Bonn macht mobil Bonn im Krieg

Patriotismus kann bedeuten, Erbsensuppe zu essen.

Blick in die Kamera: Im Dezember 1915 ist die Beethovenhalle ein Lazarett voller Schwestern und Verwundeter, in der Mitte steht ein Weihnachtsbaum.

Blick in die Kamera: Im Dezember 1915 ist die Beethovenhalle ein Lazarett voller Schwestern und Verwundeter, in der Mitte steht ein Weihnachtsbaum.

Patriotismus kann bedeuten, Erbsensuppe zu essen. Viktoria von Schaumburg-Lippe, den Bonnern noch heute ein Begriff wegen des gleichnamigen Palais an der B 9, hat dies bewiesen.

Die Prinzessin von Preußen und Schwester des Kaisers hatte Adolf zu Schaumburg-Lippe geheiratet, das Paar ließ sich in Bonn nieder und kaufte die Villa des Tuchhändlers Wilhelm Loegschigk. Viktoria war in der Bevölkerung sehr beliebt, sie engagierte sich während des Ersten Weltkrieges in der Verwundetenpflege, ist deshalb auf zahlreichen Fotos zusammen mit Krankenschwestern an Lazarettzügen zu sehen - und aß auch schon mal demonstrativ in einer Kriegsküche.

"Am 8. Juli 1916 besuchten Ihre Hoheit, Frau Prinzessin Adolf zu Schaumburg-Lippe, und Seine Durchlaucht, Fürst Adolf zu Schaumburg-Lippe, die Kriegsküche in der Sandkaule", heißt es in einem Bericht, der im Bonner Stadtarchiv zu finden ist. "Sie besichtigten unter Führung des Herrn Oberbürgermeisters Spiritus die Einrichtungen und ließen sich auch eine Kostprobe des Mittagessens - Erbsensuppe mit Schweinefleisch - geben."

Insgesamt sieben Kriegsküchen waren in der Zeit zwischen Juni 1916, dem Jahr des sogenannten Steckrübenwinters, bis zum August 1919 in Bonn in Betrieb. "Als (...) der Wirtschaftskrieg eine starke Teuerung und Mangel an Lebensmitteln mit sich brachte, war es auch für die Verwaltung der Stadt Bonn notwendig, Massnahmen zu treffen, um die Ernährung eines grossen Teiles der Bevölkerung durch Teilnahme an der Massenspeisung (...) sicher zu stellen", heißt es dazu in dem Bericht.

Die Akten und Fotos im Stadtarchiv machen deutlich, wie sehr der Krieg an der Front auch das Leben in der Heimat prägte. Die Beethovenhalle: ein Krankensaal. Die Kirchenglocken der Stadt: abmontiert und bereit zum Abtransport, damit aus dem Metall Kriegsmaterial werde.

Deutsche Eiche, Kaiser, Adler, Rheinbrücke und Universitäts-Hauptgebäude vereint auf einem Plakat, das für den "Hilfstag der Vaterländischen Vereinigungen für die Kriegshilfe der Stadt Bonn 1915" wirbt. Schlangen bei der "Ausgabe der Kartoffelkarten". Frauen, die die Jobs der abwesenden Männer übernehmen und als Straßenbahnschaffnerinnen arbeiten.

Frauen, die Pakete für Soldaten an der Front packen, sogenannte Liebesgaben. Uniformierte vor der Rheinbrücke, aufgereiht zur "Wacht am Rhein". Das Bahngrundstück an der Quantiusstraße als Verbandstation für Verwundete, die von dort aus auf die Lazarette der Stadt verteilt werden.

Versehrte Soldaten, ein jeder mit Prothese, die in einer Halle sitzen und Körbe flechten. Auch Bonn wurde zur "Heimatfront" und 1918 sogar zum Angriffsziel: Bei einem Bombenangriff am 31. Oktober starben mehr als 30 Menschen.

Patriotismus bedeutete vor allem: geben. "Die Vorsitzende des Vaterländischen Frauenvereins" und "der Vorsitzende des freiwilligen Hilfsausschusses" rufen am 30. Juli 1915 per Anzeige "zu einem besonderen Gebetage" auf. Haus- und Straßensammlungen werden angekündigt, zudem der Verkauf von "Vaterländischen Abzeichen". Und weiter heißt es: "An Eure Opferbereitschaft, an Eure Dankbarkeit gegenüber unseren braven Truppen geht erneut unser Ruf."

Mehr zum Thema Heimatfront in Brigitte Hamann: Der Erste Weltkrieg. Piper, 192 S., 19,99 Euro

Bildernachweise: Adolf Plesser (5), Carl Nonn, Zeichner Bonn; Hermann Gross (2), Unbekannt.

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