Hinterm Horizont geht`s weiter

Robert Zandvliets weite Landschaften und verschlungene Autobahnen wehen wie ein sommerliches Lüftchen durchs Bonner Kunstmuseum - was dahintersteckt, ist spannende Malerei

Bonn. Die großen Schlachten um die Dogmen der Malerei muss er nicht mehr schlagen. Kaum weniger heiß diskutierte Fragen über den Tod der Malerei und das Ende des Tafelbildes scheinen ihn nicht zu interessieren. Quälende Rituale um die Rolle des Gemalten in einer multimedialen, globalisierten Welt laufen ins Leere.

Robert Zandvliet geht dem Mainstream aus dem Weg und folgt eigenen Pfaden. Eine sommerliche Unbekümmertheit und Leichtigkeit macht sich im Kunstmuseum breit, freundliche Farbbahnen, weite Horizonte, es fehlt nur noch das Gläschen gut temperierten Rieslings zum Glück. Was aber wie ein laues Lüftchen anmutet, hat es in sich. Die Ausstellung heißt "Beyond the Horizon" und meint genau dies, den Blick jenseits des Horizontes, was im Fall von Zandvliet auch mit einer anachronistisch anmutenden Reflexion traditioneller Genres verbunden ist.

Jemand, der im niederländischen Terband geboren, in Kampen und Amsterdam ausgebildet wurde, kommt am Goldenen Zeitalter der holländischen Malerei nicht vorbei, erst recht nicht am prägenden Landschaftsbild des 17. Jahrhunderts. Künstler der Moderne wie Mondrian und Theo van Doesburg haben sich daran die Zähne ausgebissen und das Thema abgehakt. Zandvliet, dessen Malerei streckenweise an Per Kirkeby erinnert und der gerade in einer Ausstellung des Kunstforums Bank Austria nicht zu Unrecht unter die Jünger von Willem de Kooning eingereiht wurde, hat gleichwohl kein Problem damit, das Erbe der Klasssiker aufzugreifen:

Die horizontalen Schichtungen, die durch diagonale Wege erschlossen werden, fand er bei Philips Koninck (1619-1688), schroffe Details wie ein verdorrter Baum im Vordergrund bei Hercules Seghers (1590-1638). Sogar Vincent van Gogh, der sich seinerseits an den alten Holländern abgearbeitet hat, wird durch Zandvliet neu gedeutet: Van Goghs brütend-düsteres, fiebrig flimmerndes "Weizenfeld mit Raben", im Todesjahr 1890 gemalt, wird von seinem jungen Kollegen auf sein formales und farbliches Grundgerüst reduziert, das die Dynamik des Vorbildes erhält, das Farbklima aber völlig umdreht, ins gleichermaßen Kühle wie Heitere wendet.

Hier liegt der Grundtenor von Zandvliets großformatigen abstrakten "Landschaften", den experimentellen kleineren Blättern und den von ihm als "Autobahnen" bezeichneten abenteuerlichen Verschlingungen von einander überlagernden Farbbahnen: Meist helle, luftige und mit dynamischem Schwung auf die Leinwand geworfene, eher kühle Eitempera-Strukturen breiten sich mitunter richtungslos und unzentriert auf dem Malgrund aus. Jedes Bild wirkt wie ein mehr oder weniger willkürlich aus einem großen kosmischen Zusammenhang gerissener Augenblick.

Im Frühwerk, wenn man das bei einem 35-jährigen Künstler so sagen kann, übertrug Zandvliet noch Beobachtungen aus dem Alltag fast unkommentiert ins Bild: Einen formatfüllenden Autospiegel, ein Treppenhaus, dessen tiefe Sogwirkung malerisch in eine horizontale Zentrifugalbewegung umgemünzt wird, eine Kinoleinwand, die sich wie ein hypnotischer Blue-screen öffnet. In den neueren Arbeiten verschwinden Bezüge zur Gegenständlichkeit weitgehend aus dem Bild. Was bleibt, ist eine bloße Ahnung und die Versuchung, das Gesehene zu "komplettieren". Oder man folgt einfach den abenteuerlichen Experimenten des Malers, der, auch dies ein Erbe der alten Holländer, seine Farben immer im Griff hat:

Dramatische Verdichtung und Schwere gibt es bei ihm ebenso wie dynamische Beschleunigung einer mit breitem Quast hingeworfenen Bahn oder die weitestgehende Entmaterialisierung, wenn etwa eine weiße Farbspur brüchig und fragil wird wie ein Gazestreifen.

Robert Zandvliet ist nicht die erste Entdeckung des Kunstmuseums, das die erste große Werkschau des Niederländers ausrichtet, wohl aber eine der schönsten. Das liegt nicht nur daran, dass dieser junge Maler offensichtlich kaum Probleme hat, mit 62 Arbeiten aus seinem überschaubaren Oeuvre den zentralen Ausstellungsraum und einen Kranz von sieben kleineren Räumen zu bespielen - und eine Reihe malerisch schwächerer und arg dekorativ-leckerer Werke zu überspielen. Das Besondere der Schau ist auch deren gelungene Präsentation, die die immer wieder betörenden und gerühmten diagonalen Sichtachsen des Architekten Axel Schultes für ihre Dramaturgie ideal ausnützt und buchstäblich den Horizont erweitert.

Kunstmuseum Bonn, Friedrich-Ebert-Allee 2; bis 21. August. Eröffnung: Sonntag, 5. Juni, um 12 Uhr. Di-So 11-18, Mi 11-21 Uhr. Katalog 25 Euro. Im Anschluss an Bonn wird die Schau in Tilburg gezeigt.

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