehungen. „Wenn die Faust Argumente ersetzt, regiert die Angst“, so Raubal. In dem nach einem Polizeibericht des General-Anzeigers vom Herbst geschilderten Fall hat die Frau Hilfe gesucht und wird sie auch weiterhin bekommen. „Insgesamt meldeten sich in diesem Jahr 15 Opfer von häuslicher Gewalt, 26 weitere Menschen waren Opfer von Gewalttaten“, bilanziert Raubal das ablaufende Jahr. Als Opfer von Sexualstraftaten haben sich 22 Personen gemeldet, zehn in der Kategorie Diebstahl und Raub.

Mobber und Stalker nutzen zunehmend soziale Netzwerke

Mobbing und Stalking nahmen mit insgesamt 13 Fällen zu. „Hier sind Täter besonders fantasiereich. Meist nehmen sie auch persönliche finanzielle Verluste und Risiken wie Arbeitsplatzverlust als Auswirkung ihrer Nachstellungen in Kauf. Diese Menschen sind krank. Sie betrachten sich als gesund und sind nicht bereit, rational ihre Handlungsweise zu bewerten“, sagt Raubal. Für diese kriminellen Machenschaften würden zunehmend auch die sozialen Netzwerke missbraucht.

Unter die Rubrik „Sonstiges“ fielen in diesem Jahr Delikte wie Einbruch, Erpressung, Brandstiftung oder Verleumdung. „Den meisten Ratsuchenden konnte beigestanden werden“, so Raubal. Derzeit betreuen die Frauen und Männer der Außenstelle Ahrweiler 38 Opfer, einige davon bereits über mehrere Jahre hinweg.

Opfer von Sexualstraftaten schämten sich meist des Erlittenen und fürchteten deshalb den Weg zur Polizei. Oft seien sie traumatisiert und deshalb außerstande, zeitnah eine Entscheidung zu treffen. Für diese Frauen gibt es seit einigen Wochen im Kreis Ahrweiler ein neues Angebot. Das Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr bietet die Möglichkeit einer medizinischen Untersuchung zur anonymen Spurensicherung an.

Ärzte im Neuenahrer Krankenhaus sichern Spuren

Raubal: „Die behandelnden Ärzte dokumentieren vorhandene Verletzungen und sichern mögliche Tatspuren. Danach haben Opfer auf jeden Fall die Zeit, sich die Erstattung einer Anzeige in Ruhe zu überlegen und gegebenenfalls erst nach ihrer seelischen Stabilisierung die Polizei einzuschalten.“ Die Außenstelle Ahrweiler bietet an, Opfern sexueller Taten bei ihrem Erstkontakt zum Krankenhaus zur Seite zu stehen.

Die Arbeit beim Weißen Ring erfordert laut Raubal von den Ehrenamtlichen intensiven Einsatz vom mitmenschlichen Beistand über das Begleiten bei Gerichtsverhandlungen bis zum Ausfüllen von Formularen. Kostenfrei waren die Helfer in diesem Jahr bislang 2600 Stunden und fast 7500 Kilometer für Kriminalitätsopfer im Einsatz. Neben immaterieller Hilfe wurden auch 12.350 Euro als materieller Beistand in Form von Geldbeträgen oder Beratungsschecks für Rechtsanwälte oder Therapeuten geleistet. Zusätzlich konnten Zuwendungen von der Stiftung „Rheinland-Pfalz für Opferschutz“ und der Stiftung „Nachbar in Not“ des Kreises Ahrweiler akquiriert werden.

Die Organisation hat im Kreis Ahrweiler 125 Mitglieder, 48.000 sind es bundesweit. Deshalb hat sich das Team von Raubal auch die Mitgliederwerbung auf die Fahne geschrieben. Denn diese fördern mit ihren Mitgliedsbeiträgen die Arbeit der Ehrenamtlichen. Raubal: „Da die Hälfte des Teams noch berufstätig ist, sind viele Aktivitäten nur schwer durchführbar. Wir suchen deshalb auch Personen, die Offenheit und Akzeptanz für die außergewöhnliche Situation von Kriminalitätsopfern und deren Angehörigen aufbringen.“ Vor allem junge Erwachsene mit neuen Ideen seien als Bindeglied zu Straftatopfern ihrer Altersgruppe gerne gesehen.

Nähere Infos bei Hubertus Raubal, (02655) 91 62 59 und www.weisser-ring.de.

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