Nach Corona-Ausbruch in Gütersloh Besteht Armin Laschet den Test als Krisenmanager?

Analyse | Berlin/Düsseldorf · NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hat den Corona-Lockerungskurs vorangetrieben. Nun droht im Kreis Gütersloh der neuerliche Lockdown. Gefährdet der CDU-Politiker damit seine Kanzler-Ambitionen?

 An seinem Corona-Krisenmanagement wird er gemessen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

An seinem Corona-Krisenmanagement wird er gemessen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Es sei ein bisschen wie beim Monopoly-Spiel. „Gehen Sie direkt ins Gefängnis, gehen Sie nicht über Los, ziehen Sie keine 4000 Mark ein“. Nur, dass Armin Laschet und die anderen Spitzenpolitiker sich nicht in den Knast begeben müssten, sondern in die Krise. Die Corona-Krise. Sie habe alles auf Null gesetzt, sagt der Mann aus dem Führungszirkel der CDU. Jede Bewegung, jede Entscheidung, jede Äußerung zur Bewältigung der Pandemie spiele jetzt eine Rolle bei der Bewertung, wer noch Größeres vermag, zum Beispiel ein Land zu führen. Deutschland.

Da können es der nordrhein-westfälische Ministerpräsident und sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU) noch so oft beteuern, dass es ihnen nicht um eine Performance als mögliche Kanzlerkandidaten gehe – ihr Krisenmanagement in Corona-Zeiten wird maßgeblichen Einfluss darauf haben, wem die Bürger in Umfragen und die Delegierten bei der Vorstandswahl auf dem CDU-Parteitag im Dezember ihr Vertrauen schenkten. Nach der erprobten und erfolgreichen Kanzlerin Angela Merkel werde eine der entscheidenden Fragen an ihre potenziellen Nachfolger sein: Kann er Krise?

Laschets Beliebtheitswerte sind da bislang bescheiden. Jedenfalls sind die von Söder besser. Und dass der CDU-Vizevorsitzende Laschet besser abschneidet als die beiden anderen Kandidaten für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz und Norbert Röttgen, gilt nicht als große Kunst. Ohne Regierungsamt sind die Konkurrenten eher Zaungäste bei der Bewältigung der Pandemie.

NRW ist nach Corona-Ausbruch wieder unter dem Brennglas

Nordrhein-Westfalen ist von der Pandemie besonders betroffen. Just an dem Tag seiner Vorstellung als Parteichef-Anwärter wurde der Corona-Ausbruch in Heinsberg bekannt. Am Morgen des 25. Februar hatte Laschet den Coup gelandet, mit Jens Spahn als Tandem aufzutreten. Der vergleichsweise junge Gesundheitsminister (40) soll dann CDU-Vize werden. Vielleicht kommt aber alles noch ganz anders. Mit dem dramatischen Corona-Ausbruch bei Tönnies, der Laschets Lockerungsübungen im Kreis Gütersloh zunichte macht, ist jetzt wieder NRW unter dem Brennglas.

Wie stark sich Laschet an seine Lockerungspolitik gekettet hat, machen seine unglücklichen Äußerungen über Bulgaren und Rumänen als Ursache für den Covid-19-Ausbruch in Rheda-Wiedenbrück deutlich. Eine Reporterin wollte wissen, ob ein Zusammenhang zwischen den Lockerungen und dem Infektionsgeschehen bestehe. Laschet verneinte vehement und schob die Verantwortung auf die Osteuropäer.

Laschet fällt mit umstrittener Äußerung auf

Ausgerechnet dem langjährigen Integrationsminister Laschet, der für seine Bemühungen zur Integration von Türken höchste Anerkennung bekam und der erhaben über Fremdenfeindlichkeit sein dürfte, passiert ein solcher Missgriff. Laschet, der liberale Freigeist in der CDU. Der, den es umtreibt, wie die Freiheitsrechte im Zuge von Corona beschränkt wurden und den Druck von allen Seiten in seinem Bundesland zu spüren bekam. Aber auch der, der offensichtlich nicht Merkels Nerven aus Stahl hat.

Auf keinen Fall will er, dass seine Lockerungspolitik in Verruf gerät. Zu viel hat Laschet dafür in den vergangenen Wochen gekämpft. Und zwar so vehement, wie es ihm viele gar nicht zugetraut hätten. In der Sendung „Anne Will“ hat er gegen die Kommunen gepoltert, die bei der Schulöffnung nicht vorankamen. Mit seinem gereizten Auftreten zerschlug er nicht nur bei den kommunalen Spitzenverbänden Porzellan, das er wieder zu kitten versuchte. Er irritierte auch Wegbegleiter. Denn lange galt Laschet als abwartender, ausgleichender, verständnisvoller Politiker. Auch im Amt des NRW-Ministerpräsidenten, das er am kommenden Samstag auf den Tag drei Jahre lang ausübt.

Laschet gilt als vorsichtiger Mittler, dem man bei seinen Ausführungen lange zuhört und sich am Ende nicht ganz sicher ist, was denn nun seine Position ist. Corona hat das verändert. Der Ministerpräsident verlangte als erster Ministerpräsident in der Krise, sich Gedanken über die „Rückkehr zur verantwortungsvollen Normalität“ zu machen. Dafür war er bereit, Risiken einzugehen. Im Fall Tönnies ging das daneben.

NRW-Ministerpräsident schreckt  vor dem Lockdown zurück

Während die Opposition Laschet vorwirft, den Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz zu ignorieren, wonach bei mehr als 50 Neuinfizierten je 100 000 Einwohner innerhalb von einer Woche ein Lockdown zu erfolgen hat, schreckte Laschet in der vorigen Woche davor zurück, das Leben im Westfälischen wieder völlig herunterzufahren.

In der CDU-Landtagsfraktion gehen sie davon aus, dass seine Sorge zu groß ist, die Maßnahmen könnten noch mehr bewirken als das Lahmlegen des öffentlichen Lebens. Er selbst könnte gebremst werden, wenn ihm ein Lockdown als Eingeständnis ausgelegt werden würde, dass der eigene Kurs zu weit ging. Dem Vernehmen nach hat nicht Laschet die Bundeswehr um Hilfe in Rheda-Wiedenbrück gebeten, sondern Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus.

Laschet mache seine Sache trotz mancher Rückschläge aber gut, sagt ein CDU-Präsidiumsmitglied. Auch er sei ein Gesicht des Corona-Krisenmanagements geworden. Die Frage sei nur, ob er als Bester vom Platz gehen werde. Das sei die Marge für den Parteivorsitz. Und damit für die Kanzlerkandidatur.

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